Arzneimangel in Apotheken: Marburger Bund fordert Ende der Abhängigkeit von China und Indien
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/6DUUYHZAZZFGHNT5VDWB32XHWM.jpg)
Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes.
© Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich
Vor dem Hintergrund der Medikamentenknappheit in Deutschland hat Deutschlands größter Ärzteverband, der Marburger Bund, die Politik zu einem Kurswechsel aufgefordert. „Für Versorgungssicherheit braucht es deutlich mehr Transparenz und ganz neue Lieferketten für Medikamente und deren Grundstoffe: Weg von der Abhängigkeit von chinesischen und indischen Produzenten, hin zum Ausbau der Medikamentenfertigung in der EU“, sagte Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem „Spiegel“.
Johna sieht nicht nur Gesundheitsminister Karl Lauterbach, sondern auch Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Verantwortung. Der Gesundheitsminister hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass die Krankenkassen vorübergehend die Mehrkosten für teurere Ausweichmedikamente übernehmen sollen. Außerdem sollen zur Sicherung der Versorgung mit den günstigen Arzneimitteln künftig Vorräte angelegt werden.
Der Marburger Bund sieht in diesen Maßnahmen „wichtige erste Schritte“, doch keine Lösung für das Grundproblem. „Höhere Preise für Generika können ein Anreiz sein, die Produktion zu steigern. Der wesentliche Grund für den Arzneimangel sind aber nicht Rabattverträge für einzelne Medikamente, sondern unsichere Lieferketten.“ Sie fürchtet, dass sich die zuspitzende Corona-Lage in China auch auf die Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland auswirkt. „Der hohe Corona-Krankenstand in China hat vorübergehende Produktionsausfälle vor Ort zur Folge, was unsere Versorgung mit medizinischen Grundstoffen und Endprodukten weiter verschärfen dürfte.“
In der massiven Infektionswelle in China haben sich nach offiziell unbestätigten internen Schätzungen in den ersten drei Dezemberwochen 248 Millionen Menschen oder 18 Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert. Während Krankenhäuser überfüllt sind und viele Krematorien die Leichen nicht mehr schnell genug einäschern können, geben die amtlichen Zahlen längst keinen Überblick mehr über das wahre Ausmaß der Infektionswelle. Nach Hochrechnungen von Expertinnen und Experten muss mit Hunderttausenden von Toten gerechnet werden.
248 Millionen Menschen in China mit Corona infiziert
248 Millionen Chinesinnen und Chinesen sollen sich in den vergangenen drei Wochen mit dem Coronavirus infiziert haben.
© Quelle: Reuters
Nach fast drei Jahren mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests hatte China am 7. Dezember seine harte Null-Covid-Politik abrupt aufgehoben. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen. Doch sahen Expertinnen und Experten den Grund vor allem darin, dass die strikten Maßnahmen angesichts der explosionsartigen Ausbreitung nicht mehr durchgehalten werden konnten. Auch belasteten die Beschränkungen die zweitgrößte Volkswirtschaft zunehmend.
RND/dpa/scs