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Erdbebenkatastrophe als Auslöser

Nach Jahren der Provokationen: Griechenland und Türkei gehen aufeinander zu

Der türkische Außenminister, Mevlut Cavusoglu (links) trifft hier Kostas Fragoyannis (rechts), den stellvertretenden Außenminister Griechenlands.

Der türkische Außenminister, Mevlut Cavusoglu (links) trifft hier Kostas Fragoyannis (rechts), den stellvertretenden Außenminister Griechenlands.

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Athen. An diesem Dienstag reist der griechische Verteidigungs­minister Nikos Panagiotopoulos auf Einladung seines türkischen Amtskollegen Hulusi Akar in die Südosttürkei, wo Anfang Februar bei einer Serie verheerender Erdbeben über 50.000 Menschen starben. Als eine der ersten Nationen schickte Griechenland noch am Tag der Katastrophe Rettungs­mannschaften und Hilfsgüter in die Türkei. „Efharisto poli file“ titelte die regierungsnahe türkische Zeitung „Hürriyet“ auf Griechisch, „Vielen Dank, Freunde“.

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Erinnerungen an den Sommer 1999 werden wach. Damals lösten zwei Erdbeben, die innerhalb weniger Wochen über die Nordwesttürkei und Athen hereinbrachen, eine Welle des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft in beiden Ländern aus. Die Katastrophen führten zu einer politischen Annäherung.

Annäherung nach den Erdbeben: die Geschichte wiederholt sich

Jetzt wiederholt sich die Geschichte. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der den Griechen noch vor wenigen Wochen mit Raketenangriffen auf Athen gedroht hatte, reicht ihnen nun die Hand. In einem Glückwunsch­schreiben zum Nationalfeiertag am 25. März, an dem Griechenland den Beginn des Befreiungskrieges gegen die türkischen Besatzer im Jahr 1821 feiert, schrieb Erdogan von „Bemühungen um Zusammenarbeit und weitere Entwicklung unserer Beziehungen“.

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Es blieb nicht bei freundlichen Worten. Während türkische Militärpiloten seit Jahren fast täglich im Tiefflug über griechische Ägäisinseln donnerten, gab es im Februar und März keinen einzigen Überflug – gegenüber 234 im Vorjahr. „Die Entspannung ist bemerkenswert“, sagt der griechische Verteidigungs­minister Panagiotopoulos.

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Mit ihm reist am Dienstag auch der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis ins Katastrophen­gebiet in der Südosttürkei. Er trifft dort den türkischen Innenminister Süleyman Soylu. Das Thema Migration sorgt ständig für Spannungen: Griechenland wirft der Türkei vor, sie lasse den Menschen­schmugglern, die Migrantinnen und Migranten nach Griechenland schleusen, freie Hand und halte sich nicht an seine Verpflichtung aus dem Flüchtlingsdeal mit der EU, irregulär nach Griechenland eingereiste Migrantinnen und Migranten zurückzunehmen. Wenn sich aus dem Ministertreffen am Dienstag ein Anknüpfungspunkt für die bessere Umsetzung des Flüchtlingsdeals ergibt, wäre das auch für die EU ein Durchbruch.

Ohne Hilfe kann die Türkei den Wiederaufbau im Erdbebengebiet nicht bezahlen

In den vergangenen Jahren hat Erdogan die Türkei mit seiner konfrontativen Außenpolitik in der Nato und in Europa isoliert. Die USA halten deshalb die Lieferung von Kampfflugzeugen zurück, die Erdogan für die Modernisierung seiner Streitkräfte dringend braucht. Das ist eine Erklärung für den Kurswechsel in Ankara. Er hat aber auch mit der Erdbeben­katastrophe zu tun. Die Schäden belaufen sich auf 100 Milliarden Euro. Ohne Hilfe des Westens kann die Türkei den Wiederaufbau der zerstörten Städte nicht stemmen.

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Aber die griechisch-türkischen Konflikte sind kompliziert. Athen und Ankara streiten über die Hoheitsrechte und Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer, über die Grenzen im Luftraum und den militärischen Status der ostägäischen Inseln. Griechenland dringt seit Jahren darauf, den Streit um die Wirtschaftszonen dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Schlichtung vorzulegen. Bisher lehnt die Türkei das ab. Sie schlägt bilaterale Verhandlungen vor. Die sind allerdings in den vergangenen Jahrzehnten ergebnislos geblieben. Beide Regierungen beraten seit 1999 über vertrauensbildende Maßnahmen. Doch in 69 Gesprächsrunden gab es bisher keine greifbaren Fortschritte.

Ob die jüngsten Entspannungs­signale eine tragfähige Basis für eine Annäherung sind, wird sich erst in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Zunächst einmal wird in beiden Ländern gewählt, am 14. Mai in der Türkei und eine Woche später in Griechenland. Dann werden die Karten neu gemischt – in Ankara, Athen und im Verhältnis der beiden schwierigen Nachbarn.


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