Hilfe im Advent

Wenn das Geld nicht reicht: Julia und Bernhard gehen zur Tafel – das sind ihre Geschichten

Frührentnerin Julia (49) ist seit gut zwei Jahren Kundin bei der Tafel: „Die Tafel ist eine riesengroße Stütze. Ich bin froh, dass es sie gibt."

Frührentnerin Julia (49) ist seit gut zwei Jahren Kundin bei der Tafel: „Die Tafel ist eine riesengroße Stütze. Ich bin froh, dass es sie gibt."

Bad Segeberg. Julia sitzt in ihrer kleinen Stube neben ihrer Katze Cleo und einem Berg aus liebevoll verpackter Geschenke. Sie zündet die Kerzen auf dem selbst gebastelten Adventskranz auf dem Tisch an. „Ich liebe Weihnachten“, sagt die 49-Jährige. „Aber ohne Geschenke für meine Kinder und die anderen – geht gar nicht. Man muss ein bisschen gucken, aber alles Dinge, die nichts gekostet haben.“

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Julia ist Frührentnerin und chronisch krank. Mit einem ihrer vier Kinder lebt sie in einer kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Oberste Etage eines Wohnblocks. Für Miete, Nebenkosten und das Leben habe sie etwa 1000 Euro. Kurz: Julia ist das, was gemeinhin als arm bezeichnet wird.

"Ach", sagt sie achselzuckend. "Ich komme mit wenig aus. Wir hatten es nie so dicke. Man muss im Leben immer daran glauben, dass es weiter geht." Seit etwa zwei Jahre steht sie mittwochs in der Schlange an der Efeustraße, um sich bei der Segeberger Tafel mit frischem Obst, Gemüse, Joghurt, Brot und anderen Dingen zu versorgen, die sie sich sonst eher selten oder gar nicht leisten kann. "Das ist schon so etwas wie ein Ritual. Man trifft Leute, redet. Und dieses Mal habe ich sogar für fünf Euro einen Tannenbaum bekommen, der ist wirklich sehr schön – und Katzenstreu."

Anzahl der sehr armen Menschen steigt seit Jahren

Die Trappenkamperin, deren Nachnamen die LN bewusst nicht nennen, gehört wie auch Frührentner Bernhard aus Wahlstedt zu den rund 1500 Menschen aus Bad Segeberg und den umliegende Orten, die im Laden ohne Kasse Lebensmittel bekommen. Für viele etwas, das das Umfeld besser nicht wissen soll. Arm sein ist ein Stigma. Auch wenn es durch die Energiekrise und Inflation, so prognostizieren es Experten, noch mehr Betroffene geben wird.

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So können Sie helfen

Liebe Leserinnen und Leser,

gerade in diesem Jahr machen sich viele Menschen Sorgen um ihre Zukunft. Vielen fehlt es schon jetzt an den grundlegendsten Dingen. Die Spendenaktion der LN-Leser „Hilfe im Advent“ 2022 setzt sich daher für Menschen ein, die es in diesem Winter besonders schwer haben. Unter dem Motto „Essen, Wärme, Licht – LN-Leser sammeln für die Tafeln“ rücken die LN in der Adventszeit die Segeberger Tafel in den Blickpunkt, die dabei hilft, die Not bedürftiger Menschen so gut wie möglich zu lindern. Die Tafel hat Ausgabestellen in Bad Segeberg und Wahlstedt.

Mit der Freiwilligenagentur ePunkt und in Kooperation mit der Sparkasse Südholstein möchten wir zeigen, wie diese Menschen in unserer Region Solidarität erfahren und aufgefangen werden: mit allem, was man für gesunde Mahlzeiten braucht und auch mit einer großen Portion Herzensgüte. Bitte, liebe LN-Leserinnen und Leser, helfen Sie uns mit Ihrer Spende, dass diese Menschen gut durch die kalte Jahreszeit kommen und danach wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Vielen Dank!

Das Spendenkonto: Empfänger: ePunkt e.V. Segeberg; Konto: DE 6023 0510 3005 1147 3803 Sparkasse Südholstein Verwendungszweck: Spende Hilfe im Advent.

