Vorzeigemodell der Verkehrswende?

„Ich nehm’ dich mit“: Warum die Mitfahrgelegenheit plötzlich wieder attraktiv ist

Standen früher vorwiegend Langstrecken am Wochenende im Fokus, setzen verstärkt auch Pendelnde auf Mitfahrgelegenheiten, um Kosten zu sparen.

Standen früher vorwiegend Langstrecken am Wochenende im Fokus, setzen verstärkt auch Pendelnde auf Mitfahrgelegenheiten, um Kosten zu sparen.

Hannover. Der Preisschock an der Zapfsäule ändert das Mobilitätsverhalten: Plattformen, auf denen sich Autofahrerinnen und Autofahrer sowie Reisende zusammenschließen können, verzeichnen seit Mitte März starken Zuspruch. „Nach der Zurückhaltung wegen Corona hat das Interesse an Mitfahrgelegenheiten seit März in Deutschland etwa um das Dreifache zugenommen“, sagt Wolfram Uerlich, Vorstand des Mitfahrverbands e. V.

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Dafür gibt es viele Gründe: „Zum einen versuchen immer mehr Nutzerinnen und Nutzer der Vermittlungs­plattformen, die hohen Spritpreise auszugleichen, indem sie jemanden mitnehmen“, erklärt Uerlich. „Die Zahl der angebotenen Fahrten ist deutlich gestiegen.“ Zum anderen wachse auch das Interesse der Pendler und Pendlerinnen, ihren Arbeitsweg effizienter zu planen.

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Nutzerzahlen steigen wieder

Das beobachtet auch die Mitfahrzentrale Ride2go. Sie ist im Segment der Berufspendler-Fahrgemeinschaften eines der führenden Unternehmen in Deutschland. Nach eigenen Angaben zählt das Netzwerk, zu dem unter anderem das Portal Fahrgemeinschaft.de und Pendlernetz.de gehört, jährlich rund 1,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer sowie drei Millionen Inserate.

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„Vor allem während der Corona-Pandemie hat das Mitfahren stark abgenommen – sowohl auf Langstrecken als auch im Berufspendlerverkehr“, sagt Geschäftsführer Sven Domroes. „Viele Unternehmen hatten die Verträge gekündigt, weil die Beschäftigten häufig zu Hause gearbeitet haben.“ Doch nach dem Auslaufen des 9‑Euro-Tickets und des Tankrabattes würden die Nutzerzahlen wieder steigen.

Mehr Unterstützung gefordert

Doch gerade beim Pendlerverkehr gebe es noch Nachholbedarf, meint Uerlich und verweist auf die Situation in Frankreich, wo das Mitfahren staatlich gefördert wird. Beispiel Paris: „Wer ein Jobticket hat, zahlt dafür keine zusätzliche Gebühr. Denn die Mitfahrgemeinschaften sind in der Region Paris im öffentlichen Personennahverkehr integriert.“ So gebe es derzeit in der französischen Hauptstadt mehr als 100.000 Fahrgemeinschaften pro Monat.

Aus Sicht des Verbandes sollte es auch in Deutschland mehr staatliche Unterstützung geben. „Das Wort Fahrgemeinschaft will hier in der Politik keiner so recht in den Mund nehmen“, ärgert sich Uerlich, der auch Geschäftsführer bei der Mitfahr-App Goflux ist. „Dabei ist das Potenzial riesig, um vor allem städtische und ländliche Regionen zu verknüpfen und gleichzeitig die Menschen damit finanziell zu entlasten.“

