Koalitionsvertrag steht fest

Rot-Grün in Niedersachsen kündigt paritätisch besetztes Kabinett an

Auf dem Weg zur Regierungsbildung: Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Julia Willie Hamburg, künftige Stellvertreterin und Kultusministerin.

Auf dem Weg zur Regierungsbildung: Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Julia Willie Hamburg (Grüne), künftige Stellvertreterin und Kultusministerin.

Hannover. Worüber in Niedersachsens Landespolitik in den vergangenen Tagen am heftigsten spekuliert wurde, steht auf der letzten Seite des Koalitionsvertrags von SPD und Grünen für die nächsten fünf Jahre: Wer Ministerin oder Minister in Niedersachsen wird.

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„Die SPD stellt den Ministerpräsidenten und die Leitung folgender Ministerien“, steht da auf Seite 137. Stephan Weil, natürlich, wird Ministerpräsident. Damit steht er vor seiner dritten Amtszeit, in der kommenden Woche soll er im Landtag vereidigt werden. Sollte Weil die vollen fünf Jahre im Amt bleiben, wäre er so lange niedersächsischer Ministerpräsident wie niemand vor ihm.

SPD besetzt sechs Ministerien in Niedersachsen

Seine Partei darf zusätzlich das Wirtschaftsministerium (Olaf Lies), das Innenministerium (Boris Pistorius), das Sozialministerium (Daniela Behrens), das Wissenschaftsministerium (Falko Mohrs), das Europaministerium (Wiebke Osigus) und das Justizministerium (Kathrin Wahlmann) besetzen.

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Das Wirtschaftsministerium führt bislang die CDU mit dem gescheiterten Weil-Herausforderer Bernd Althusmann. Nun soll Olaf Lies auf seinen früheren Posten zurückkehren. Der Sozialdemokrat und jetzige Umweltminister war bereits von 2013 bis 2017 Wirtschaftsminister. Es galt als offenes Geheimnis, dass Lies das Ressort wieder übernehmen will.

Olaf Lies (SPD) wird künftig wieder das Amt des Wirtschaftsministers übernehmen (Archivbild).

Olaf Lies (SPD) wird künftig wieder das Amt des Wirtschaftsministers übernehmen (Archivbild).

Wie Weil soll auch Boris Pistorius für eine dritte Amtszeit als Innenminister im Amt bleiben. Der 62-Jährige war von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Osnabrück. Das Wort von Pistorius hat auch überregional Gewicht. Immer wieder werden ihm auch Ambitionen für politische Ämter auf Bundesebene nachgesagt.

Das Sozial- und Gesundheitsressort soll in den Händen von Daniela Behrens bleiben, die seit rund eineinhalb Jahren im Amt ist. Für ihre ruhige und sachliche Art erhielt sie in der Corona-Pandemie auch außerhalb der eigenen Partei Lob und Anerkennung.

Der Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs soll neuer Minister für Wissenschaft und Kultur werden. Damit wandert das Haus von CDU- in SPD-Hand. Der Diplom-Kaufmann sitzt seit 2017 im Deutschen Bundestag. Sein Vater Klaus Mohrs war über viele Jahre Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg. Mit 38 Jahren wird er zu den jüngeren Ministern im neuen Kabinett zählen.

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Das Justizressort soll ebenfalls von der CDU zur SPD wandern. Die designierte Ministerin Kathrin Wahlmann (45) saß bereits von 2013 bis 2017 im Landtag. Das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und regionale Entwicklung soll hingegen bei der SPD bleiben, aber mit einem neuen Gesicht besetzt werden. Die 41 Jahre alte Rechtsanwältin Wiebke Osigus soll auf Birgit Honé folgen. CDU und FDP hätten dieses Ministerium gerne abgeschafft.

Neues Kabinett ist deutlich jünger

Die SPD kommt damit auf sechs Ministerien plus die Staatskanzlei, darunter sind drei Frauen und vier Männer. Die Grünen erhalten vier Ressorts im Kabinett. Dabei steht eine Verjüngung an: Im Vergleich zur Vorgängerregierung werden die vorgeschlagenen Ministerinnen und Minister bei der Vereidigung im Schnitt vier Jahre jünger sein.

Die Grünen stellen laut der Vereinbarung die stellvertretende Ministerpräsidentin, das wird Julia Willie Hamburg sein. Sie war auch als Wirtschaftsministerin im Gespräch, soll nun aber als Kultusministerin für Schulen und Kitas zuständig sein. Bisher war die 36-Jährige Fraktionsvorsitzende sowie bildungspolitische Sprecherin der Grünen.

