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Ohne Abstecher nach Peking

Lindner reist nach Japan: Ist die Schuldenkrise der armen Staaten ohne China lösbar?

Finanzminister Christian Lindner.

Finanzminister Christian Lindner.

China hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) kurzfristig ausgeladen – aber die Probleme mit dem kommunistischen Land bleiben bestehen. Dazu gehört auf internationaler Ebene zum Beispiel die immense Verschuldung der ärmsten Staaten der Welt, die nach der Corona-Krise bedrohliche Ausmaße angenommen hat. Deshalb werden Schuldenerleichterungen angestrebt. Doch das geht nur mit China. Denn das kommunistische Land ist mittlerweile zum größten bilateralen Gläubiger von Schwellen- und Entwicklungsländern aufgestiegen, steht Umschuldungsverhandlungen aber sehr ablehnend gegenüber. Die Schuldenkrise wird auch Thema auf dem G7-Finanzministertreffen Ende der Woche im japanischen Niigata sein, zu dem Finanzminister Lindner am Mittwoch reist.

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Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind rund 60 Prozent der einkommensarmen Staaten bereits überschuldet oder haben ein hohes Überschuldungsrisiko. Das hängt nicht nur mit der Corona-Krise zusammen, sondern auch mit den stark gestiegenen Zinsen, was den Schuldendienst extrem verteuert. Bei China sind die Entwicklungs- und Schwellenländer Schätzungen zufolge mittlerweile mit rund 150 Milliarden US-Dollar verschuldet. Zum Vergleich: Die bilateralen Kredite bei allen G7- und EU-Staaten zusammen betragen insgesamt rund 200 Milliarden Euro. Ohne China, so die Überzeugung in der G7, beim IWF und der Weltbank, ist die Schuldenkrise nicht zu lösen.

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Es gibt allerdings auch gegenteilige Positionen. So argumentiert beispielsweise die von mehreren deutschen Nichtregierungsorganisationen getragene Initiative erlassjahr.de, die Hauptverantwortung dafür, dass Schuldenerlasse rasch und in ausreichender Höhe gewährt würden, liege bei den G7- und EU-Staaten. Die Initiative hat alle Schulden – also auch die von privaten Gläubigern und von multilateralen Banken wie der Weltbank – zusammengerechnet und den jeweiligen Ländern zugeordnet. Danach sind die Niedrig- und Mitteleinkommensländer zu 70 Prozent bei den G7- und EU-Staaten verschuldet. Chinas Anteil beträgt nach dieser Rechnung nur noch 6 Prozent.

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„Nicht Verantwortung bei China suchen“

Für ein rasches Handeln der Industriestaaten spricht sich auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, aus. „Eine Entschuldung und Umstrukturierung der Staatsschulden ist dringender denn je, um viele Länder vor einer noch größeren, wirtschaftlichen und humanitären Katastrophe zu bewahren“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es ist falsch, die Verantwortung für die drohende Schuldenkrise primär bei China und dessen Widerstand zur Umstrukturierung zu suchen“, betont er. Auch die reichen Industrieländer könnten und müssten handeln, um den ärmsten Ländern unter die Arme zu greifen. Zudem sollten multilaterale Finanzinstitutionen wie der IWF und die Weltbank auf Zinszahlungen verzichten und Schulden umstrukturieren.

Deutschland und Europa sollten nach Ansicht von Fratzscher außerdem darauf dringen, dass der IWF zusätzliche Sonderziehungsrechte (SDRs) an die ärmsten Länder verteilt, damit diese über Währungsreserven ihre eigene Währung stabilisieren und notwendige Importe finanzieren könnten. „Und Deutschland und Europa sollten endlich ihre Versprechen erfüllen und dem globalen Süden finanziell ermöglichen, mehr in Klima- und Umweltschutz zu investieren“, forderte der DIW-Chef.

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