Deutsche Bäckerin aus La Palma: „Hatte das Gefühl, das ganze Haus stürzt gleich ein“
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Marion Deuter lebt seit 1981 auf La Palma und betreibt dort die Bäckerei Gockelbrot.
© Quelle: privat
Seit dem Ausbruch des Vulkans auf La Palma am 19. September hat die bis zu 1300 Grad heiße Lava fast 2900 Gebäude völlig zerstört. Zuletzt waren knapp 1200 Hektar von einer meterdicken Lavaschicht bedeckt. Die Deutsche Marion Deuter, die seit 40 Jahren auf der Insel lebt, spricht im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland über den Tag des Ausbruchs, die Auswirkungen auf ihre Bäckerei und die Stimmung auf der Insel.
Frau Deuter, wie haben Sie den Vulkanausbruch im September erlebt?
Es hieß schon seit Juni, dass es zum Ausbruch des Vulkans kommen könnte. Man hat das aber gar nicht so richtig geglaubt. An dem Tag selbst habe ich gerade meine Mittagspause gemacht und las plötzlich auf Facebook, dass der Vulkan ausgebrochen ist. Ich bin dann zu einem Aussichtspunkt in der Nähe gefahren und habe es mir angesehen: Da stieg eine riesige Rauchsäule auf.
Wie ging es dann weiter?
Am nächsten Tag war ich bei Freunden, die in der Nähe des Vulkans wohnen, zum Abendessen eingeladen. Da hat es auf einmal ein Erdbeben gegeben, da hat es gerappelt, die Gläser in den Schränken fielen um, die Türen wackelten. Ich hatte das Gefühl, das ganze Haus stürzt gleich ein. Ich habe den Freunden angeboten, dass sie bei mir wohnen können. Mit ihrem Haus ist zum Glück nichts passiert, aber das wusste man zu dem Zeitpunkt nicht, und es ist auch eine ziemliche Geräuschkulisse, wenn man im Erdbebengebiet wohnt. Da kann man nicht gut schlafen. Hier oben bei mir hat man die Erdbeben auch gemerkt, zum Teil sogar heftig. Aber dadurch, dass ich weiter weg war vom Vulkan, hatte ich nicht so große Angst.
Was sehen Sie heute noch von dem Vulkan, der immer wieder neue Lavaströme ausstößt?
Von dem Aussichtspunkt, zu dem ich gefahren bin, kann man direkt ins Tal gucken – da habe ich den Ausbruch natürlich gesehen. Da schießt immer noch die ganze Lava heraus, das ist schon sehr beeindruckend. Die Asche ist natürlich extrem nervig. Teilweise kommen hier so große Mengen herunter, dass man ganz erschlagen ist, wenn man morgens aus dem Haus geht. Dann ist da eine richtig dicke Schicht Asche. Dann gibt es aber auch wieder eine Woche, in der überhaupt nichts herunterkommt.
Wie kann man sich das mit der Asche genau vorstellen – ist der Boden dann damit bedeckt?
Ja, das ist eine richtig dicke Schicht, ein bis fünf Zentimeter, je nachdem was herunterkommt. Kürzlich hatte ich Arbeiter hier, um mein Dach sauber machen zu lassen, weil darauf so viel Asche war. Wenn dann Regenfälle kommen, ist das nicht gut.
Was hat sich seit dem Ausbruch für Sie und Ihre Bäckerei verändert? Es kommen vermutlich weniger Touristen und Touristinnen.
Ja, das hat sich sehr geändert. Ich habe vorher auch im Tal Läden mit Brot beliefert, das mache ich aktuell nicht, weil da gar nichts los ist und keine Touristen da sind. Die Leute, die da unten gewohnt und mein Brot gekauft haben, sind jetzt hoch in den Norden gezogen. Da beliefere ich auch einen Laden – da ist der Brotverkauf dann wieder gestiegen. Aber generell fehlen uns die Touristen, die wegbleiben, weil sie Angst haben und auch weil die Flüge ständig gestrichen werden. Die Insel hat die Touristen ganz dringend nötig.