Grüne setzen nach Wahlerfolg auf Rot-Grün in Niedersachsen
Neue Partner in Niedersachsen? Die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg sieht einen klaren Regierungsauftrag mit der SPD um Ministerpräsident Stephan Weil.

Die SPD kann auch für die kommenden fünf Jahre mit dem Regierungsvorsitz in Niedersachsen planen. Eng wird es dagegen für die FDP.

Dazu dürfen die Grünen drei weitere Ministerien besetzen: Umwelt (Christian Meyer), Finanzen (Gerald Heere) und Landwirtschaft (Miriam Staudte).

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Mit dem Finanzressort geht eines der wichtigsten Ministerien an die Grünen. Gerald Heere saß ein erstes Mal von 2013 bis 2017 im Landtag und kehrte im vergangenen Jahr dorthin zurück. Unter ihm dürfte die Finanzpolitik eine deutlich andere Richtung bekommen als unter Reinhold Hilbers (CDU), der ein Verfechter der Schuldenbremse ist. Rot-Grün dürfte dagegen auch zulasten neuer Schulden investieren. Bislang war Heere Vorsitzender des Finanzausschusses im Landtag.

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Christian Meyer von den Grünen soll wie von 2013 bis 2017 erneut Minister werden – nun allerdings im Umwelt- statt im Landwirtschaftsressort. Meyer bildete mit Hamburg das Grüne-Spitzenduo zur Landtagswahl. Im Wahlkampf trat er aber deutlich weniger in Erscheinung. Der 47-Jährige sitzt seit 2008 im Landtag.

Ebenso wie Miriam Staudte, die als Nachfolgerin von Barbara Otte-Kinast vorgesehen ist. Zuletzt war sie Fraktionssprecherin für Landwirtschaft, Ernährung, Atompolitik, Tierschutz, Forst, Jagd und Fischerei.

13 Kapitel im Koalitionsvertrag

Im dritten Kabinett Weil sind damit fünf Frauen und sechs Männer vertreten – eine Frau mehr als in der vorherigen großen Koalition. Der Vertrag ist mit „Sicher in Zeiten des Wandels“ überschrieben – „Niedersachsen zukunftsfest und solidarisch gestalten“.

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Der Koalitionsvertrag ist in 13 Kapitel plus Präambel unterteilt – die Präambel beschreibt in groben Linien die Politik, wie SPD und Grüne sie für die kommenden fünf Jahre planen:

Die Energiepolitik

Rückenwind für Erneuerbare: Die Landesregierung will Windkraftanlagen deutlich ausbauen.

Rückenwind für Erneuerbare: Die Landesregierung will Windkraftanlagen deutlich ausbauen.

Niedersachsen soll bei der Energieversorgung unabhängig von Gas- und Ölimporten werden. Die erneuerbaren Energien sollen „massiv“ ausgebaut werden. Der Energiebedarf soll „zu großen Teilen aus Wind-, Sonnen- und Bioenergie“ gedeckt werden.

Es soll eine „Ausbauoffensive für Wind- und Solarenergie“ geben, damit Niedersachsen bis 2040 klimaneutral wird. Dazu soll auch der Import von grünem Wasserstoff beitragen. Davon soll das Land auch wirtschaftlich profitieren, „denn wir verfügen über ausreichend windstarke Standorte, innovative Unternehmen, und wir haben beste Voraussetzungen, die Drehscheibe des Imports und der Verteilung von grünem Wasserstoff zu werden“.

Wirtschaft und Landwirtschaft

Industrie, Mittelstand, Handwerk und Landwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen, stellen SPD und Grüne fest. „Transformation“ ist ein Stichwort, das gleich an mehreren Stellen des Vertrags auftaucht: „Insbesondere die Landwirtschaft ist unmittelbar von der Klimakrise betroffen und braucht Unterstützung bei der Transformation“, heißt es etwa. „Die Klimakrise zwingt die Wirtschaft generell zu einem grundlegenden Umbau.“

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Von Sahra Wagenknecht will die Linke in Schleswig-Holstein nichts mehr wissen.

Linke in Schleswig-Holstein fordert Rauswurf von Sahra Wagenknecht

Einen Ausschluss von Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion fordert die schleswig-holsteinische Linke in einem Beschluss des Landesparteitags. Vor allem ihr Putin-freundlicher Kurs stört die Delegierten.

