Besuch beim G7-Gipfel: Wenn Selenskyj allen die Show stiehlt
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Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, in einer Autokolonne auf dem Weg zu dem Treffen der Gruppe der Sieben (G7).
© Quelle: Uncredited/Kyodo News/AP/dpa
Hiroshima. Der Höhepunkt des G7-Gipfels findet am Samstag um 15.32 Uhr statt – zumindest wenn man die Reaktionen der Journalistinnen und Journalisten in der zum Medienzentrum umfunktionierten Sportarena von Hiroshima zum Maßstab nimmt. Dutzende Kameras richten sich plötzlich auf den Bildschirm, auf dem der Livestream vom Gipfel übertragen wird. Viele Korrespondentinnen und Korrespondenten springen von ihren Stühlen auf.
Grund für die Aufregung ist die Landung einer französischen Militärmaschine auf dem internationalen Flughafen vor den Toren der Industriestadt. Aus dem Jet mit der Banderole in Trikolore-Farben steigt der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj.
Selenskyj zum G7-Gipfel in Japan eingetroffen
Selenskyj landete in einem französischen Regierungsflugzeug in Hiroshima, wie auf Bildern des staatlichen japanischen Fernsehsenders NHK zu sehen war.
© Quelle: Reuters
Er ist tatsächlich gekommen. Vor allem für die japanischen Gastgeber ist das die Nachricht des Tages.
Es sei ein „wichtiges Treffen mit Partnern und Freunden“, schreibt der ukrainische Präsident kurze Zeit später beim Kurznachrichtendienst Twitter. Es gehe um „Sicherheit und verstärkte Zusammenarbeit“ für den Sieg. „Der Frieden wird heute näher rücken“, verspricht Selenskyj. Niemand im Gipfelhotel auf der über eine Brücke erreichbaren Insel Ujina hätte etwas dagegen.
Selenskyjs Kampfjetkoalition nimmt Gestalt an
Den wichtigsten Erfolg hatte der Mann aus Kiew bereits vor seiner Ankunft verbuchen können. US-Präsident Joe Biden hatte den Gipfelteilnehmern mitgeteilt, dass er die Lieferung vom Kampfflugzeugen aus amerikanischer Produktion an die Ukraine billigen werde. Es geht dabei vor allem um Kampfjets vom Typ F-16, von denen die Nato Tausende in ihren Beständen hat.
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In einem ersten Schritt sollten ukrainische Piloten auf den westlichen Militärmaschinen ausgebildet werden, in einem zweiten entscheide man dann, wann und von wem wie viele Flugzeuge geliefert werden. Selenskyj ist damit der von ihm angestrebten Kampfjetkoalition ein gewaltiges Stück näher gekommen.
Während der Ukrainer noch zum Veranstaltungsort chauffiert wird, diskutieren die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten mit Vertretern von „Partnerländern“ um die Frage, wie aktuelle und künftige Krisen gemeinsam gelöst werden können. Die Reaktionen vieler Länder des „globalen Südens“ auf den russischen Krieg gegen die Ukraine hat die Staaten des Westens alarmiert und ihnen gezeigt, dass ihre Sichtweise auf den Angriff längst nicht von allen Staaten der Welt geteilt wird. Entsprechend groß sind die Bemühungen westlichen Länder, Staaten wie Brasilien oder Indonesien in der Russland-Frage auf ihre Seite zu ziehen.
Kompromiss in der China-Frage
Der größten Streitpunkt des Gipfels, die künftige China-Strategie, haben die Staats- und Regierungschefs bereits am Samstagmorgen weitgehend geräuschlos abgeräumt. Der Gipfel einigt sich auf eine härtere Gangart gegenüber Peking. Die Staaten versprechen, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Vorprodukten aus China zu verringern und Investitionen ihrer Unternehmen in der Volksrepublik strenger zu überprüfen, um Technologietransfers zu verhindern. Die letzten beiden Punkte waren vor allem den Amerikanern wichtig gewesen. Sie warnen bereits seit Langem vor einer zu großen Abhängigkeit vom Reich der Mitte.
Doch auch die Europäer können mit der Gipfelerklärung leben. Ihnen war wichtig, dass nicht ein wirtschaftliches Abkoppeln von China beschlossen wird, sondern nur eine Streuung der Risiken. „Derisking“ statt „Decoupling“ heißt die Formel in der Sprache der Verhandler.
Gleichzeitig senden die G7 die Botschaft aus, dass man China nicht als Feind betrachte. „Ein wachsendes China, das sich an die internationalen Regeln hält, wäre im Interesse der Welt“, heißt es in der Gipfelerklärung. Allerdings werde man sich gegen schädliche Wettbewerbspraktiken und wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen wehren. Sollte Peking versuchen, wirtschaftliche Abhängigkeit zu einer Waffe zu machen, werde das „Konsequenzen haben“.
Neben der Mahnung, wirtschaftlich und politisch „fair“ zu spielen, gibt es noch eine weitere Aufforderung an den chinesischen Herrscher Xi Jinping. Dieser möge doch bitte „Druck auf Russland ausüben“, den Krieg in der Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen, heißt es in der Gipfelerklärung.
Der letzte Wunsch dürfte wohl eher ein frommer bleiben.