Jerusalem: Dutzende Verletzte bei Konfrontationen auf Tempelberg
Die israelische Polizei habe Dutzende von Gläubigen auf dem Al-Aksa-Komplex angegriffen, berichteten Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters.
© Quelle: Reuters
Jerusalem. Bei Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem sind mehrere Menschen verletzt worden. Dutzende Palästinenser hätten sich in der Moschee auf dem Tempelberg verbarrikadiert, meldeten israelische Medien unter Berufung auf die Polizei in der Nacht zu Mittwoch. Die Polizei habe Blendgranaten eingesetzt, Palästinenser hätten Feuerwerkskörper gezündet und Steine geworfen.
Zwölf Palästinenser seien verletzt und mehrere festgenommen worden, meldete die Zeitung „Haaretz“. Die „Jerusalem Post“ berichtete, auch ein Polizist sei verletzt worden. Die Beamten hätten am frühen Mittwochmorgen das Gotteshaus gestürmt und Gläubige angegriffen, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Dabei seien Dutzende Palästinenser verletzt worden, die in der Nacht anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan in der Moschee gebetet hätten. Die israelischen Sicherheitskräfte fürchteten den Angaben nach, die Palästinenser könnten am Morgen jüdische Besucher auf dem Tempelberg angreifen.
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Ein palästinensischer Gläubiger wird von der israelischen Polizei während Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee in der Altstadt von Jerusalem während des muslimischen heiligen Monats Ramadan weggeführt.
© Quelle: Mahmoud Illean/AP
In sozialen Medien machten Videos die Runde, die offenbar zeigten, wie Polizisten dort mit Schlagstöcken und Gewehren auf Palästinenser einschlugen. Der Auslöser der mutmaßlichen Eskalation war zunächst unklar. Die israelische Polizei erklärte, sie habe Gewalt angewandt, um Gläubige herauszuholen, die sich mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Stöcken in der Moschee verschanzt hätten. Ein Polizist sei durch einen Stein am Bein verletzt worden. Dutzende „Randalierer“ seien festgenommen worden, hieß es in der Mitteilung weiter.
Aus dem Gazastreifen wurden Raketen abgefeuert
Radikale Palästinenser im Gazastreifen feuerten Berichten zufolge daraufhin mehrere Raketen Richtung Israel. In der direkt an den Gazastreifen angrenzenden Stadt Sderot und weiteren Orten im Süden des Landes seien Alarmsirenen aktiviert worden, meldete die Armee. Nach Militärangaben wurden fünf Raketen auf israelischem Gebiet abgefangen, vier weitere landeten demnach auf offenem Gelände. Offiziell bekannte sich zunächst keine palästinensische Gruppierung zu dem Beschuss. Angaben zu Verletzten oder gar Toten gab es zunächst nicht.
Palästinensische Medien berichteten, die Raketen seien als Reaktion auf die „gewaltsame Vertreibung“ der Gläubigen aus der Al-Aksa-Moschee abgefeuert worden. Wer genau hinter den Angriffen steckt, war zunächst unklar. Der Chef der im Gazastreifen herrschenden militant-islamistischen Hamas, Ismail Hanija, hatte die Palästinenser zuvor aufgerufen, zur Al-Aksa-Moschee zu gehen und sie zu „schützen“.
Israel greift nach Raketenbeschuss Ziele im Gazastreifen an
Die israelische Luftwaffe reagierte auf die Raketenangriffe und beschoss mehrere Ziele im Palästinensergebiet. Darunter seien ein Militärgelände im Norden des Küstengebiets sowie ein Militärposten entlang der Grenze zu Israel, teilte die israelische Armee am Mittwochmorgen mit. Aus Sicherheitskreisen im Gazastreifen hieß es, die Einrichtungen gehörten dem bewaffneten Flügel der dort herrschenden Hamas. Sie seien bei dem Angriff schwer beschädigt worden. Verletzt wurde Berichten zufolge niemand.
Ein Sprecher der Hamas teilte nach dem israelischen Gegenangriff mit: „Die Bombardierung wird uns nicht einschüchtern, sondern unser Festhalten an der Ausübung unseres Rechts auf Unterstützung der gesegneten Al-Aksa-Moschee verstärken“. Gaza werde weiter die Menschen in Jerusalem und dem Westjordanland „mit allen Mitteln“ unterstützen.
Die Gewalt in Jerusalem löste Proteste von Palästinensern aus. Im Gazastreifen rief die Hamas zu Demonstrationen auf, Menschen strömten daraufhin auf die Straßen. Es gab Aufrufe, für weitere Proteste an den massiv gesicherten Grenzzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen zu ziehen. Die Hamas und die militante Gruppe Islamischer Dschihad forderten zudem Palästinenser in Jerusalem, im Westjordanland und in Israel auf, sich an der Al-Aksa-Moschee zu versammeln und die Konfrontation mit israelischen Sicherheitskräften zu suchen.
Die Führung der Palästinenser verurteilte die Angriffe auf Gläubige in der Moschee. Mit einem solchen Schritt überschreite Israel „alle roten Linien“, was zu „einer großen Explosion führen“ werde, warnte Nabil Abu Rudeineh, der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.
Ramadan und Pessach: Jerusalem und der Tempelberg werden zum Magnet für Muslime und Juden
In den vergangenen Jahren kam es auf dem Gelände um die Al-Aksa-Moschee immer wieder zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen.
Vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan war eine Verschärfung der ohnehin angespannten Sicherheitslage im Land befürchtet worden. Aktuell kommen besonders viele Muslime zum Tempelberg, um während des Fastenmonats dort zu beten. Am Mittwoch beginnt zudem das Pessachfest. Einer der Bräuche ist dabei eine Wallfahrt nach Jerusalem.
Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Laut einer Vereinbarung mit den muslimischen Behörden dürfen Juden die Anlage besuchen, dort aber nicht beten. Dagegen wird aber immer wieder verstoßen.
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Israelische Polizisten eskortieren jüdische Besucher Anfang Januar zum Gelände der Al-Aksa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt. (Archivbild)
© Quelle: Maya Alleruzzo/AP/dpa
Seit dem vergangenen Jahr haben Gewaltakte in Israel und den Palästinensergebieten stark zugenommen. Fast täglich rückt das israelische Militär zu Einsätzen in palästinensischen Städten und Dörfern aus, wobei es immer wieder Tote gibt. Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP sind seit Jahresanfang bei Militäraktionen und Gewalt durch jüdische Siedler mindestens 88 Palästinenser getötet worden. Im gleichen Zeitraum kamen bei Attacken von Palästinensern 15 Israelis um.
RND/dpa/AP