Eutin

So schaffte Ex-Neonazi Maik Scheffler den Ausstieg aus der rechten Szene

Der Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene Maik Scheffler beschrieb den Zehnt- und Elftklässlern des Weber-Gymnasiums am eigenen Beispiel, wie Extremismus einen Menschen verändern kann.

Der Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene Maik Scheffler beschrieb den Zehnt- und Elftklässlern des Weber-Gymnasiums am eigenen Beispiel, wie Extremismus einen Menschen verändern kann.

Eutin. Maik Scheffler galt in seinen Kreisen 17 Jahre lang als Vorzeige-Nazi. Vor dreieinhalb Jahren stieg der 44-Jährige mit Hilfe von Exit-Deutschland aus der rechtsradikalen Szene aus. Vor etwa 120 Schülern des Weber-Gymnasiums berichtete Scheffler über seine ungewöhnliche Wandlung vom Saulus zum Paulus.

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In einem verbalen Parforce-Ritt verknüpfte Scheffler in seinem zweigeteilten Vortrag den eigenen Lebensweg mit der politischen Geschichte. Sozialisiert in der DDR sei er in einem System der Abschottung groß geworden. „Die Ausländerquote lag bei 0,8 Prozent. Es gab ein paar Mozambiquaner, Vietnamesen und Kubaner“, erzählt Scheffler. „Und diese Menschen wohnten nicht nebenan, sondern in Siedlungen am Stadtrand oder sogar in Barackenlagern im Wald mit Ausgangssperre.“ Man sah sich nicht in der Schule, traf sich nicht auf dem Bolzplatz. Trotzdem empfanden viele, dass die deutsche Kultur schon fast am Ende sei. „Die DDR hatte uns gesagt, wo es langgeht. Jetzt waren wir orientierungslos.“

Irgendwann begann die Indoktrinierung zu wirken

Dieses Gefühl sei bewusst und geschickt von rechten Ideologen aufgegriffen und verstärkt worden, die sich in Jugendclubs breitgemacht und für ihre Ziele mit „apokalyptischen Gerede“ und „ethnischen Negativerzählungen“ den Nährboden vorbereitet hätten. Irgendwann beginne diese Indoktrination zu wirken; die Gruppe biete einen gewissen Halt und vermeintliche Lösungen. Er wurde Mitglied und Führer einer rechtsextremen Kameradschaft, trat später sogar den „Hammerskins“ bei. Diese und andere Bruderschaften wie „Blood & Honour“ oder deren Ableger „Combat 18“ oder „NSU“ sähen sich als bewaffneter Arm der rechtsradikalen Szene. „Aus so einem Umfeld stammt wahrscheinlich auch der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke“, vermutet Scheffler.

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Nur wenige schaffen den Ausstieg

Auf die Nachfrage, wie er diese Tat bewerte, räumte er ein, dass er diesen abscheulichen Mord vor einigen Jahren wohl deutlich anders als heute bewertet hätte. Genau dieser Verlust der Empathiefähigkeit sei ein Merkmal von Extremismus und Radikalität. Und zu dieser veränderten Selbstwahrnehmung komme hinzu, dass man auch keinen kritischen Austausch mit Andersdenkenden pflege und pflegen könne. „Man lebt in einer Blase“, sagt Scheffler. Und genau das mache den Ausstieg so schwer. So hätten von den 38 000 Menschen, die in Deutschland als Extremisten eingeschätzt würden, nur 600 den Ausstieg aus der Szene geschafft. „Und es gibt nur sieben, die ihren Lebensweg nutzen, um authentisch zu berichten.“

Plötzlich platzt die Blase

Er selbst habe gleich doppelt Glück gehabt. Statt tiefer in die Bruderschaften zu rutschen, sei er als Abiturient, der sich auch zu artikulieren vermochte, nach seinem Eintritt in die NPD sehr schnell als Parteikader aufstiegen, wurde Angestellter der NPD-Landtagsfraktion und schließlich stellvertretender NPD-Landesvorsitzender. Zum Bruch führten menschliche Enttäuschungen. Das Schlüsselerlebnis: Der damalige Landesvorsitzende Holger Apfel, aber auch andere NPD-Mandatsträger hätten „Grenzen überschritten, die wir uns selbst gesetzt hatten“, sagt Scheffler. Und damit sei seine Blase plötzlich implodiert.

Als er dann seinen Ausstieg erklärt habe, sei er von heute auf morgen vollständig isoliert gewesen. „ Für die einen wurde ich zum Verräter, für die anderen blieb ich der Nazi. Ich war plötzlich eine Persona non grata.“ Aus diesem Teufelskreis heraus sei er nur durch die Hilfe von Exit Deutschland gekommen. Die Fragen der Schüler: Ob er angesichts der beschriebenen Gewaltbereitschaft, keine Angst vor seinen ehemaligen Kameraden habe? Am Anfang ja. Sein Auto sei abgefackelt worden. Im Internet seien seine Adressen, privat und dienstlich, veröffentlicht worden. Und in der „Mobbing Kloake namens Facebook“ seien schlimmste Dinge angedroht worden. Eine Konsequenz: „Ich war früher gerne bei Volksfesten dabei. Jetzt gehe ich spätestens, wenn der Alkohol fließt nach Hause.“

Wie seine Familie mit der Situation umgeht: „Meine Mutter hat immer zu mir gestanden, aber nicht unterstützt, sondern eine klare Grenze gezogen. Du bist mein Sohn, Du kannst immer kommen, solange du dich an meine Regeln hältst.“ Vielleicht war es diese deutliche Ansage, vielleicht beeinflusste dieser Rest seiner ursprünglichen Erziehung, seine Entscheidung auszusteigen, als seine Grenzen überschritten wurden.

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Schüler sind beeindruckt und erschrocken

Die Schüler von Frank Petzold schilderten in der anschließenden Schulstunde erste Eindrücke. „Er (Maik Scheffler) wirkte sehr authentisch und glaubwürdig, er steckte offensichtlich sehr tief in den Strukturen drin. Es ist gut, das er dieses Wissen jetzt nutzt, um dagegen zu arbeiten“, erklärte Lala. Melina fand es „bemerkenswert, dass er niemandem die Schuld gegeben hat“ und Ann-Kathrin zeigt sich erschrocken, wie weit radikalisierte Menschen gehen können. „Die haben tatsächlich sein Auto abgefackelt und er spricht darüber in einem Nebensatz.“ Getoar nüchternes Fazit: „Diesen Eindruck können keine Geschichtsbücher vermitteln.“

Dirk Schneider

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