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Jersbek

Ein 300 Jahre alter Kühlschrank

Heute gibt es eine elektrische Beleuchtung im Eiskeller, früher wurde er mit einigen Kerzenleuchtern notdürftig erhellt. An der Wand ein paar historische Gerätschaften.

Heute gibt es eine elektrische Beleuchtung im Eiskeller, früher wurde er mit einigen Kerzenleuchtern notdürftig erhellt. An der Wand ein paar historische Gerätschaften.

Jersbek. . Kühlschrank auf, Lebensmittel rein, Kühlschrank zu – so halten wir heute selbstverständlich verderbliche Lebensmittel frisch. Im Prinzip machte man das auch vor 300 Jahren schon so, zumindest auf dem Gut Jersbek. Nur war der „Kühlschrank“ ungleich größer als heute, funktionierte nicht mit Strom, sondern wurde mit 80 000 Kilogramm Eis bestückt.

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Der Eiskeller in Jersbek, den man heute noch bestaunen kann, hat etwa die Größe eines Einfamilienhauses. Ein solches Gebäude ist – zumindest in diesem exzellenten Erhaltungszustand – einmalig in ganz Norddeutschand. Schräg gegenüber vom Torhaus des Gutes findet man den historischen Bau. Er ist ein fensterloses Reetdachhaus und diente jahrhundertelang zum Kühlen von Lebensmitteln aller Art.

Das Gebäude wurde im Jahre 1736 auf einem Hügel errichtet. Das Dorf Jersbek in der heute bekannten Form gab es damals noch nicht, es existierten nur das Gut und ein paar einfache Wohnhäuser für die dort Beschäftigten – die anno 1736 noch Leibeigene waren.

Einen eigenen Besitz hatten diese Menschen nicht, wohl aber ihre Arbeitskraft. Und die war in hohem Maße nötig, um den Eiskeller anzulegen. Dessen Mauern sind eigentlich Steinwälle, stolze 1,50 Meter dick. Wichtigster Teil des Gebäudes ist aber der sieben Meter tiefe Schacht, in dem das Eis gelagert wurde. Mit einer speziellen Säge wurden im Winter dicke Eisblöcke aus den benachbarten Teichen gesägt oder herausgeschlagen und in den Eiskeller gebracht, wo sie in ein trichterförmiges Erdloch gefüllt wurden. Gab es in milden Wintern mal nur dünne Eisschollen, so wurden sie per Boot herausgefischt.

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Der Jersbeker Landwirt Gerd-Wilhelm Nuppenau, der öfter mal Besucher durch das ungewöhnliche Bauwerk führt, erzählt, wie man damals in dem Keller verfuhr: „Das Eis wurde mit Rutschen herabgelassen und so gestapelt, dass kaum Luft im Schacht blieb. Lücken wurden mit zerschlagenem Eis oder Schnee gefüllt.“ So war gewährleistet, dass der Tauprozess extrem langsam vor sich ging – egal, wie heiß es im Sommer draußen wurde. Dafür, dass es Eiskeller sehr lange kühl blieb, sorgte auch ein dichter Baumbestand rundum. Die Sonne konnte nie direkt auf das Reetdach scheinen. Dadurch konnten Fleisch, Milch, Butter und Käse das ganze Jahr über in dem Gebäude gelagert werden. Und wenn der Gutsherr von Jersbek mit seinen herrschaftlichen Gästen in den barocken Gartenanlagen feierte, war auch die Versorgung mit erfrischenden Getränken gesichert.

Sogar Speiseeis konnte serviert werden, wie Nuppenau zu berichten weiß: Ein Topf wurde in eine Mischung aus Eis und Salz gestellt. Der Topf wurde dann so kalt, dass man in ihm eine eisige Creme zum Beispiel aus Fruchtsäften und Sahne anrühren konnte.

Besichtigung

Der Eiskeller an der Straße Allee in Jersbek (Ortsausgang Richtung Bargteheide) kann besichtigt werden, es gibt aber keine festen Öffnungszeiten. Interessierte wenden sich an Gerd-Wilhelm Nuppenau, Telefon 04532/7264. Nuppenau war lange Bürgermeister der Gemeinde und kennt sich in Jersbeks Geschichte hervorragend aus.

Im Vorratsraum des Hauses herrschten Temperaturen zwischen null und sechs Grad – je nachdem, wie weit man vom Eistrichter selbst entfernt war. Es konnten aber auch große Fleischstücke, nach der Jagd zum Beispiel ein halber Hirsch, eingefroren werden. Das Fleisch wurde in Tücher gewickelt und direkt ins Eis gelegt. Noch bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Anlage in Betrieb, danach verfügten nahezu alle Haushalte über elektrische Kühlschränke. Heute ist der Keller nur noch ein Museum – aber ein durchaus sehenswertes.

Norbert Dreessen

LN

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