Mobil auch im Alter: Wie können sich Städte besser an Senioren anpassen?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FKYNQOGHFBBRPFDT3Y2JO45CHI.jpg)
Eine ältere Frau steigt aus einem Bus – besonders für Ältere gibt es im öffentlichen Nahverkehr ungeahnte Hürden (Symbolbild).
© Quelle: dpa
Deutschland wird immer älter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Menschen ab 65 Jahren seit 1991 von zwölf Millionen auf 18,4 Millionen (2021) angestiegen. Gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren. Das sorgt dafür, dass Ältere einen immer größeren Anteil der Gesamtbevölkerung ausmachen. Dieser demographische Wandel ist eine Herausforderung – zum Beispiel für Städte.
Eine hohe Bordsteinkante, eine Treppe als Zugang zur U-Bahn-Station oder fehlende Sitzgelegenheiten an einer Haltestelle können für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, zu ungeahnten Hindernissen werden. Das hat weitreichende Folgen für ihren Alltag. „Mobilität ist eine Frage der Eigenständigkeit, um sich grundlegende Bedürfnisse erfüllen zu können. Sie ist zudem Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“, sagt Dominik Fette vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Berlin. Egal, ob mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem Rad – Mobilität bedeutet für Menschen Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten und sozialen Einrichtungen sowie Freunden und Bekannten.
Sobald sie in Rente gehen, sind viele Menschen auch anders als mit dem Auto unterwegs, sagt Fette. Der lange Weg zur Arbeit fällt weg, plötzlich haben sie mehr Zeit. Der Weg zum Arzt oder in den nächsten Supermarkt bekommt nun auch eine soziale Komponente – man trifft Bekannte und Freunde. „Seniorinnen und Senioren sind flexibler und langsamer unterwegs“, sagt Dominik Fette. Dann wird der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) zunehmend attraktiv – eigentlich.
Ausbaufähige öffentliche Verkehrsmittel
Denn in der Realität ist das Bus- und Bahnfahren für viele Seniorinnen und Senioren oft nicht so einfach. „In Deutschland gibt es noch viel zu tun. Vor allem der ÖPNV ist ausbaufähig“, sagt Ina Voelcker, Leiterin der Geschäftsstelle Internationale Altenpolitik der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso). Bahnhöfe und Bushaltestellen seien beispielsweise oft nicht barrierefrei, kritisiert die Alterswissenschaftlerin. Auch sei, wer mit Bus und Bahn unterwegs ist, immer häufiger auf ein Smartphone angewiesen: um Tickets zu lösen oder um über Zugausfälle und Verspätungen informiert zu werden. „Es sollten weiterhin Auskunftsmöglichkeiten durch reale Personen bestehen bleiben“, fordert Voelcker.
Viele Städte und Kommunen in Deutschland haben die Problematik bereits erkannt. Münster und Hamburg sind zwei Städte, die daraufhin gehandelt haben.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/3NOYFYVVVBAQ7AB3DPE6VMH6PQ.jpg)
Klima-Check
Erhalten Sie den Newsletter mit den wichtigsten News und Hintergründen rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Alternativer Fahrdienst in Münster
Münster ist 2022 dem Globalen Netzwerk altersfreundlicher Städte und Gemeinden der Weltgesundheitsorganisation WHO beigetreten. Seitdem hat die Stadt aktiv daran gearbeitet, seniorenfreundlicher zu werden. „Oftmals bedarf es gar nicht eines großen Bauprojekts, um die Mobilität von Seniorinnen und Senioren zu verbessern“, sagt Christine Menke, Altenhilfeplanerin der Stadt Münster. „Stattdessen sind viele kleine Veränderungen nötig.“
Das können zum Beispiel eine neue Ampel oder zusätzliche Laternen sein. Auch Sitzgelegenheiten sind für Seniorinnen und Senioren wichtig – mit Armlehnen, um das Aufstehen leichter zu machen. All das gibt älteren Menschen Sicherheit, wenn sie sich in der Stadt bewegen.
Auch die Schwachstellen des ÖPNV hat man in Münster angepackt. Im außerhalb gelegenen Stadtteil Hiltrup verkehrt der sogenannte Loop Münster, ein Fahrdienst der Stadtwerke, der bei Bedarf angefordert werden kann. Wer möchte, wird dann an einer Sammelstelle abgeholt und zum gewünschten Ziel gefahren. Das Angebot wird nach Angaben des Betreibers eifrig genutzt – etwa 400.000 Mal in den ersten 27 Monaten. Die Testphase des Loop Münster wurde daraufhin um ein Jahr bis 2024 verlängert. Weil der Dienst allerdings wiederholt gerufen wurde, ohne dass tatsächlich jemand am vereinbarten Treffpunkt wartete, soll ab 2023 eine Schutzgebühr eingeführt werden.
Hamburg will inklusiver werden
Die Stadt Hamburg hat unterdessen im Jahr 2019 begonnen, am von der EU geförderten Projekt Greensam (Green Silver Age Mobility) mitzuarbeiten. Das Ziel: gemeinsam mit anderen europäischen Städten gehen die Stadtplaner gemeinsam der Frage nach, wie Mobilität nachhaltig und inklusiv gestaltet werden kann.
In Hamburg wurden Seniorinnen und Senioren in den Prozess eingebunden, und am Ende waren es auch dort kleine Veränderungen, die den Unterschied für ältere Menschen machten. „Das ganz große Leuchtturmprojekt gibt es nicht. Verkehr ist Strecke, da ergeben viele Einzelteile ein Ganzes,“ erklärte die Stadtplanerin Silke Edellhoff in einem Themenheft der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso).
Das wurde zum Beispiel am Eidelsteiner Platz im gleichnamigen Stadtteil gezeigt: „Das war früher eine eher unwirtliche Busumsteigemöglichkeit. Jetzt gibt es Sitzgelegenheiten, eine klare Führung der Radwege, mehr Grün und bessere Beleuchtung“, so Edelhoff. Die Expertin resümiert: „Den Älteren gibt es nicht. Deshalb gilt ein Dreiklang: barrierefreie Angebote schaffen, klare Kommunikation und Aktivieren zum Mitmachen.“
Rentnerinnen und Rentner bekommen mehr Geld im kommenden Jahr
Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland können mit mehr Geld im kommenden Jahr rechnen.
© Quelle: dpa
Auf dem Land ist viel zu tun
Auf dem Land bleibt das Thema Mobilität derweil ein handfestes Problem. Dort ist es für alte Menschen – und alle anderen – oft völlig unmöglich, ohne Auto mobil zu bleiben. Einer VCD-Umfrage zufolge haben 86 Prozent der Menschen auf dem Land das Gefühl, bei ihrer Mobilität auf das Auto angewiesen zu sein. „Im ländlichen Raum ist der ÖPNV häufig so schwach ausgebaut, dass die Mobilität stark eingeschränkt ist, insbesondere abseits der Schulzeiten, da die Busse oft auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sind. Außerdem ist häufig noch ein großer Fußweg zum endgültigen Ziel zurückzulegen“, kritisiert Ina Voelcker von der Bagso.