Wieso PFAS-Chemikalien überall in Deutschland gefunden werden - und eine Gefahr für die Gesundheit sind
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Industrieanlagen des Chemiekonzerns BASF stehen am Rheinufer auf dem Werksgelände in Ludwigshafen. (Symbolbild)
© Quelle: Uwe Anspach/dpa
Hamburg. Sie finden sich in Regenjacken und beschichteten Pfannen, in Löschschäumen und Wärmepumpen: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS. So nützlich die Chemikalien sind, stehen sie jedoch auch im Verdacht, unfruchtbar zu machen und krebserregend zu sein. Dennoch werden die Stoffe in unzähligen Produkten verwendet – und können bei der Herstellung und Entsorgung potenziell die Umwelt über Jahrhunderte verunreinigen.
Laut einer Recherche, an der neben NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) auch internationale Medien beteiligt waren, gibt es in Europa mehr als 17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung – davon liegen mehr als 1500 in Deutschland. 2000 jener Orte gelten demnach als Hotspots. Hier bestehen erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Menschen durch die Verunreinigung von Böden und Gewässern. Mehr als 300 dieser Hotspots finden sich laut der Recherche in Deutschland. Die Orte lassen sich über das „Forever Pollution Project“ per interaktiver Karte lokalisieren.
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Verdächtig seien „Standorte der Textil- und Plastikindustrie sowie der Metallveredelung und der Papierindustrie, dazu Flughäfen, Militärstandorte, Deponien und Kläranlagen“, heißt es in einer Mitteilung von ARD und NDR. In Europa jedoch gebe es aktuell noch keine systematische Überprüfung möglicherweise belasteter Orte – das Ausmaß der Verunreinigung könnte also noch deutlich größer sein. Deshalb hätten sich die beteiligten Medien bei ihrer Recherche auf die wissenschaftliche Methodik des PFAS-Project-Lab der US-amerikanischen Northeastern University gestützt.
Sechs Unternehmen in Deutschland produzieren PFAS – mehr als in jedem anderen EU-Land
Besonders betroffen sind offenbar Gewässer, heißt es in einem Bericht des NDR. In Mecklenburg-Vorpommern habe man etwa 14 Fischproben genommen – alle lagen demnach deutlich über dem Grenzwert, ab dem die Wissenschaft eine gesundheitliche Gefährdung sieht. In einem Flussbarsch habe man sogar einen PFAS-Wert gemessen, der den Grenzwert um das 250-fache überschreite.
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Das Werksgelände der Bayer AG und Lanxess AG in Leverkusen.
© Quelle: picture alliance / imageBROKER
In Deutschland produzierten laut der Recherche noch immer sechs Fabriken PFAS – offenbar mehr als in jedem anderen Land Europas. Diese Fabriken gehörten den Unternehmen Solvay, Daikin, Lanxess, 3M, W.L. Gore und Archroma. Die Produktionsstandorte befinden sich demnach in Bad Wimpfen, Frankfurt, Leverkusen und im bayerischen Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen an der Alz, „wo sich gleich drei PFAS-Produzenten niedergelassen haben“, heißt es in der Mitteilung. Obwohl alle Firmen beteuerten, sich an die gesetzlichen Vorschriften zu halten und sich um eine Reduktion der Schadstoffe zu bemühen, liegt der Verdacht nahe, dass an jenen Standorten die Belastung am höchsten ist. 3M wolle ab 2025 ganz aus der Produktion von PFAS aussteigen, teilte das Unternehmen den an der Recherche beteiligten Medien mit.
Die PFAS sollen überwiegend verboten werden – doch es regt sich Lobby-Widerstand
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte dem ARD-Politikmagazin „Panorama“, dass die ganze Stoffgruppe der PFAS grundsätzlich überprüft und die gefährlichen Stoffe verboten werden müssten, „weil wir uns nicht leisten können, sie weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen - mit teilweise unbekannten Folgen, aber der Sicherheit, dass sie uns Jahrzehnte oder Jahrhunderte begleiten werden.“
Bei einer Untersuchung des Umweltbundesamts im vergangenen Jahr wurden PFAS in zu hohen Mengen im Blut von Kindern und Jugendlichen gefunden. Bei bis zu einem Viertel der Jugendlichen sei die Konzentration im Körper so hoch gewesen, dass „gesundheitliche Wirkungen nicht mehr mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können“, hieß es.
Zudem liegt der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), einer Behörde der EU, bereits ein Vorschlag von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden vor, demzufolge die gesamte Stoffgruppe PFAS überwiegend verboten werden soll. Bisher sind lediglich die Stoffe PFOS und PFOA verboten. Im März will ECHA prüfen, ob Verbote mit EU-Recht vereinbar sind.
Dagegen rege sich jedoch bereits der Widerstand von Lobbygruppen, heißt es in der Mitteilung von NDR und ARD. Dazu gehörten unter anderen die deutschen Konzerne Bayer und BASF, wie das „Forever Pollution Projet“ aus mehr als 1200 Dokumenten erfahren hat. Demnach versuchten die Unternehmen, „das Verbot mit Ausnahmen zu verwässern“. BASF und Bayer äußerten gegenüber den Medien, dass ein mögliches Verbot nicht die Verwendung von PFAS in Schlüsselsektoren verhindern dürfe. BASF zählte dazu Batterien, Halbleiter, Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien. Eine Entscheidung über das PFAS-Verbot sei frühestens im Jahr 2025 zu erwarten.
RND/sic/dpa