Autonome Frauenhäuser streiken

Zu wenig Plätze für Frauen in Not: „Wir müssen täglich Menschen abweisen“

In einem Frauenhaus wird eine Notfallkarte von einer Hand gehalten.

In einem Frauenhaus wird eine Notfallkarte von einer Hand gehalten.

Berlin. Wegen chronischer finanzieller Nöte streiken die Mitarbeiterinnen der autonomen Frauenhäuser am 7. März und protestieren vor dem Branden­burger Tor in Berlin. „Wir wollen dieses Jahr ein starkes Zeichen setzen, weil die Situation in den Frauenhäusern so prekär ist“, sagte Sylvia Haller. Sie ist eine der drei Vertreterinnen der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser. Autonom nennen sich die Einrichtungen, weil sie nicht in kirchlicher oder karitativer Trägerschaft sind, sondern aus der Frauenbewegung der 70er-Jahre entstanden sind. Sie finanzieren sich durch öffentliche Gelder. Hauptforderung der Streikenden ist eine bundes­einheitliche Regelung der Finanzierung – und an der arbeitet die Bundesregierung sogar.

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Aktuell ist die Finanzierung in jedem Bundesland anders und unterscheidet sich zum Teil sogar von Kommune zu Kommune. „Die ungünstigste Art haben wir unter anderem in Baden-Württemberg. Da gibt es eine Tagessatz­finanzierung. Das bedeutet, dass wir pro Tag und pro Kopf Geld bekommen – aber nur, wenn die Frauen einen Leistungs­­anspruch haben“, sagte Haller.

So einen Anspruch haben nur deutsche Staatsbürgerinnen, die Sozial­leistungen beziehen. Frauen mit Einkommen, Studentinnen und Rentnerinnen haben keinen, sie müssen selbst für die Leistungen aufkommen. „Uns fehlt dadurch nicht nur Geld. Auch auf politischer Ebene ist das fatal, weil die Verantwortung auf das Individuum verschoben wird. Aber Gewalterleben ist ein strukturelles Problem“, sagte Haller. Deshalb sollten Frauenhäuser unabhängig vom Einzelfall als Einrichtungen finanziert werden, so wie aktuell in Schleswig-Holstein – auch wenn dort die Höhe der Mittel nicht reiche.

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Streik der Frauenhäuser: „Das geht auch an uns nicht spurlos vorbei“

Nach Angaben der Bundesregierung gibt es bundesweit insgesamt 5086 Betten in Frauenhäusern. Die Empfehlung des Europarats liegt nach der Istanbul-Konvention aber bei 21.000 Betten für Deutschland – es fehlen also etwa 16.000 Betten. „Wir müssen täglich Menschen abweisen, das geht auch an uns nicht spurlos vorbei“, sagte Haller, die in einem Frauenhaus in Heidelberg arbeitet. Es belaste die Mitarbeiterinnen, wenn die Frau keinen sicheren Ort finde. „Abgesehen davon, dass es die Frau entmutigt, gibt es auch dem gewalttätigen Partner Zeit, sich zu entschuldigen, vielleicht mit einem Blumenstrauß nach Hause zu kommen“, sagte Haller. Dann dauere es mitunter noch länger, bis die Frau wieder den Mut fasse, sich Hilfe zu suchen.

Für Frauen, die keinen sicheren Aufenthaltstitel haben, erschwert sich die Lage noch. Sie dürfen sich teilweise nur in einer bestimmten Stadt aufhalten. Dort sind sie aber nicht immer sicher, deshalb fordern die Streikenden auch „ein Ende der prekären Aufenthaltstitel“ für Geflüchtete. Das Problem von Aufenthalts­status und Wohnort spielt bei der Finanzierung eine entscheidende Rolle. Manche Bundesländer oder Kommunen geben Geld an die Frauen­häuser, machen aber zur Auflage, dass dort nur Frauen aus dem betreffenden Umkreis davon profitieren.

In der Krisensituation mit starken Einschränkungen im öffentlichen Leben steigt die Gefahr für Frauen und Kinder, häusliche und sexualisierte Gewalt zu erfahren.

„Bis dahin hätten wir alle tot sein können“

Eigentlich sollen Frauenhäuser ein Zufluchtsort für Frauen sein, die vor häuslicher und Partnerschafts­gewalt fliehen müssen. Doch viele Schutz­häuser sind überlaufen – mit schlimmen Folgen. Denn immerhin sind einer aktuellen Statistik zufolge 80,3 Prozent der Opfer von Partnerschafts­gewalt Frauen. Eine Betroffene berichtet, welche Folgen das hat.

Bund will Frauenhäuser einheitlich finanzieren

Auf Bundesebene gibt es nun Bestrebungen, die uneinheitlichen Regelungen zu ändern. „Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem bundes­einheitlichen Rechtsrahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern“, sagte Ulle Schauws. Sie fordert, die Istanbul-Konvention vorbehaltlos und wirksam umzusetzen. Leni Breymaier, die frauenpolitische Sprecherin der SPD, bekräftigt das: „Jede Frau und ihre Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt. Jetzt geht es darum, diesen Rechtsanspruch praktisch umzusetzen.“ Einen niedrig­schwelligen Zugang zu Schutzräumen fordert Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. „Dazu gehören auch barrierefreie Plätze in ausreichender Zahl“, sagte Bauer. Sie unterstützt die Streikforderung nach einem Ende der prekären Aufenthaltstitel von Bewohnerinnen und deren Kindern.

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Auch die CDU/CSU-Fraktion unterstützt das Vorhaben. „Ich hoffe, dass Aktionen wie die Kundgebung dafür sorgen, dass die Bundesregierung etwas Konkretes auf den Weg bringt“, sagte die frauenpolitische Sprecherin Silvia Breher. „Dass sich die Bundesregierung auf den Weg macht, ist ein Meilen­stein in unserer 40-jährigen Geschichte“, sagte Frauenhausvertreterin Haller. Sie wünsche sich allerdings auch noch mehr Mitspracherecht der Frauenhäuser bei der Erstellung der Regelung.

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