Was sind die nächsten Streitpunkte der Ampel?
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Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner im Bundestag (von rechts).
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Es sei „ein wirklich großes Werkstück“, was die Koalition nach über 30 Stunden Beratung beschlossen habe, findet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Anlass für Debatten in der Koalition gibt es allerdings noch reichlich. Das 16-seitige Beschlusspapier lässt Interpretationsspielraum – und Unzufriedenheit gibt es sowieso. Ein Überblick:
Öl- und Gasheizungen
Die Abkehr von Öl- und Gasheizungen war Grund für einige Missstimmung in der Koalition – und könnte es auch bleiben. Die Koalition bekräftigte wortgleich ihren Beschluss vom März 2022, dass ab 1. Januar 2024 „möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll“. Herkömmliche Gas- und Ölheizungen sollen also die Ausnahme werden.
Die Vorgaben für das Gesetz, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerade erarbeiten lässt, wurden präzisiert, sind aber weiterhin schwammig. Versprochen wird ein „technologieoffener Ansatz“ – es darf also keine Technik, wie etwa Wärmepumpen, vorgeschrieben werden. Zudem müssen „ausreichende Übergangszeiträume“ eingeräumt werden. Soziale Härten sollen vermieden werden: „Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen für eine durchschnittliche Wärmepumpe unterm Strich nicht mehr zahlen als für eine herkömmliche Gasheizung“, heißt es bei den Grünen. Übergangsfristen, die Definition von finanzieller Zumutbarkeit und Ausnahmen lassen aber Interpretationsspielraum.
Dabei kann dann auch das Geld eine Rolle spielen: Finanziert werden soll die Förderung von Bürgern und Bürgerinnen aus dem Klima- und Transformationsfonds. Der allerdings wird auch für einige andere Finanzierungsvorhaben herangezogen. Wie breit oder eng der finanzielle Rahmen für die Heizungsförderung gezogen wird, muss also noch ausgefochten werden.
Autobahnen
Die FDP hat sich durchgesetzt mit ihrem Wunsch, auch Autobahnen künftig schneller zu bauen. Allerdings soll die Planungsbeschleunigung, bei der etwa die Einspruchsmöglichkeiten von Bürgern und Verbänden begrenzt werden, auf 144 bereits benannte Ausbauprojekte in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschränkt werden.
Das haben die Ampelparteien beschlossen
Fast drei Tage Ringen hinter verschlossenen Türen. Am Ende habe sich das alles gelohnt, verkündeten die Spitzen der Ampelkoalition am Abend.
© Quelle: dpa
Vor allem handelt es sich dabei um stauanfällige Stellen, bei denen eine weitere Fahrspur gebaut werden soll. 1200 Kilometer seien das insgesamt, haben die Grünen errechnet und verweisen darauf, dass sie der FDP 4800 weitere Autobahnkilometer ausreden konnten – und Autobahnneubau sowieso. Die Länder sollen bei der Umsetzung mitreden können. Auch da könnte es also noch mal Debatten geben – genauso wie darüber, ob nicht doch noch ein paar Autobahnen mehr schneller gebaut werden sollen.
Klimaschutz der Ressorts
Bisher waren die Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft jeder für sich verantwortlich, jedes Jahr die Emissionsgrenzen für das Treibhausgas CO₂ einzuhalten. Bis 2030 sollen gegenüber 1990 65 Prozent weniger CO₂ ausgestoßen werden. Am deutlichsten verfehlt wurde dies im Verkehrs- und Gebäudebereich.
Künftig sollen nun alle Sektoren gemeinsam ein Ziel erreichen, Schwierigkeiten in einem Bereich können also durch zusätzliche Einsparungen in einem anderen ausgeglichen werden. Ganz zurücklehnen können sich einzelne Minister, wie Verkehrsressortchef Volker Wissing (FDP), nicht: Wenn erkennbar wird, dass das Ziel von 2030 nicht erreicht wird, sollen die Bereiche, die beim Emissionsabbau besonders hinterherhinken, nachliefern. Das ist absehbar, die Grünen sehen die Regierung schon kommendes Jahr in der Pflicht.
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Da ist der nächste Streit programmiert: Denn die Formulierung, mit der die Ministerien zu mehr Klimaschutz gedrängt werden, ist relativ weich. Die betreffenden Ministerien „haben zu den Maßnahmen zur Minderung beizutragen“, heißt es in dem Koalitionsbeschluss.
Bahnausbau
Die Grünen bezeichnen es als großen Erfolg, für die Finanzierung des Bahnausbaus künftig auch Einnahmen aus der Lkw-Maut verwenden zu können. Bisher waren diese Mittel für die Verwendung im Straßenbau festgeschrieben. In der Koalition wird mit einer Summe von 5 Milliarden Euro jährlich gerechnet.
Die Finanzierungslücke bei der Bahn – 45 Milliarden Euro bis 2027 – wird sich mit dem Mautgeld allerdings nur knapp zur Hälfte schließen lassen. Woher das restliche Geld kommen soll, lässt die Koalition offen. Bei den Grünen heißt es: „SPD und FDP hatten keine Ambition, die Finanzlöcher der Bahn zu stopfen.“
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Katja Kipping: „Eine linke Partei auf der Höhe der Zeit hat eine Zukunft“
Katja Kipping saß 17 Jahre im Bundestag und stand neun Jahre an der Spitze der Linkspartei. Dann wollte sie gestalten und wurde Sozialsenatorin in Berlin – und die unverschuldet tragische Figur der Berliner Wiederholungswahl. Nun ist sie traurig, aber nicht verbittert – und kampfeslustiger denn je.
Geld
Die große Frage der Koalition bleibt das Geld. Über den Haushalt hat die Koalitionsrunde abgesehen von einem kurzen Vortrag des Finanzministers Christian Lindner (FDP) mit dem Hinweis auf Sparbedarf nicht gesprochen. Hier wollte man den Ministern offenbar nicht die Mühen der Verhandlungen abnehmen.
Dadurch ist allerdings auch offen, ob und wie Koalitionsprojekte wie die Kindergrundsicherung, die Leistungen digitalisieren und gleichzeitig Kinderarmut abfedern soll, finanziert werden können oder durch Lindners Sparsieb fallen.
Koalitionsklima
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von „sehr, sehr, sehr guten Ergebnissen“, Finanzminister Lindner behauptet, Gefallen gefunden zu haben an tagelangen Koalitionsrunden. Und angeblich hat man sich da auch ausgesprochen und sich versichert, dass das gegenseitige öffentliche Ankoffern künftig unterbleiben sollte. So weit in der Theorie. Denn das Zähneknirschen der Grünen ist vernehmlich. Dort fühlt man sich im Kampf für den Klimaschutz alleingelassen – vor allem auch von der SPD.