Vor dem Nato-Manöver wächst die Nervosität
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TEBFRD3GNNEVPE526GF2XKEUXU.jpg)
Generalleutnant Michael A. Loh und Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz in der Bundespressekonferenz.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Berlin. Je näher das Manöver rückt, desto mehr steigt die Aufmerksamkeit – man könnte auch sagen: die Nervosität. Das konnte man vergangenen Mittwoch in der Bundespressekonferenz spüren, in der sich zahlreiche Journalisten, Kameraleute und Fotografen versammelt hatten. Sie wollten hören, was US-Botschafterin Amy Gutmann, der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, und der Direktor der US-Nationalgarde, Michael Loh, über Air Defender (zu Deutsch: Luftverteidiger) zu sagen hatten, über die größte Luftwaffenübung in der Geschichte der Nato also. Dabei ging es um Sinn und Zweck der Übung ebenso wie um die Folgen für den zivilen Flugverkehr.
Gutmann sieht in Air Defender nicht zuletzt ein Signal der Stärke gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach dem Angriff seiner Truppen auf die Ukraine. „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was dies (das Manöver) in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt die Stärke dieses Bündnisses, zeigt. Und das schließt Herrn Putin ein“, sagte sie.
+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++
Tatsächlich sind 25 Staaten – vor allem aus der Nato – mit 239 Flugzeugen und fast 10.150 Soldatinnen und Soldaten beteiligt und etwa 2000 Flüge geplant. Sie üben zwischen dem 12. und dem 23. Juni in drei verschiedenen Lufträumen im Norden, Osten und Süden der Republik, und zwar jeweils zeitversetzt für vier Stunden und nicht am 17. und 18. Juni. Dann ist nämlich Wochenende.
Signal an Putin
Gerhartz sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Wir tun alles, damit die Einschränkungen so gering wie möglich gehalten werden. Wir fliegen an maximal zehn von 365 Tagen im Jahr. Und wir beenden die Übung, wenn die Schulsommerferien beginnen.“ Zudem sei die Deutsche Flugsicherung an die Flughäfen herangetreten mit der Bitte, die Flugzeiten morgens und abends zu verlängern. „So hoffe ich, dass die Einschränkungen für den zivilen Flugverkehr und damit auch für unsere Urlaubsflieger so gering wie möglich sind.“
Sicherlich sei die Intensität dort, wo etwa die Evakuierung eines Flugplatzes geübt werde, für wenige Stunden höher als normalerweise, so Gerhartz. Hier war zuletzt von 300 Metern Flughöhe die Rede; der Fernsehturm in Berlin ist ein bisschen höher. Doch werde man ansonsten überwiegend über Nord- und Ostsee fliegen, sagte der Luftwaffen-Inspekteur und fuhr fort: „Wir tun alles, damit diese Übung so sicher abläuft, wie es nur irgend geht.“
Gleichwohl sind Probleme absehbar. Denn der zivile Luftverkehr muss um die drei Lufträume herumfliegen, wenn diese für je vier Stunden täglich militärisch genutzt werden. So verwies die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) auf eine Simulation, der zufolge es durch Air Defender bis zu 50.000 Minuten Verspätung geben könnte. Auch werde damit gerechnet, dass bis zu 100 Flugzeuge ihr Ziel nicht rechtzeitig erreichen, um am nächsten Tag für ihren Flug zur Verfügung zu stehen. Damit widersprach die Gewerkschaft der Bundeswehr, nach der mit keinen Flugausfällen zu rechnen ist. Offiziell wurden die Verspätungen kürzlich bei einer Pressekonferenz im Bundesverkehrsministerium mit durchschnittlich zwei bis drei Minuten pro Flug angegeben. Dabei werden Flugausfälle mehr oder weniger ausgeschlossen.
Ganz sicher betroffen ist Tuifly. Wie das Ferienflugunternehmen mitteilte, werden während der Militärübung mehrere Flüge statt in Frankfurt am Main in Paderborn starten und landen. Zwischen dem Flughafen Frankfurt und dem Flughafen Paderborn soll ein Bustransfer eingerichtet werden. Welche konkreten Auswirkungen Air Defender auf Flüge von Airlines wie Lufthansa, Easyjet und Condor hat, steht hingegen noch nicht fest.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Berliner Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Werben um Verständnis
Der Reiserechtsanwalt Paul Degott sagte dem RND unterdessen: „Der Reiseveranstalter hat den Reisenden grundsätzlich ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise erforderlichen Umstände zu informieren. Hierzu gehören auch etwaige Beeinträchtigungen wie durch die Nato-Luftübung.“ Verletze der Reiseveranstalter seine Informationspflicht, dann führe dies zu Minderungsansprüchen, gegebenenfalls auch zu Schadensersatzzahlungen, so Degott. Schließlich werde Reisenden auf diese Weise die Chance genommen, bei massiven Einschränkungen kostenlos von der Reise zurückzutreten.
Fest steht: Wenn keine Pauschalreise gebucht wurde, sondern direkt bei der Airline, stehen die Chancen auf eine Entschädigungszahlung schlecht. Denn im Falle von Air Defender sind die Fluggesellschaften nicht für die Verspätungen und Ausfälle verantwortlich – es handelt sich um einen außergewöhnlichen Umstand, auf den die Airlines keinen Einfluss haben. Fällt ein Flug aus, haben Reisende allerdings ein Recht auf eine Ersatzbeförderung. Eine Weiterreise mit der Bahn ist in diesem Fall ebenfalls möglich.
Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz warb jedenfalls schon mal um Verständnis. „Sicherheit gibt es eben nicht zum Nulltarif“, sagte er in der Bundespressekonferenz – ohne Beeinträchtigungen und Kosten genau benennen zu können.