Brandenburgs Umweltminister: „Ein Fischsterben, wie wir es noch nie hatten“
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Ein toter Fisch, der schon stark verwest ist, liegt am Ufer der Oder.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa
Frankfurt (Oder). Das Fischsterben in der Oder ist nach Einschätzung von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) eine Umweltkatastrophe ungeahnten Ausmaßes. „Ein Fischsterben, wie wir es noch nie hatten - zumindest seit 1989 - mit gigantischem Ausmaß“, sagte Vogel am Dienstag in einer Sondersitzung des Umweltausschusses im Landtag.
Allein in der Verbrennungsanlage der Raffinerie PCK Schwedt seien bereits 22 Tonnen Fischkadaver entsorgt worden, weitere 88 Tonnen seien dort zur Vernichtung angemeldet, sagte Vogel. In einer weiteren Anlage in Rüdersdorf seien bereits acht Tonnen verbrannt worden, „und viele Tonnen toter Fisch sind noch gar nicht erfasst.“
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Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltminister von Brandenburg, steht während eines Pressetermines zur Umweltkatastrophe am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa
Die polnische Feuerwehr hat nach eigenen Angaben bislang 202 Tonnen tote Fische aus der Oder geborgen. Die Feuerwehr habe entlang des gesamten Flusslaufs 159 Ölsperren aufgestellt, um verendete Fische aufzufangen und zu bergen, sagte der Sprecher der Feuerwehr-Hauptverwaltung am Dienstag. Insgesamt seien 3770 Beamte der Berufsfeuerwehr und freiwillige Feuerwehrleute im Einsatz.
Binnenfischerei: Großer Teil des Bestandes in der Oder gestorben
Durch die Umweltkatastrophe sind nach Schätzungen des Instituts für Binnenfischerei zwischen 25 und 50 Prozent der Fische getötet worden. Das seien etwa 200 bis 400 Tonnen, sagte der wissenschaftliche Direktor, Uwe Brämick, am Dienstag im Umweltausschuss. Er erklärte dazu: „Beim Fischsterben findet man nicht jeden toten Fisch, wir müssen davon ausgehen, dass zwei- bis viermal so viel Fische gestorben sind, wie geborgen und entsorgt worden sind.“ Brämick zufolge leben rund 50 Arten in der Oder, 14 seien nach Beprobungen gefunden worden und davon alle Größen, berichtete er.
Die Verluste der Fischereibetriebe an der Oder bezeichnete er als drastisch. „Wir gehen davon aus, dass es zwei bis vier Jahre dauern wird, bis sich die Potenziale der Bestände wieder so entwickelt haben, wie es vor dieser Entwicklung der Fall war.“ In der Oder werden ihm zufolge normalerweise etwa 50 bis 60 Tonnen Fisch durch die 12 Fischereibetriebe gefangen, die damit 80 Prozent ihrer Erlöse einnehmen. Ebenso viele Tonnen holen Angler jährlich aus dem Fluss.
Minister Vogel: Muss mehrere Faktoren geben
Aus Vogels Sicht wurde das Fischsterben nicht allein durch überhöhte Salzfrachten ausgelöst. In den vergangenen zwei Jahren habe es regelmäßig ähnlich hohe und höhere Werte in dem Fluss gegeben, ohne dass es zu solch einem Fischsterben gekommen sei, sagte er. „Hinzu kamen diesmal ein extremes Niedrigwasser und extrem hohe Temperaturen“, erläuterte der Minister.
In der Oder hätten über Wochen Temperaturen über 25 Grad geherrscht, sagte Vogel. Dies habe das Wachsen der Goldalge begünstigt. „Aber auch die Goldalge allein kann das Fischsterben nicht verursacht haben, dazu müssen weitere Faktoren kommen“, meinte er. In der Oder gebe es noch mehr Stoffe, „die dort nicht hingehören“. Vogel verwies dabei auf überhöhte Werte eines Pestizids, die über mehrere Tage nachgewiesen worden seien.
Auch aktuell sei das Wasser in der Oder für die Lebewesen noch nicht wieder in Ordnung, meinte der Minister. Bei Versuchen seien Wasserkrebse eingesetzt worden, die in kurzer Zeit tot gewesen seien. „Daran sehen wir, es gibt zumindest für Kleinlebewesen noch toxische Stoffe in der Oder“, erklärte der Minister.
Vogel fordert neuen Oder-Alarmplan
Vogel mahnte zudem eine bessere Katastrophenprävention an. Der internationale Warn- und Alarmplan für die Oder müsse dringend überarbeitet werden, sagte Vogel am Dienstag bei einer Sondersitzung des Umweltschusses im brandenburgischen Landtag in Potsdam. Der bisherige Plan sei zu Havarie-orientiert.
Die polnischen Behörden hätten nach dem internationalen Alarmplan zum Schutz der Oder ihre Beobachtungen zum Fischsterben nach einer festgelegten Meldekette an die deutschen Behörden weitergeben müssen, sagte Vogel. „Das erfolgte aber nicht.“ Der Grund dafür war laut Vogel eine Fehleinschätzung der polnischen Behörden, dass es sich um ein lokales Ereignis gehandelt habe.
Fischsterben in der Oder: Gesamtes Ökosystem geschädigt
Noch immer steht nicht fest, was genau das massive Sterben der Tiere im deutsch-polnischen Grenzfluss verursacht hat.
© Quelle: Reuters
Nationalparkleiter: Brauchen eine Kur für die Oder
Nach der Umweltkatastrophe muss nach Ansicht des Leiters des Nationalparks Unteres Odertal, Dirk Treichel, die Widerstandsfähigkeit der Oder gestärkt werden. „Wir brauchen eine Kur für die Oder“, sagte Treichel am Dienstag beim Umweltausschuss des Landtags in Potsdam. Es müsse alles unternommen werden, um den Stress des Ökosystems zu minimieren. Dazu gehörten die Verhinderung von Gewässereinleitungen und gewässerbauliche Maßnahmen, so Treichel. Es gebe bereits viele Ideen für aktives Tun, damit sich der Fluss wieder erholen könne, etwa die Schaffung von Flutrinnen und das Anschließen von Nebengewässern oder Altarmen der Oder. Zudem sei es wichtig, die Auen weiter als natürliche Hochwasserschutzflächen zu revitalisieren.
Unmittelbar am Nationalpark Unteres Odertal hatte der brandenburgische Landkreis Uckermark Treichel zufolge 12.000 Kilo tote Fische aus dem Fluss geholt. Darunter seien etliche 30 bis 40 Jahre alte Welse gewesen, auch Zander, berichtete der Nationalparkleiter. Mitarbeitende des Nationalparks hatten vor der Umweltkatastrophe unter anderem die Fischfauna erfasst und könnten nun Vergleichsuntersuchungen durchführen.
RND/dpa