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So lief der erste Tag beim G7-Gipfel

Rätselraten um Selenskyj-Auftritt und ein strauchelnder US-Präsident

Die Runde der G7-Staaten und der EU in Hiroshima.

Die Runde der G7-Staaten und der EU in Hiroshima.

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Hiroshima. Kommt er oder kommt er nicht? Das ist die Frage, die am ersten Tag des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima die Journalistinnen und Journalisten und auch einige Teilnehmende in Atem hält. Die Rede ist vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dessen persönlicher Auftritt bei dem Treffen der größten demokratischen Industrienationen ein starkes Zeichen wäre – gerade an diesem historisch bedeutsamen Ort.

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Selenskyj zum G7-Gipfel in Japan eingetroffen

Selenskyj landete in einem französischen Regierungsflugzeug in Hiroshima, wie auf Bildern des staatlichen japanischen Fernsehsenders NHK zu sehen war.

Noch am Freitagvormittag beharrt die japanische Gipfelpräsidentschaft darauf, dass man Selenskyj nur per Video zuschalten werde, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits erste Medien melden, dass der Mann aus Kiew die Reise zu seinen wichtigsten Verbündeten auf sich nehmen werde. Am Nachmittag kommt eine Bestätigung der Reisepläne aus der Ukraine, dann heißt es wieder, Selenskyj werde nur virtuell teilnehmen. Am Ende bleibt die Frage offen, ob der ukrainische Präsident am Sonntag beim Gipfel auftauchen wird, auch wenn die meisten Beobachterinnen und Beobachter damit rechnen.

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Hiroshima gleicht während des G7-Gipfels einem Hochsicherheitstrakt

Für den Schutz des wohl am meisten gefährdeten Mannes auf der Welt wäre in Hiroshima jedenfalls gesorgt – die graue Industriestadt auf der Insel Honshu gleicht während der Gipfeltage einem Hochsicherheitstrakt. Die Strecke vom internationalen Flughafen zum Gipfelhotel ist komplett gesperrt, unzählige Polizisten in weißen Uniformen stehen dicht an dicht am Wegesrand. Die wenigen Gipfelgegnerinnen und -gegner, die es in die Nähe des Veranstaltungsortes schaffen, sehen sich sofort von einer Heerschar an Sicherheitsbeamten umringt. Die mächtigen Besucher aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den USA und Kanada bekommen von den zaghaften Protesten nichts mit.

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Am Freitagmorgen treffen Olaf Scholz, Joe Biden und die übrigen Staats- und Regierungschefs im Friedenspark von Hiroshima den japanischen Premierminister Fumio Kishida. Der 65-Jährige stammt selbst aus der Stadt, die 1945 bei dem Abwurf der ersten Atombombe nahezu vollständig zerstört worden ist. Obwohl erst nach dem Krieg geboren, hat Kishida deren zerstörerische Kraft hautnah erlebt: Mehrere Mitglieder seiner Familie sind an den Spätfolgen gestorben. Es soll dem japanischen Premier ein Herzensanliegen gewesen sein, dass der Gipfel in Hiroshima stattfindet und nirgendwo sonst.

epa04873797 Representatives of bereaved families of victims killed by the atomic bombing strike the Peace Bell for a moment of silence for the victims during the peace memorial ceremony marking the 70th anniversary of the nuclear bombing of the city at Hiroshima Peace Memorial Park in Hiroshima, western Japan, 06 August 2015. Hiroshima marked the 70th anniversary of the world's first nuclear bombing of the city on 06 August. EPA/KIYOSHI OTA +++ dpa-Bildfunk +++

Warum Hiroshima um seinen Ruf als Friedensstadt fürchtet

Hiroshima, das 1945 von einer Atombombe verwüstet wurde, versteht sich als Metropole des Friedens. Wenn am Freitag der G7-Gipfel tagt und von hier aus kraftvolle und drohende Botschaften nach China und Russland sendet, könnte der pazifistische Glamour verloren gehen. Ein Besuch in der Gastgeberstadt.

Mit seinen prominenten Besuchern schreitet der Gastgeber vorbei an akkurat gestutzten Bäumen und gepflegten Rasenflächen zum zentralen Denkmal für die 333.907 Opfer der nuklearen Explosion. Seine japanischen Landsleute haben einen besonderen Blick auf Joe Biden, dem Präsidenten des Landes, das die Bombe abgeworfen hat. Biden ist erst der zweite US-Präsident nach Barack Obama, der das Mahnmal besucht. Er verzieht beim Niederlegen der Kränze und dem Pflanzen eines Kirschbäumchens zum Gedenken an die Toten keine Miene.

