Holz für Notre-Dame: Der nächste Schritt in Richtung Wiederaufbau
In Frankreich wurden die ersten Eichen markiert, mit denen die Turmspitze der Kathedrale Notre-Dame in Paris wieder errichtet werden soll.
© Quelle: David Bordes / Etablissement public chargé de la conservation et de la restauration de la cathédrale Notre-Dame de Paris
Paris. Wohl noch nie hat das Anschlagen einer kleinen weißen Tafel mit der Zahl eins darauf an einem Eichenbaum in Frankreich so ein Medieninteresse auf sich gezogen. Von lokalen und nationalen Kameras umringt, hämmerten vergangenen Freitag zunächst Landwirtschaftsminister Julien Denormandie, dann Kulturministerin Roselyne Bachelot auf den kleinen Nagel, an dem das Täfelchen nun hängt. Dann hielt jeder von ihnen noch eine feierliche Rede. Denn diese Eiche im staatlichen Wald von Bercé 200 Kilometer südwestlich von Paris ist nicht irgendein Gewächs: Sie ist der erste von 1000 Bäumen, mit denen man die Turmspitze der Kathedrale Notre-Dame de Paris wieder aufbauen will. Ein Teil des Pariser Wahrzeichens war im April 2019 bei einem dramatischen Feuer abgebrannt. Frankreich erreicht so die nächste Etappe in Richtung seines ambitionierten Ziels, Notre-Dame April 2024 wiederzueröffnen.
Wie ungewohnt ein solches Medienspektakel im Wald für Politiker ist, zeigten auch Denormandies kryptische Worte: „Die Wälder haben schon immer eine große Rolle in der Geschichte unseres Landes gespielt, und zwar über Jahrhunderte hinweg“, sagte er. „Und ich glaube, dass Notre-Dame, was ein Symbol unserer Geschichte ist, zeigt, in welchem Maße die Wälder Zeitgeschichte schreiben.“ Seine Ministerkollegin Bachelot fügte hinzu: „Wir brauchen all dieses Holz, weil die Entscheidung getroffen wurde, die Kathedrale so wiederaufzubauen, wie sie vorher war, also vor dem Feuer und seit den Arbeiten [des Architekten Eugène] Viollet-le-Duc, die 1843 begannen.“
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Blick auf die Kathedrale Notre-Dame.
© Quelle: imago images/IP3press
Eine Milliarde Euro an Spenden für den Wiederaufbau
Der Brand an dem zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Gebäude vor rund zwei Jahren hatte für Entsetzen im Land und auf der ganzen Welt gesorgt. Massen an Schaulustigen beobachteten das Feuer bis spät in die Nacht hinein um die Kathedrale herum und schrien erschrocken auf, als die brennende Turmspitze in sich zusammenbrach. Außerdem verbrannten weite Teile des mittelalterlichen Dachstuhls. Das Gewölbe der Hauptschiffe erlitt Schäden. Tagelang campten danach Fernsehsender aus aller Welt in der Nähe der Kathedrale und berichteten.
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Techniker des Nationalen Forstamtes vermessen einen Stamm einer Eiche, die ausgewählt wurde, um beim Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame de Paris verwendet zu werden.
© Quelle: Jean-Francois Monier/AFP/dpa
Präsident Emmanuel Macron gelobte, Notre-Dame de Paris innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen. Zunächst sprach er noch von der Möglichkeit, die Turmspitze zeitgenössisch zu gestalten. Im Sommer vergangenen Jahres gab er dann den Experten nach, die eine Rekonstruktion gemäß ihrer letzten Version gefordert hatten. Fast eine Milliarde Euro an Spenden haben große und kleine Geber für den Wiederaufbau zugesagt.
Klappt der Wiederaufbau bis 2024?
Nun also, nach zwei Jahren Absicherungsarbeiten der Baustelle, verzögert unter anderem durch die Covid-19-Epidemie, beginnt offiziell die Phase der Rekonstruktion. Die Eiche Nummer eins ist eine von rund 2000, die bis Ende des Jahres gefällt werden soll. Die Bäume sollen jeweils zur Hälfte aus öffentlichen und privaten Wäldern im ganzen Land kommen. Insgesamt acht von ihnen stehen noch im Wald von Bercé – sie werden bis Ende des Monats fallen. Eine Hälfte der Bäume wird für den Wiederaufbau des Spitzturms eingesetzt, die andere für die Rekonstruktion des Dachstuhls. Dabei handelt es sich um besonders alte Bäume – die Nummer eins hat einen Durchmesser von einem Meter und eine verwertbare Höhe von 20 Metern.
Nach dem Fällen soll das Holz erst einmal für zwölf bis 18 Monate gelagert werden, um dessen Feuchtigkeit auf etwa 30 Prozent zu senken. Nächstes Jahr werden dann die Zimmerer auf den Plan treten. So könne die Kathedrale tatsächlich wie geplant 2024 wiedereröffnet werden, versprach zumindest Ministerin Bachelot, bevor sie den Wald von Bercé verließ. Selbst wenn viele Kenner diesen Zeitplan noch immer als unrealistisch einschätzen.