Die Klimakrise wird als Chance gesehen. Sie sei „Innovationstreiber“. Die Digitalisierung ebenso. „Zusammen mit den Sozialpartnern werden wir einen ,Masterplan Gute Arbeit‘ erstellen, um Mitbestimmung zu stärken, Förderkriterien neu auszurichten und die Chancen der Digitalisierung für eine moderne Arbeitswelt noch tiefer in Niedersachsen zu verankern.“

Mobilität

Niedersachsen soll „Vorreiter für eine klimafreundliche sowie sozial gerechte Mobilität“ sein. Rot-Grün will den öffentlichen Nahverkehr daher „massiv“ ausbauen. „Alle Niedersächsinnen und Niedersachsen sollen überall einen verlässlichen Zugang zu Bus und Bahn haben“, egal, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben. Emissionsarme Antriebe sollen gefördert, der Anteil des Radverkehrs ausgebaut werden. Das Land will sich am bundesweiten 49-Euro-Ticket beteiligen. Außerdem soll es ein landesweites 29-Euro-Ticket für junge Leute geben.

Bildung

Digitale Endgeräte: Das Land will sie „schrittweise“ einführen.

Digitale Endgeräte: Das Land will sie „schrittweise“ einführen.

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Bildung hat für Rot-Grün „höchste Priorität“. Bildungserfolg soll nicht vom Elternhaus abhängen, die Koalition will jedem den bestmöglichen Abschluss ermöglichen. „Wir wollen multiprofessionelle Teams an die Schulen bringen und den Schulen mehr Freiheit geben, sich die Fachleute heranzuholen, die sie brauchen.“ Das Land will „schrittweise“ digitale Endgeräte zur Verfügung stellen. Das klingt zurückhaltender als noch im Wahlkampf, als die SPD allen Schülerinnen und Schülern ein iPad versprach. Berufsschulen sollen gut ausgestattet werden, Studierende sollen „gute“ Bedingungen an den Hochschulen vorfinden.

Sicherheit und sozialer Frieden

SPD und Grüne denken Sicherheit in einem größeren Rahmen: Niedersachsen steht für einen starken Staat, bei Rot-Grün heißt das „aktiver“ Staat, meint aber dasselbe: Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich sicher fühlen. Das soll aber mehr als „nur der Schutz vor Kriminalität“ sein. Sicherheit sei „vor allem auch soziale Sicherheit“.

Die neue Landesregierung will daher Vertrauen schaffen, dass der Staat in vielen denkbaren schwierigen Situationen an der Seite seiner Bürgerinnen und Bürger stehe. „Das gilt beispielsweise für eine gute medizinische und pflegerische Versorgung im ganzen Land ebenso wie für eine gute soziale Infrastruktur.“

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Darunter fällt auch der soziale Wohnungsbau, den SPD und Grüne wieder in staatliche Hand nehmen wollen. Es soll daher eine Landeswohnungsbaugesellschaft geben, „die selbst Wohnungen kaufen, bauen und vermieten kann“. Mitunter wird es im Vertragstext etwas blumig: „Chancengerechtigkeit, Transparenz und ein gelebtes Miteinander stehen im Mittelpunkt unserer Gesellschaftspolitik.“

Haushalt und Finanzen

SPD und Grüne wollen „solide mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger“ umgehen. Das soll die künftige Landesregierung aber nicht daran hindern, ordentlich Geld auszugeben: „Solide haushalten heißt aber nicht zuletzt auch, durch die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz, den sozialen Zusammenhalt, Bildung und Ausbildung, Förderung von Zukunftstechnologien und innovativen Ideen vorzunehmen und aktiv zu gestalten. Deshalb werden wir die erforderlichen Finanzmittel für die Sicherung eines klimagerechten Wohlstandes von morgen bereitstellen.“

Die SPD war bei der Landtagswahl am 9. Oktober mit 33,4 Prozent klar stärkste Kraft geworden. Die Grünen erzielten mit 14,5 Prozent ein Rekordergebnis in Niedersachsen. Ministerpräsident Weil hatte sich schon vor Monaten auf Rot-Grün als Wunschbündnis festgelegt. Bereits in seiner ersten Amtszeit (2013–2017) regierte er in dieser Konstellation, darauf folgte die bestehende Koalition mit der CDU.

Sollten am Samstag der SPD-Parteitag und am Sonntag der Grünen-Parteitag zustimmen, wird der Koalitionsvertrag am Montag unterzeichnet.

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mit dpa

Dieser Artikel erschien zuerst in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

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