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Vertrauen und Anreize

„Auf lange Sicht wird die Politik gar nicht an dem Thema Mitfahrgelegenheit vorbeikommen“, glaubt daher auch Domroes. Schließlich spare man dabei zum Beispiel CO₂: „Jede Mitfahrgelegenheit, die man gewinnt, bedeutet in der Regel ein Auto weniger auf der Straße.“ Finanzielle Anreize könnten zudem Bedenken und Vorbehalte zerstreuen. Um das Vertrauen in Mitfahrgelegenheiten bei Nutzerinnen und Nutzerinnen weiter zu erhöhen, kooperiert Ride2go zum Beispiel mit dem ADAC. Der Automobil-Club beteilige sich mit einer Grundfinanzierung und bietet unter ADAC-Mitfahrclub.de eine kostenfreie Vermittlung von Fahrgemeinschaften an. Auf dem Portal wird angezeigt, wenn jemand ADAC-Mitglied ist. „Das schafft Vertrauen“, sagt Domroes. Denn so seien der Fahrer oder die Fahrerin sowie die Mitreisenden nicht völlig anonym – falls es ein Problem geben sollte, könnten sie leicht ermittelt werden.

Auch Florian Heinitz, Professor für Transportwirtschaft an der Fachhochschule Erfurt, sieht in den Mitfahrgelegenheiten ein zunehmend wichtiges Mobilitätsangebot. Zusätzlich zu den bestehenden Strukturen „sind sie vor allem sinnvoll, um mit den bestehenden Platzkapazitäten zeitliche und räumliche Lücken zu schließen und zugleich Solo-Pkw-Fahrten zu verringern“.

Mitfahrgelegenheiten integrieren

Als Beispiel nennt Heinitz den öffentlichen Nahverkehr auf dem Land am Wochenende: „Am Sonntag und an Ferientagen ist keine Schule, da fährt dann oft auch kein Bus.“ Außerdem sei nicht jeder Winkel problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Weitere Gründe, die für das Ridesharing sprechen, „sind die Kosten und die Verfügbarkeit. Das Taxi ist rein finanziell für viele keine Alternative, die Flotten sind gerade auf dem Land vergleichsweise klein.“ Potenzial für Mitfahrgelegenheiten sieht er vor allem bei der spontanen Nachfrage, etwa im Bahnhofs­zubringerverkehr. Aktuell aber sei der Anteil bedarfsgesteuerter Angebote immer noch viel zu gering, trotz Kostenersparnis.

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Hilfreich wäre es daher zum Beispiel, wenn auch in Deutschland – wie etwa in Frankreich schon üblich – Fahrgemeinschaften, aber auch private Fahrdienste stärker mit anderen Angeboten vernetzt wären. „Zum Beispiel, wenn man sich im Handy über Verbindungs­möglichkeiten informiert: Neben der Pkw-, ÖPNV- und Fahrradstrecke müssten selbstverständlich auch die Ridesharing-Optionen auf dem Smartphone gezeigt werden“, sagt Heinitz.

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Ridesharing finanziell nicht attraktiv genug?

Das Umweltbundesamt schätzt, dass Deutschland mit einer konsequenten Carpooling-Strategie jährlich rund drei Millionen Tonnen CO₂ im Berufsverkehr sparen könnte. Fahrgemeinschaften könnten also die Verkehrswende unterstützen: Doch bisher scheinen viele noch mit angezogener Handbremse unterwegs zu sein. Liegt das nur daran, dass es finanziell nicht attraktiv genug ist?

Tatsächlich dürfe man nach dem Bundesreise­kostengesetz nicht mehr als 30 Cent pro gefahrenem Kilometer verlangen, erklärt Heinitz. Ein Grund: Schutz der gewerblichen Konkurrenz. „Meiner Meinung nach ist der Leidensdruck der meisten noch nicht groß genug, damit sie ihr Verhalten ändern“, sagt der Forscher. „Dazu kommt, dass die Angebote aus den angesprochenen Gründen noch zu spärlich, also nicht flächendeckend verlässlich für Hin- und Rückfahrt nutzbar sind.“

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Der Verkehrsforscher blickt jedoch optimistisch in die Zukunft: „Es wächst eine Generation heran, die dem Ridesharing sehr aufgeschlossen gegenübersteht und die nicht in jeder Lebenslage auf ihren eignen Pkw besteht.“

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