Biden vom Nahostkonflikt kalt erwischt: Am falschen Ort zur falschen Zeit
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„Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen.“ Mehrere Tage schwieg US-Präsident Joe Biden in der Öffentlichkeit. Am Mittwochabend äußerte er sich erstmals vor Kameras zum Nahostkonflikt.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Washington. Jen Psaki, die Sprecherin des amerikanischen Präsidenten, hatte die Frage schon erwartet. Unauffällig blätterte sie in ihren Unterlagen, um im Briefingraum des Weißen Hauses die offizielle Sprachregelung vorzutragen.
„Es hat sehr viele Aktivitäten gegeben“, versicherte die Öffentlichkeitsarbeiterin, „aber vieles von dem Engagement passiert vertraulich über diplomatische Kanäle.“
So hätten Vertreter der amerikanischen Regierung wegen der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern seit dem Wochenende mehr als 25 Telefonate geführt: „Unser Ziel ist die Deeskalation, um die Menschen in der Region zu schützen.“
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Wie eine machtvolle Ansage angesichts der bedrohlichen Eskalation von Raketenattacken und Luftangriffen klang das nicht. Auch Außenminister Antony Blinken, der sich später sehr beunruhigt zeigte, wählte gleichwohl sorgsam seine Worte.
„Das Wichtigste ist jetzt, die Gewalt einzudämmen“, forderte der Topdiplomat. Es gebe „einen klaren Unterschied zwischen einer Terrororganisation, Hamas, die willkürlich Raketen niederregnen lässt (…) und Israels Reaktion der Selbstverteidigung“, betonte er. Aber: „Die Palästinenser haben ein Recht darauf, in Ruhe und Sicherheit zu leben.“
Eigentlich wollte sich der Präsident um andere Probleme kümmern
Die abgewogenen Formulierungen kommen nicht von ungefähr. Das plötzliche Wiederaufflammen der nahöstlichen Gewalt hat die neue US-Regierung kalt erwischt, und es manövriert Präsident Joe Biden in eine ziemlich unerquickliche Lage.
Eigentlich wollte er sich den für sein Land bedrohlicheren Herausforderungen durch Russland, China, dem Klimawandel und den Cyber-Attacken zuwenden, nachdem zu viele seiner Vorgänger erfolglos versucht hatten, den Nahostkonflikt zu befrieden.
Die aktuelle Ausgangslage wirkt noch aussichtsloser als in der Vergangenheit: Durch die einseitige Parteinahme von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump für die rechtsgerichtete israelische Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu sind die USA als möglicher Vermittler beschädigt. Bislang hat die neue Biden-Regierung nicht einmal einen Botschafter in Israel.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat kaum Einfluss auf die Extremisten im eigenen Lager. Und die eigentlichen Akteure Benjamin Netanjahu und Hamas besitzen beide Eigeninteressen an der Fortführung der Angriffe – der eine kann sich so trotz eines Korruptionsverfahrens vorerst weiter an der Macht halten, die andere versucht sich als Schutzmacht aller Palästinenser zu profilieren.
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12.05.2021, Palästinensische Autonomiegebiete, Gaza-Stadt: Menschen stehen vor dem eingestürzten Al-Shorouk Tower, nachdem dieser bei einem israelischen Luftangriff getroffen wurde. Seit dem 10. Mai beschießen militante Palästinenser Israel mit Raketen. Israels Armee reagiert darauf mit Angriffen auf Ziele im Gazastreifen, vor allem durch die Luftwaffe. Auf beiden Seiten gab es Tote.
© Quelle: Mohammed Talatene/dpa
Mit gutem Grund habe Joe Biden die Prioritäten seiner ersten Monate anderswo gesetzt, urteilt daher der Sicherheitsexperte Brian Katulis von der linksliberalen Denkfabrik Center for American Progress. Doch das sei nun vorbei: „Ereignisse, wie wir sie in den vergangenen Tagen erlebt haben, können den besten Plan über den Haufen werfen.“
Kein anderes Land habe in der Region so viele Beziehungen von Israel über Ägypten bis nach Jordanien wie die USA, argumentiert Katulis. Deshalb könne Washington nun nicht einfach passiv bleiben.
Die USA schicken einen Vermittler
Das sieht offenbar auch Joe Biden ein. Nach einer bemerkenswerte langen Fernsehabstinenz äußerte er sich Mittwochabend zumindest kurz vor den Kameras: „Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen“, erklärte er. Zugleich äußerte er die vage Hoffnung, dass der Konflikt „eher früher als später“ beendet werde.
Zuvor hatte er mit Netanjahu telefoniert und den Spitzendiplomaten Hady Amr in den Nahen Osten geschickt, um mit allen maßgeblichen Kräften der Region zu reden und auf eine Deeskalation zu drängen.
Biden befindet sich mehrfach in einer heikle Lage:
Außenpolitisch will er das Atomabkommen mit dem Iran wiederbeleben und möchte daher die israelische Regierung nicht noch weiter in eine Fundamentalopposition treiben.
Innenpolitisch hat sich die Demokratische Partei deutlich nach links bewegt, und vor allem jüngere Abgeordnete dringen auf eine klarere Verurteilung der drohenden Zwangsräumungen palästinensischer Familien in Ost-Jerusalem, die die jüngste Gewaltwelle auslösten. „Das ist ein Apartheidssystem“, griff die palästinensisch-amerikanische Abgeordnete Rashida Tlaib die israelische Regierung frontal an und sprach von einer „ethnischen Säuberung“.
Ihre Kollegin Ilhan Omar kritisierte scharf das Weiße Haus, weil es in einer Erklärung keine direkte Kritik an Israel übte.
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Das geht vielen moderaten Demokraten deutlich zu weit. Längst nehmen zudem die Republikaner den Präsidenten lautstark von der anderen Seite unter Feuer.
„Unter Biden wird die Welt gewalttätiger und instabiler, weil seine Schwäche und seine mangelnde Unterstützung für Israel neue Attacken auf unsere Verbündeten provoziert“, ätzt Ex-Präsident Trump in seinem Blog.
Zu seiner Zeit sei das ganz anders gewesen, erinnert sich der Ober-Republikaner: „Damals sprach man von der Friedenspräsidentschaft.“