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333.907 Tote durch Atombombenabwurf: Eine Entschuldigung von Joe Biden ist nicht geplant

Eine Entschuldigung werde es nicht geben, hatte die US-Administration im Vorfeld durchblicken lassen. Die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner halten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki noch heute für richtig, auch wenn Historikerinnen und Historiker inzwischen betonen, dass das faschistische Japan zum Zeitpunkt der atomaren Angriffe so gut wie besiegt war.

Der 80-jährige US-Präsident, der sich für eine weitere Amtszeit bewirbt, wird noch ein zweites Mal die Aufmerksamkeit auf sich ziehen – als er beim Besuch des historischen Itsukushima-Schreins am Nachmittag auf einer Treppe ins Straucheln gerät. Für einen kurzen Moment sieht es aus, als könnte Biden stürzen, dann fängt er sich wieder.

Selenskyj überraschend beim Gipfel der Arabischen Liga eingetroffen

Der ukrainische Präsident will dann am Wochenende zum G7-Gipfel in die japanische Stadt Hiroshima weiterreisen.

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Neben der Unterstützung für die Ukraine geht es am ersten Gipfeltag vor allem um die Frage, wie der ökonomische Druck auf den russischen Aggressor aufrechterhalten oder erhöht werden kann. Amerikaner und Briten haben schon im Vorfeld neue Sanktionspakete angekündigt. Großbritannien will den Import von Diamanten, Kupfer, Aluminium und Nickel aus Russland verbieten, die USA etwa 70 russische Unternehmen und Organisationen von US-Waren abschneiden. Und die Amerikaner wollen mehr. Washington schwebt ein generelles Exportverbot für sämtliche Waren aus Russland vor, mit nur wenigen klar definierten Ausnahmen.

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Die USA wollen mehr Russland-Sanktionen – Deutschland und die EU zögern

Bundesregierung und EU fürchten mögliche Nebenwirkungen eines solchen Paradigmenwechsels für ihre eigenen Volkswirtschaften. Sie wollen lieber daran arbeiten, die Wirksamkeit der bestehenden Sanktionen zu erhöhen und Schlupflöcher für deren Umgehung zu schließen.

Wirklich auflösen lässt sich dieser Dissens nicht, die Gipfelerklärung zu den Sanktionen liest sich entsprechend wolkig. Man werde die gemeinsamen Anstrengungen erhöhen, um sicherzustellen, dass keine kriegswichtigen Güter aus den G7-Staaten nach Russland gelangen könnten, heißt es an einer Stelle. Bei Drittstaaten werde man um mehr Verständnis für die Maßnahmen der G7 werben, steht an einer anderen.

Bundeskanzler Scholz erwartet G7-Einigkeit bei Sanktionen gegen Russland
German chancellor arrives in Hiroshima for G7 summit German Chancellor Olaf Scholz 2nd from L arrives at Hiroshima airport in Hiroshima on May 18, 2023, on the eve of the three-day Group of Summit in the western Japan city. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY A14AA0001462604P

Scholz hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die G7-Staatengruppe bei ihrem Gipfel in Japan eine gemeinsame Linie bei den Sanktionen gegen Russland finden wird.

Selbst der im Vorfeld des Gipfels bekannt gewordene Plan, den Export russischer Diamanten einzuschränken, ist in der Erklärung weich formuliert. Die G7 werden „weiterhin eng zusammenarbeiten“, um den Handel von in Russland abgebauten oder verarbeiteten Edelsteinen „einzuschränken“, heißt es lediglich. Nach einem strengen Verbot klingt das nicht.

Immerhin drohen die G7 all jenen Staaten, die Russlands Krieg unterstützen, Konsequenten und „erhebliche Kosten“ an. Auch bei der weiteren Unterstützung der Ukraine zeigt sich das Bündnis entschlossen. „Unsere Unterstützung für die Ukraine wird nicht nachlassen“, versprechen sie. Und sie fordern Russland auf, seine Truppen „unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem gesamten international anerkannten Territorium der Ukraine“ abzuziehen. „Russland hat diesen Krieg begonnen, Russland kann ihn beenden.“

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Den Satz dürfte auch Wolodymyr Selenskyj unterschreiben. Wenn er denn kommt.

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