„Schuss in der Nacht“: Lübcke-Mord wird zum Doku-Drama

Der Hauptangeklagte Stephan Ernst (2.v.l) und sein Anwalt Mustafa Kaplan warten im Gerichtssaal des Oberlandesgerichtes auf das Urteil im Mordfall am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke.

Der Hauptangeklagte Stephan Ernst (2.v.l) und sein Anwalt Mustafa Kaplan warten im Gerichtssaal des Oberlandesgerichtes auf das Urteil im Mordfall am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke.

Frankfurt/Kassel. Seit Monaten läuft am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. In einem Doku-Drama, dass das Erste am Freitag (22.15 Uhr) ausstrahlt, geht es um die Suche nach den Hintergründen der Tat, die Aussagen des mutmaßlichen Täters Stephan Ernst vor der Polizei - aber auch um die Vorgeschichte und die Auswirkungen, die der Mord an dem CDU-Politiker hatte.

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Die Regie für den Film mit dem Titel „Schuss in der Nacht“ führte Raymond Ley („Meine Tochter Anne Frank“), der zusammen mit seiner Frau Hanna auch das Drehbuch schrieb. In der Mediathek ist „Schuss in der Nacht“ bereits zu sehen.

Szenische Elemente und dokumentarisches Material

Der 90-Minüter verbindet szenische Elemente mit dokumentarischem Material und rekonstruiert dabei auch die Bürgerversammlung im hessischen Lohfelden, auf der Walter Lübcke klar und kompromisslos für die Werte der Demokratie eintrat. Noch am selben Abend wurde er - zunächst im Netz - zum Feindbild der rechten Szene. Vier Jahre später fiel der tödliche Schuss auf der Terrasse von Lübckes Haus, wo der CDU-Politiker auf seinem Lieblingsplatz den Tag ausklingen ließ.

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Auch Lübckes mutmaßlicher Mörder hatte die Veranstaltung besucht und war dort nach eigenen Angaben erstmals auf den Politiker aufmerksam geworden. „Auf jeden Satz Information kamen sofort ein, zwei Zwischenrufe, mit Hass und Hetze gefüllt“, sagt ein Besucher der Versammlung im dokumentarischen Teil des Films. Als „bedrohlich und beängstigend“ schildert eine andere Besucherin die zunehmend aufgeheizte Stimmung.

Wer den Prozess besuchte, kann in den szenischen Sequenzen des Films vieles vom Verhalten Ernsts vor Gericht und in den dort gezeigten Vernehmungsvideos wiedererkennen: Die sparsame Mimik, das lange Zögern beim Reden, die einsilbigen Antworten, der oft nach unten gesenkte Blick. Und auch Schlüsselsätze aus den mehrstündigen Videos fallen in dem Drama.

Manches aus dramaturgischen Gründen anders dargestellt

Manches ist aus dramaturgischen Gründen anders dargestellt - statt der Vernehmungssituation in einem Verhörraum ein Vor-Ort-Termin am Tatort, an dem der von Robin Sondermann dargestellte Stephan Ernst den Ermittlern Norbert Bartels (Joachim Król) und Petra Lischke (Katja Bürkle) schildert, wie er sich am Abend des 1. Juni 2019 dem Grundstück der Familie Lübcke genähert habe.

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Die Spielhandlung erhält zusätzliche Elemente durch den Konflikt zwischen Bartels und dem Verfassungsschützer Wolfgang Vogel (Bernd Hölscher), die schon bei den Ermittlungen zu den Taten der Terrorzelle NSU aneinandergerieten. Damals wollte Bartels die Rolle eines V-Manns bei dem Mord an Halit Yozgat in Kassel klären.

Damit wirft der Film Fragen auf, die auch nach dem Mord an Lübcke gestellt wurden: Wie konnte der als Rechtsextremist bekannte Ernst so vom Radar der Verfassungsschützer verschwinden? Gibt es Verbindungen zwischen dem Lübcke-Mord und rechtsextremen Netzwerken? Die Spielszenen, so heißt es im Abspann, könnten nur eine Annäherung an das wirkliche Geschehen sein.

Film verdeutlicht Nachwirkungen des Todes von Lübcke

„Der hat das nicht allein durchgezogen“, glaubt Ermittler Bartels gleich zu Beginn der Vernehmung. Vom Verfassungsschützer will er wissen: „Steht irgendetwas in den NSU-Akten, das uns weiterbringt? Oder über seinen Kumpel Markus?“ Gemeint ist Markus H., der in dem Prozess vor dem OLG Frankfurt wegen Beihilfe angeklagt ist. Er soll Ernst politisch beeinflusst und mit ihm Schießübungen gemacht haben. „Ist unser Täter etwa Ihr Mann? Das hätten Sie uns doch gesagt, oder?“, fragt die Staatsanwältin in einer Spielszene Vogel.

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„Schuss in der Nacht“ verdeutlicht gerade im dokumentarischen Teil eindringlich die Nachwirkungen des gewaltsamen Todes von Lübcke in seinem Wohnort, bei Freunden, Bekannten, Mitarbeitern. „Er war wirklich einer von uns“, sagt da ein Mann der Freiwilligen Feuerwehr. Ein anderer betont: „Für uns ist nicht der RP (Regierungspräsident) ermordet worden, sondern der Walter. Der Walter ist tot.“

Trauer hält mehr als ein Jahr nach der Tat an

Die Trauer hält mehr als ein Jahr nach der Tat auch außerhalb des familiären Umfelds an, machen immer wieder Tränen in den Augen der Interviewten deutlich. Es sei immer noch „unfassbar, unglaublich“, sagt die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), die sichtbar mit ihren Gefühlen kämpft. „Das geht nicht vorbei“, sagt eine lokale CDU-Politikerin.

Der Mord selbst ist in den Spielszenen nicht zu sehen - und in gewisser Weise erhält Lübcke das letzte Wort: Immer wieder zitieren Freunde, Nachbarn, Kollegen jene Worte auf der Bürgerversammlung, die sich für Lübcke als tödlich erweisen sollten: „Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Es ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

RND/dpa

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