Der Krieg änderte auch das Leben einer Mutter aus dem ukrainischen Kiew mit einem Schlag. Nach der Flucht lebt sie mit ihrer Tochter bei Familienangehörigen in Segeberg. Zur Ruhe kommt sie nicht: keine Zeit.
Bad Segeberg. Zwischen aufgetürmten Matratzen und etlichen Schlafsäcken, die sich in einer Ecke stapeln, zieht sich Katerina Grande die Kapuze ihres Hoodys vom Kopf, zückt das Smartphone und blättert in der Fotogalerie: „Hier, mein Mann. Er hat sich eine Glatze geschoren und der Bart wächst.“ Sie schmunzelt ein bisschen, denn noch Anfang März sah er wie ein ganz normaler Mann aus der Großstadt aus: modisch gekleidet, freche Frisur. Nun sieht Alexander Grande aus wie ein Kämpfer, ist freiwilliger Kontrollposten in der Nähe von Lwiw (Lemberg) in der Ukraine und hilft – bei der Flucht, im Alltag zwischen Bomben und Zerstörung. „Wir facetimen fast jeden Abend“, sagt Katerina, „Katja“ gerufen, Grande.
Es ist die Groteske eines sinnlosen Krieges im Europa des 21. Jahrhunderts: Erschütternde Bilder hunderter massakrierter Zivilisten, die um die Welt gehen, während Internet und Apps Menschen zusammenbringt, als ginge es um eine normale Verabredung. „Vater und Tochter vermissen sich sehr. Wir sprechen nicht über Raketenangriffe auf Kiew“, schreibt Katja in den Google-Übersetzer. „Aber Eugenie fragt immer, ob unser Haus und ihre Schule noch stehen. Wir verheimlichen nicht länger die Tatsache, dass viele ukrainische Kinder gestorben sind. Sie versteht alles über den Krieg und warum wir gehen mussten, aber ihr Vater blieb.“