Neue Kriegsschiffe, Kampfjets und Hubschrauber: Griechenland rüstet auf

Eine Fregatte der griechischen Marineim August 2020 vor der Küste zwischen Nordkorfu und Albanien. Griechenland startet nun das größte Rüstungsprogramm der derzeitigen Geschichte.

Eine Fregatte der griechischen Marineim August 2020 vor der Küste zwischen Nordkorfu und Albanien. Griechenland startet nun das größte Rüstungsprogramm der derzeitigen Geschichte.

Athen. Als vor drei Wochen der französische Rüstungskonzern Naval Group zur feierlichen Kiellegung der ersten Fregatte des Typs Belharra einlud, saß unter den Ehrengästen in der Werfthalle auch ein Besucher aus Athen: Thanos Dokos, der Nationale Sicherheitsberater des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis war aus Athen auf die Naval-Werft im bretonischen Lorient gekommen. Griechenland ist der erste ausländische Kunde für den neuen Hightech-Schiffstyp. Drei Fregatten soll die griechische Kriegsmarine 2025 und 2026 übernehmen. Für ein viertes Exemplar hält Griechenland eine Option.

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Die Beschaffung der Fregatten ist Teil eines massiven Rüstungsprogramms. In diesem Jahr wird Griechenland seine Ausgaben für neues Militärgerät und die Modernisierung vorhandener Waffensysteme gegenüber 2020 auf das Siebenfache steigern. Ministerpräsident Mitsotakis will damit sein Land nicht nur gegenüber der immer offensiver auftretenden Türkei wappnen.

Griechenland möchte sich auch als neue Bastion an der Nato-Südostflanke profilieren – in Konkurrenz zur Türkei. Sie wird von vielen in der Allianz wegen ihrer Abwendung vom Westen, der Waffengeschäfte mit Russland und des autoritären Gehabes von Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan als ein zunehmend problematischer Bündnispartner gesehen. Unterstützung bekommt Mitsotakis von den USA und Frankreich, und zwar nicht ganz uneigennützig: Beiden Ländern winken lukrative Aufträge aus Athen.

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Vor allem die französische Rüstungsindustrie ist mit Griechenland gut im Geschäft. Neben den Fregatten interessiert sich Athen auch für den Kauf von fünf Gowind-Korvetten des Belharra-Herstellers Naval Group. Die Verhandlungen stünden „einen Schritt vor dem Abschluss“, berichtete am Sonntag die auf Militärthemen spezialisierte griechische Internetseite Defencepoint.

Auch der französische Flugzeughersteller Dassault kann sich über eine Bestellung aus Athen freuen: Die Firma liefert 18 Rafale-Kampfjets an Griechenland. Die ersten Maschinen sollen nächste Woche auf dem Fliegerhorst Tanagra bei Athen eintreffen. Verhandlungen über die Lieferung weiterer sechs Flugzeuge stehen kurz vor dem Abschluss.

Eine Reihe bilateraler Abkommen über militärische Zusammenarbeit

Auch der US-Rüstungskonzern Lockheed kommt zum Zuge: Das Unternehmen arbeitet gegenwärtig gemeinsam mit Hellenic Aerospace einen Auftrag zur Modernisierung von 84 älteren F-16-Kampfflugzeugen der griechischen Luftstreitkräfte ab. Lockheed hofft auch auf eine Bestellung der Griechen für sein modernstes Kampfflugzeug, den Tarnkappenjet F-35. Für seine Marine hat Griechenland beim US-Hersteller Sikorsky sieben Hubschrauber des Typs MH-60R geordert.

Das Rüstungsprogramm flankiert die Regierung mit einer Reihe bilateraler Abkommen über militärische Zusammenarbeit. Mitte Oktober schlossen Athen und Washington ein auf fünf Jahre angelegtes militärisches Kooperationsabkommen. Vier Wochen zuvor hatte Mitsotakis mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Vertrag über strategische Zusammenarbeit und gegenseitigen militärischen Beistand besiegelt. Bereits Anfang 2021 vereinbarten Griechenland und Israel den gemeinsamen Aufbau und Betrieb einer Militärfliegerschule bei Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes.

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Die Aufrüstung geht ins Geld. 2021 hat Griechenland seine Rüstungsausgaben gegenüber dem Vorjahr bereits von 500 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro verfünffacht. In diesem Jahr soll der Etat auf 3,36 Milliarden Euro steigen. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung geben in der Nato nur die USA noch mehr für die Verteidigung aus als Griechenland.

Hohe Militärausgaben waren einer der Gründe für die griechische Staatsschuldenkrise. Das soll sich aber nicht wiederholen, versichert die Regierung. Finanzminister Christos Staikouras gelobt fiskalische Disziplin und verspricht für 2023 einen Primärüberschuss im Haushalt, trotz der Rüstungskosten.

Streit um Hoheitsrechte und Wirtschaftszonen in der Ägäis

Mit den neuen Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen will Griechenland vor allem in der Ägäis gegen die Türkei auftrumpfen. Dort streiten beide Länder seit Jahrzehnten um die Hoheitsrechte und Wirtschaftszonen. Erst vergangenen Freitag überflogen türkische F-16-Jets demonstrativ die von 900 Menschen bewohnte griechische Insel Inousses. Nicht genehmigte Militärflüge über dem Territorium eines anderen Landes gelten als schwere Verletzung des Völkerrechts.

Nach Angaben des griechischen Verteidigungsministeriums haben türkische Kampfpiloten im vergangenen Jahr 48-mal griechisches Territorium überflogen. Auch die Rhetorik wird zunehmend aggressiver: Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht, die Türkei werde Griechenland „wenn nötig auf dem Schlachtfeld begegnen“.

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Die türkischen Streitkräfte sind zwar den griechischen zahlenmäßig überlegen. Aber Militärexperten sehen eine mögliche Beschaffung von F-35 durch Griechenland als „Game Changer“. Damit könnte Griechenland die Luftüberlegenheit in der Ägäis gewinnen, meinen Fachleute. Pikant: Die Türkei, die ursprünglich 100 Maschinen dieses Typs bestellt hatte, muss auf das Flugzeug verzichten. Die US-Regierung stoppte die Lieferung, weil Erdogan in Russland Luftabwehrraketen des Typs S-400 bestellte. Mit den in der Türkei stationierten Raketen könnt Russland die Stärken und Schwächen der F-35 ausspionieren, befürchtet man in Washington.

Erdogans Waffengeschäfte mit Russland haben nicht nur das Verhältnis zu den USA belastet, sondern auch in der Nato Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bündnispartners Türkei gesät. Griechenland versucht das für sich zu nutzen. Premier Mitsotakis stellt sein Land als verlässliche Alternative dar.

US-Außenminister Antony Blinken würdigt Griechenland als „glaubwürdigen Partner“ und „Pfeiler der Stabilität“ im östlichen Mittelmeer. Das pentagonnahe US-Nachrichtenportal Real Clear Defense (RCD) schreibt, Griechenland könne „das neue Bollwerk an der Südostflanke der Allianz“ werden – eine Rolle, die bisher der Türkei zugedacht war.

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