Gibt es Hilfen für die Menschen, die ihr Haus oder anderen Besitz verloren haben?
Die Regierung hatte zugesagt, dass Leute, die ihr Haus verloren haben, unbürokratisch 30.000 Euro bekommen. Da kenne ich einige, die das schon bekommen haben. Die Versicherungen zahlen auch aus und Spendengelder werden ebenso verteilt. In Tazacorte, Los Llanos und Fuencaliente sind auch Häuser und Wohnungen zur Verfügung gestellt worden für die Leute, die nichts mehr haben. Darin können sie so lange bleiben, bis ihre eigenen Häuser eventuell wieder aufgebaut werden.
Einige Leute wurden auch sicherheitshalber evakuiert.
Ja, es gibt natürlich Leute, deren Häuser noch stehen, die aber immer noch evakuiert sind und nicht zurück dürfen, weil es noch ein Risikogebiet ist. Die sind natürlich genervt, weil sie nicht in ihrem Zuhause sind, alles provisorisch ist und sie nicht wissen, wann sie zurückkönnen. Teilweise haben sie ihre Haustiere da und fahren ab und zu da hin, um sie zu füttern. Das ist alles nicht so einfach. Viele haben auch ihre Arbeitsgrundlage verloren, da gibt es auch einige Bauern in den Gebieten.
Sie selbst haben zum Glück keinen Besitz verloren. Aber kennen Sie Menschen, die ihr Haus und ihr Hab und Gut verloren haben?
Ja, da kenne ich einige. Die bekommen jetzt diese 30.000 Euro. Sie müssen dafür aber in ihrem Haus gewohnt haben, das dürfen keine Ferienwohnungen gewesen sein.
Wer hat diese Menschen am Anfang aufgenommen?
Viele wurden von Freunden aufgenommen. Ich habe bei mir auch Leute aufgenommen. Die haben zwar nicht alles verloren, aber mussten da weg. Eine Freundin von mir hat auch einen Freund aufgenommen, der sein Restaurant und seine Wohnung verloren hat. Weiter im Norden sind ganz viele, die alles verloren haben und bei Freunden und auch fremden Leuten untergekommen sind. Diese Hilfsbereitschaft finde ich nach wie vor toll.
Die Leute haben also auch Menschen bei sich aufgenommen, die sie nicht kannten?
Ja, das gibt es auch. Man konnte sich bei den Gemeinden in einer Liste eintragen, aber das meiste, was ich mitbekommen habe, kam durch Zettel in Supermärkten und Geschäften, durch Herumtelefonieren und Weitersagen. Es gibt auch Leute, die von sich aus angeboten haben, dass sie etwas frei haben und jemanden aufnehmen können. Und es gab auch Sammelstellen, in Sporthallen etwa.
Wie ist jetzt die Stimmung auf der Insel?
Das ist ganz seltsam. Es gibt den ängstlichen Typ Mensch, der nicht so gut drauf ist. Und dann gibt es auch Leute, die sagen: Wir müssen da jetzt durch, wir packen das an.
Wie ist das bei Ihnen: Haben Sie Angst vor dem nächsten Ausbruch oder Erdbeben?
Ich habe eigentlich nicht so viel Angst. Ich habe zwar auch die Erdbeben gespürt. Manchmal bin ich nachts wach geworden, weil mein Bett gewackelt hat. Aber ich habe immer gedacht: Ich bin so weit weg. Irgendwie habe ich mich trotzdem sicher gefühlt. Hätte ich im Tal gewohnt, wäre das bestimmt nicht so. Ich musste häufiger mal runterfahren, weil ich einer Freundin für ihren Laden Brot gebracht habe, und da ist es so laut da gewesen. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Das ist wie ein Düsenjet, der über einen hinwegfliegt, und es hört überhaupt nicht auf.