Prozess um zerstückelte Leiche in Bremen

Wenn die Mutter plötzlich den Mord gesteht

Der Angeklagte Walter B. neben seinem Anwalt Thomas Domanski.

Der Angeklagte Walter B. neben seinem Anwalt Thomas Domanski.

Bremen. Sie will den Mord begangen haben. Ganz allein, ohne Hilfe. Sie habe ihre Schwiegertochter erstickt, zerstückelt und die Teile in einem Koffer in die Weser geworfen hat. So behauptet es zumindest Ludmilla B., die an diesem Morgen auf jenem Stuhl Platz genommen hat, der eigentlich ein Zeugenstuhl ist. Sie also habe Ekaterina B. getötet – und nicht ihr Sohn, Walter B., der wenige Meter entfernt schweigend auf dem Stuhl des Angeklagten sitzt.

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So müssen die Richter am Landgericht Bremen nach einem verblüffenden Geständnis nun eine schwierige Frage klären: Kann das sein? Diese 66-Jährige in ihrer geblümten langen Strickjacke, mit dem kurzen graublonden Haar, dem schweren Gang: eine Mörderin – oder doch eher eine Mutter, die ihren einzigen Sohn vor dem Gefängnis bewahren will?

Leichenteile im Koffer

Es ist jedenfalls ein höchst ungewöhnlicher Prozess, der im August in Bremen begonnen hat. Verhandelt wird der Mord an Ekaterina B., einer 32-Jährigen aus Bremerhaven, Mutter einer fünfjährigen Tochter, die Anfang Februar plötzlich verschwand. Einen Monat lang durchkämmten Polizisten Waldstücke, suchten Freunde und Freiwillige nach ihr, bis ein Spaziergänger Anfang März am Deich einen Koffer in der Weser fand. Darin: die Überreste von Ekaterina B.

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Für die Ermittler ergab sich bald ein vermeintlich klares Bild: Ihr Ehemann, der 45-jährige Walter B., habe sie getötet. Dass seine 13 Jahre jüngere Ehefrau einen Geliebten hatte, einen Piloten aus Sibirien, dass sie die Rückkehr in ihre Heimatstadt Sankt Petersburg plante und die gemeinsame Tochter mitnehmen wollte, alles das habe er nicht ertragen. Im August begann der Prozess, Walter B. schwieg.

Hat den Mord an ihrer Schwiegertochter gestanden: die 66-jährige Ludmilla B.

Hat den Mord an ihrer Schwiegertochter gestanden: die 66-jährige Ludmilla B.

Zwei Monate später allerdings verblüfft seine Mutter, Ludmilla B., das Gericht. Eigentlich als Zeugin geladen, erklärt sie, sie habe ihre Schwiegertochter erwürgt – in der Nacht, unbemerkt von allen anderen. Auch zerteilt habe sie sie alleine und die Leichenteile anschließend fortgeschafft. „Damit“, sagen Prozessbeteiligte heute, „hatte wirklich niemand gerechnet.“ Ein Paukenschlag im Landgericht.

Aber ist dieses Geständnis glaubwürdig? Aus Sicht der Staatsanwaltschaft widerspricht es fast allen Ermittlungsergebnissen. Walter B. hatte sich aus ihrer Sicht lange mit der Tat beschäftigt, im Internet suchte er nach Möglichkeiten, tote Körper mittels Säure aufzulösen. Nach der Tat bot seine Mutter ihm in Nachrichten an, den Mord auf sich zu nehmen. Sie möge ihn retten, bat er sie. Offenbar sind Gericht und Ermittler gegenüber der Erklärung der Mutter höchst skeptisch: Walter B. blieb in Haft, die Mutter in Freiheit.

Polizei findet weiteres Leichenteil

Aber war sie möglicherweise an der Tat doch zumindest beteiligt? Vor Gericht schilderte Ludmilla B. über Stunden, teils unter Tränen, immer wieder auch detailliert. Als die Polizei nach ihrer Aussage noch einmal die Geeste absuchte, einen kleineren Fluss in Bremerhaven, fand sie einen Oberschenkel von Ekaterina B., verpackt in einen Beutel, mit einem Hantelgewicht beschwert.

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Und nun? Andreas Berg, Nebenklagevertreter des Bruders des Opfers, glaubt nicht, dass Ludmilla B. ihre Schwiegertochter selbst getötet hat. „Die Schilderung des Nachtatverhaltens erscheint mir jedoch plausibel“, sagt Berg – Mutter und Sohn hätten die Leiche also möglicherweise gemeinsam verschwinden lassen.

Verteidiger fordern Freilassung ihres Mandanten

Die Anwälte von Walter B. wiederum wollen erreichen, dass ihr Mandant freikommt. „Der dringende Tatverdacht ist nicht aufrechtzuerhalten“, sagt Verteidiger Helmut Pollähne. Gericht und Staatsanwaltschaft könnten das Geständnis der Mutter nicht einfach ignorieren.

Ludmilla B. selbst verblüffte das Gericht an diesem Mittwoch ein weiteres Mal. Eigentlich wollte sie sich an diesem Tag noch einmal ausführlich äußern. Solange sie jedoch nicht als Beschuldigte geführt werde und ihr Anwalt in die Akten schauen darf, werde sie nun schweigen, erklärte sie. So will die 66-Jährige das Gericht nun gleichsam dazu zwingen, ihr Geständnis ernst zu nehmen – und in ihr die mögliche Mörderin ihrer Schwiegertochter zu sehen.

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