Netzagentur: Gasnotlage nur mit Kraftakt abzuwenden – CDU fordert Krisengipfel
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Müssen wir im Winter frieren? Die Bundesnetzagentur hat drei Szenarien vorgestellt, worauf sich Deutschland in Bezug auf die Gasversorgung einstellen muss.
© Quelle: IMAGO/Bihlmayerfotografie
Berlin. Die Bundesnetzagentur hält es für möglich, dass eine Gasnotlage im Winter trotz der verminderten Erdgaslieferungen aus Russland abgewendet werden kann. Allerdings sei das nur unter bestimmten Bedingungen machbar, heißt es in einem neuen Szenarienkatalog der Bonner Behörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist.
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Demnach ist die Gasversorgung momentan stabil. Das große Aber: Die Lage bleibt angespannt, und eine weitere Verschlechterung ist nicht ausgeschlossen. Denn zwar werde derzeit – trotz der Verminderung der russischen Gaslieferungen über die Nord-Stream-1-Pipeline auf etwa ein Fünftel der Maximalleistung – „weiter eingespeichert“, sodass der Gesamtspeicherstand inzwischen bei knapp 72 Prozent liege.
Doch die Großhandelspreise lägen infolge der erneuten Lieferreduzierung weiter auf sehr hohem Niveau, sodass Firmen und Privatverbraucher sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen müssten.
In mehreren Modellrechnungen prüft die Agentur, unter welchen Bedingungen das Gas in den nächsten Monaten in Deutschland knapp werden könnte und wie sich eine „Gasmangellage“ vermeiden ließe – dass also die Nachfrage das Angebot übersteigt und die Bundesnetzagentur das Erdgas nach Bedürftigkeit zuteilen müsste.
Szenario eins: Russland liefert so wenig wie bisher
Die erste Annahme: Über die Ostseepipeline Nord Stream 1 würde bis zum kommenden Juni dauerhaft nur ein Fünftel der Maximalkapazität an Erdgas geliefert. Damit das Gas dann im Winter nicht knapp wird, müsse der Verbrauch in Deutschland um 20 Prozent gesenkt werden.
Das würde über die neuen Vorgaben hinausgehen, auf die sich die EU geeinigt hat: Laut europäischem Gasnotfallplan – der an diesem Dienstag in Kraft getreten ist – sollen alle EU-Länder ihren Gasverbrauch bis nächsten März freiwillig um 15 Prozent senken – verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre. Darüber hinaus müsste Deutschland aber auch die Transitmengen in seine Nachbarländer reduzieren: ebenfalls um 20 Prozent.
Szenario zwei: Gasspeicher sollen auch für 2023 reichen
Die zweite Annahme: Neben der dauerhaften Unterversorgung über Nord Stream 1 sollen die Gasspeicher in Deutschland im kommenden Februar zu 40 Prozent gefüllt und die Gasversorgung auch im nächsten Winter gesichert sein.
In diesem Fall müssten neben der genannten Verbrauchs- und Transitreduktion außerdem auch die Einfuhrmöglichkeiten erhöht werden. Denkbar ist dabei, auf Flüssigerdgas zu setzen, für das die Bundesregierung bereits im kommenden Winter erste LNG-Terminals in Deutschland an den Start bringen will.
Szenario drei: Russland liefert gar kein Gas mehr
Die dritte Annahme: Auch der Extremfall, dass gar kein russisches Erdgas mehr ankommt, muss den Berechnungen zufolge nicht zwangsläufig zur Mangellage im Winter führen. Allerdings sei es dann nötig, die Transitmengen noch deutlich stärker zu reduzieren oder den Import deutlich zu erhöhen, so die Bundesnetzagentur.
Trotzdem müssten dann die Gasspeicher so stark angezapft werden, dass die Bundesnetzagentur für den folgenden Winter – 2023/2024 – mit Versorgungsproblemen rechnet, falls nicht zusätzliche, über die oben genannten hinausgehende Schritte eingeleitet werden – etwa noch stärkeres Einsparen von Gas.
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Mit Blick auf das kommende Jahr hat die Bundesnetzagentur erwartungsgemäß keine guten Nachrichten für Verbraucherinnen und Verbraucher.
© Quelle: dpa
CDU: Krisengipfel im Kanzleramt
Für die Opposition sind die Berechnungen ein Alarmsignal. „Die neuen Szenarien der Bundesnetzagentur müssen jetzt endgültig Weckruf für die Bundesregierung sein“, sagte etwa der CDU-Bundesvize und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Spätestens jetzt muss alles getan werden, um einen Gasnotstand abzuwenden: Mit einem Energiesparpakt für Deutschland, der sofortigen Drosselung der Gasverstromung und mit Beistandsverträgen mit den europäischen Partnern.“
Jung rief auch Bundeskanzler persönlich zum Handeln auf: Olaf Scholz sollte schnellstens Ministerpräsidenten und Kommunalverbände zu einem Krisengipfel ins Kanzleramt einladen und mit ihnen „einen umfassenden Energiesparpakt von Bund, Ländern und Kommunen initiieren“. Zu diesem Pakt müssten dann abgestimmte Maßnahmen und ein verlässlicher Rahmen zählen, etwa durch Anpassung des Arbeitsrechts und Vorgaben für öffentliche Gebäuden als Vorreiter beim Energiesparen.
Zudem forderte der CDU-Bundesvize Bürgergutscheine für Heizungsoptimierung, eine Auktionierung für freiwillige Einsparungen in der Industrie, die Drosselung der Gasverstromung sowie eine Aussetzung der gesetzlichen Deckelung für die Energiegewinnung aus Biomasse. Außerdem müsse schnell über längere Atomkraftnutzung entschieden werden, so Jung.