Der aktuelle Spendenstand: 9295 Euro

Laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) ist die Zahl der Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens (2021 waren es netto monatlich 2160 Euro) zur Verfügung haben, zwischen 2010 und 2019 um gut 40 Prozent gestiegen. Mehr als elf Prozent der Deutschen gelten danach als sehr arm.

Vom Schicksalsschlag in die Bedürftigkeit

"Man muss Unterstützung annehmen, das ist ganz wichtig, wenn man alleine nicht klar kommt", sagt Julia. Sie habe kein Problem damit, darüber zu reden: "Die Tafel ist so wichtig. Sie hilft ungemein. Ich brauche sie. Warum soll ich das totschweigen?" Vor vielen Jahren sei sie schon einmal Tafel-Kundin gewesen. "Und lange bevor es die am Zob in Bad Segeberg gab, habe ich mich mal auf die Anzeige eines Wahlstedter Discounters gemeldet, der ,Schweinefutter' abzugeben hatte. Da habe ich Brot, Obst, Gemüse, eben alles bekommen, was bei denen aus den Regalen geflogen ist." Die gelernte Bäckereifachverkäuferin erinnert sich an die Zeit vor ihrer Ehe, vor der Berufstätigkeit, dem Hausbau, vor der Geburt der Tochter. Das war, bevor ihr Mann sie verließ und vor ihrer Erkrankung. "Wie das eben so ist."

Bernhard (61) besucht regelmäßig, wenn es seine Gesundheit erlaubt, die Tafelausgabe in Wahlstedt: „Als ich meine Erwerbsminderungsrente bekam und feststellte, dass es nur 884,54 Euro sind, war mir klar, dass ich etwas tun musste, um klar zu kommen.“

Bernhard (61) besucht regelmäßig, wenn es seine Gesundheit erlaubt, die Tafelausgabe in Wahlstedt: „Als ich meine Erwerbsminderungsrente bekam und feststellte, dass es nur 884,54 Euro sind, war mir klar, dass ich etwas tun musste, um klar zu kommen.“

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Auch Bernhard, der 61-jährige, gebürtige Flensburger, den die Liebe nach Segeberg verschlagen hat, musste mit vielen Schicksalsschlägen im Leben klar kommen – Trennung, Burnout, Jobverlust. Der gelernte Kfz-Mechaniker arbeitete zum Schluss in der Krankenhauslogistik. Dann kamen die Depressionen, die anderen schweren Erkrankungen. „Als ich meine Erwerbsminderungsrente bekam und feststellte, dass es nur 884,54 Euro sind, war mir klar, dass ich etwas tun musste, um klar zu kommen. Ich ging das erste Mal zur Tafel.“

Besuch der Tafel: „Mein Highlight ist Butter“

Etwa drei, vier Jahre sei das her, erinnert sich der zurückhaltende, freundliche Mann, als er am schmalen Tisch zwischen Sofa und Küchenzeile sitzt und das Handy zückt, um ein paar Fotos zu zeigen. „Ich verdiene ein paar Euro als Hundesitter“, sagt er und zeigt auf das Bild eines Terriers. „Es macht einfach Spaß. Ich liebe Hunde.“ Soziale Kontakte und Tagesstruktur bringe das außerdem. Nicht immer gehe es ihm so gut, dass er zur Tafelausgabe nach Wahlstedt kann. Dazu komme die Platzangst, wenn es zu voll sei, denn es werden immer mehr Leute. „Es gibt solche und solche Tage.“

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Die Tafel bereichere seinen Kühlschrank um das, was er sich nicht leisten kann: "Mein Highlight ist Butter. Ist aber schon ein paar Monate her." Weihnachten verbringe er mit einem anderen alleinstehenden Herrn, das habe man ihm vermittelt. "Ich freue mich schon", sagt Bernhard. "Wenn ich den Leuten von der Segeberger Tafel etwas zum Fest mit auf den Weg geben kann, dann: Geratet nicht in Stress. Ich bewundere die Helfer und wie sie alles hinkriegen. Davor ziehe ich meinen Hut. Und manchmal bringe ich ihnen etwas mit. Als Dankeschön. Etwas Süßes oder etwas Gebasteltes."

LN

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