Lebenslang für Lübcke-Mörder Stephan Ernst – Markus H. von Beihilfe zum Mord freigesprochen
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Stephan Ernst wurde für den Mord am nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Frankfurt/Main verurteilt.
© Quelle: Boris Roessler/dpa/POOL/dpa
Frankfurt/Main. Das Frankfurter Oberlandesgericht hat im Fall um den ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein Urteil gesprochen. Haupttäter Stephan E. wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Schuld wiege besonders schwer, deshalb bleibe die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung einer zweiten Gerichtsverhandlung zu Ende der Haftzeit vorbehalten, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel bei der Urteilsverkündung am Donnerstag. Vom zweiten Vorwurf des versuchten Mordes an dem Asylbewerber Ahmed I. wurde Ernst freigesprochen. Ernst bleibt in Haft.
Ernst hatte die Tat wiederholt gestanden – jedoch in drei unterschiedlichen Versionen. Dabei belastete er zuletzt den Mitangeklagten Markus H., der mit am Tatort gewesen sei. H. selbst hatte sich nicht geäußert.
Markus H. wurde vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen. Er wurde wegen illegalen Waffenbesitzes zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.
In den Vorbemerkungen zum Urteil machte der Vorsitzende Richter Sagebiel deutlich, dass es nicht Aufgabe des Gerichts gewesen sei, rechtsradikale Netzwerke zu beschreiben. Dies wäre nur nötig gewesen, wenn es für die Aufklärung der Tat relevant gewesen wäre. „Es wäre ein starkes Stück, anzunehmen, das Gericht hätte bestimmte Sachverhalte vermeiden wollen“, sagte Sagebiel. An die Familie Lübcke gerichtet erklärte er: „Wir wissen, dass wir Ihren Verlust kaum ermessen können.“ Die Anwesenheit der beiden Söhne und der Witwe beim Prozess müsse für diese sehr schwer gewesen sein. Auch die Aufgabe des Gerichts sei allerdings sehr schwierig gewesen. Die Familie Lübcke, die an fast allen 44 Verhandlungstagen im Gerichtsaal anwesend war, hatte als Nebenklägerin auf eine Verurteilung H.s wegen Mittäterschaft gedrängt.
„Erhebliche Vorbehalte“ gegenüber letztem Geständnis
Gestützt hatte sich die Familie dabei auf das letzte Geständnis Stephan Ernsts, in dem dieser beschrieben hatte, wie er und H. gemeinsam den Mord geplant hätten und zum Haus der Lübckes gefahren seien. Diesem Geständnis begegnete das Gericht jedoch „mit erheblichen Vorbehalten“, wie die Richter erklärten: „Die Schilderungen sind nicht glaubhaft und widersprüchlich.“ So habe Ernst zum Beispiel unterschiedliche Angaben darüber gemacht, wann er und H. den Entschluss zur Ermordung Lübckes gefasst haben wollten. Sein erstes Geständnis dagegen, das er ohne Beteiligung eines Anwalts unmittelbar nach seiner Festnahme abgelegt hatte und in dem er seine Alleintäterschaft schilderte, sei „detailreich, lebhaft, anschaulich und in sich stimmig“ gewesen.
Für den versuchten Mord an dem irakischen Asylbewerber Ahmed I., wegen dem Ernst ebenfalls angeklagt war, gebe es dagegen keine eindeutigen Beweise. So habe I. den Täter nicht eindeutig beschreiben können. Außerdem sei ein bei Ernst gefundenes Messer, die mögliche Tatwaffe, möglicherweise erst nach der Tat gekauft worden. „Es kann sein, dass Herr Ernst der Angreifer war“, sagte Sagebiel zu I., der ebenfalls im Prozess als Nebenkläger aufgetreten war. „Wir wissen es nur nicht.“
Bundesanwaltschaft forderte mehr als neun Jahre Haft für H.
Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung für Ernst und neun Jahre und acht Monate Haft für H. gefordert. Die Verteidiger von Ernst plädierten auf Totschlag, während die Anwälte von H. einen Freispruch für ihren Mandanten erreichen wollten.
Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Der Prozess wurde von hohen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Die Corona-Pandemie sorgte zudem für besondere Umstände: Zuschauer und Medienvertreter mussten eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, wegen der Abstandspflicht konnten zudem zahlreiche Plätze nicht besetzt werden. Obwohl der Prozess im größten Saal des Gerichts verhandelt wurde, gab es nur maximal 19 Plätze auf der Pressetribüne und 18 Zuschauerplätze.
RND/pb/tof (mit dpa)