Hessen: Ausschuss untersucht Rolle des Verfassungsschutzes im Mordfall Lübcke

Walter Lübcke (CDU), Regierungspräsident von Kassel, spricht bei einer Pressekonferenz. Der Politiker wurde im Juni 2019 ermordet.

Walter Lübcke (CDU), Regierungspräsident von Kassel, spricht bei einer Pressekonferenz. Der Politiker wurde im Juni 2019 ermordet.

Frankfurt a.M., Wiesbaden. Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mordfall Walter Lübcke will möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden nachgehen. Der Prozess gegen Stephan Ernst und Markus H. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, dessen Urteilsspruch für diesen Donnerstag angekündigt ist, habe sich nur auf die Aufklärung der Tat der Angeklagten konzentriert, sagte der Mitinitiator und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Hermann Schaus (Die Linke), dem Evangelischen Pressedienst (epd).

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Der im vergangenen Jahr konstituierte Untersuchungsausschuss wolle hingegen das Umfeld der rechtsradikalen Szene in Nordhessen und ein mögliches Versagen des Verfassungsschutzes überprüfen.

Die Vertreter der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags von 2014 bis 2018 seien schon 2015 auf Stephan Ernst und Markus H. aufmerksam geworden, berichtete Schaus. Sie hätten beide als besonders gefährlich eingeschätzt. „Warum sind E. und H. uns schon damals als gefährlich aufgefallen, dem Verfassungsschutz aber nicht?“, fragte Schaus.

Die Linken hätten deshalb im Juni 2015 den Antrag gestellt, die Erstellerin eines Dossiers des Verfassungsschutzes über nordhessische Neonazis zu befragen, was der Ausschuss auch im Juli beschlossen habe. Als die Befragung im Dezember 2015 stattfand, habe die Autorin nur lückenhaft berichten können. Die Personenakten von Ernst und H. seien „im System nicht mehr verzeichnet“.

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Warum wurden Akten von Ernst und H. gelöscht?

„Wir kämpften um jedes Blatt Papier“, berichtete Schaus vom Ringen des NSU-Untersuchungsausschusses mit den hessischen Sicherheitsbehörden. Im Nachhinein sei auf beharrliche Fragen des Ausschusses herausgekommen, dass der Verfassungsschutz die Akten von E. und H. genau im Juni 2015 intern löschte und die beiden Rechtsradikalten als „abgekühlt“ einstufte.

Das zeitliche Zusammenfallen mit dem Auskunftsbegehren des Untersuchungsausschusses sei auffällig, sagte Schaus. Der neue Lübcke-Untersuchungsausschuss wolle nun erfahren, ob der Verfassungsschutz die Personenakten direkt vor oder nach dem Antrag des Ausschusses unzugänglich machte und warum. Eine rechtliche Notwendigkeit dazu habe nicht bestanden.

Außerdem stelle sich die Frage, warum der Verfassungsschutz die Personenakten von E. und H. nicht schon von sich aus dem NSU-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hat. „Warum hat der Verfassungsschutz den Ausschuss am ausgestreckten Arm verhungern lassen?“, fragte Schaus.

Hätte der Mord an Lübcke verhindert werden können?

Die Linke gehe davon aus, dass die NSU-Mörder von Halit Yozgat 2006 in Kassel einen Unterstützerkreis von lokalen Rechtsradikalen hatten. Es stelle sich die Frage, ob bei mehr Transparenz des Verfassungsschutzes der Mord an Walter Lübcke hätte verhindert werden können.

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Erst der neue Lübcke-Untersuchungsausschuss erhält nach den Worten von Schaus die Personenakten von E. und H.. Sie gehörten zu einem Berg von mehr als 2.000 Aktenordner, die dem Ausschuss von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz und anderen Behörden überstellt würden.

Jede Fraktion habe eine Stelle eigens für die Untersuchung genehmigt bekommen, bei der Linken seien zwei Mitarbeiter damit beauftragt. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende äußerte die Hoffnung, dass nach Ostern die ersten Zeugen befragt werden können. Die Dauer des Untersuchungsausschusses endet spätestens mit der Legislaturperiode im Januar 2024.

RND/epd

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