Nordkorea: Lässt das Virus den Diktator wanken?

„Große Krise“, „gravierendes Vorkommnis“, „schwerwiegende Konsequenzen“: Diktator Kim Jong Un ließ sich am Mittwoch in den Staatsmedien mit ungewohnten Einschätzungen zur Lage in Nordkorea zitieren.

„Große Krise“, „gravierendes Vorkommnis“, „schwerwiegende Konsequenzen“: Diktator Kim Jong Un ließ sich am Mittwoch in den Staatsmedien mit ungewohnten Einschätzungen zur Lage in Nordkorea zitieren.

Aus Nordkorea erfährt der Rest der Welt an normalen Tagen so gut wie gar nichts. Die einzige offizielle Quelle für Neuigkeiten über Land und Leute sind die staatlich kontrollierten Medien – und die liefern in der Regel nur propagandistisches Grundrauschen.

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Am Mittwoch aber schlug Nordkoreas „Zentrale Nachrichtenagentur“ völlig ungewohnte Töne an. Von einer „großen Krise“ war da plötzlich die Rede, der Staatschef persönlich nahm diese Worte in den Mund.

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Kraftmeierei plus Geheimnistuerei

Kim Jong Un, beeilte der Staatsfunk sich zu melden, habe soeben mehrere hochrangige Beamte und Politbüromitglieder entlassen, teilweise in einer noch laufenden Sitzung. Die Geschassten hätten es versäumt, Nordkoreas strenge Covid-19-Regeln durchzusetzen. Da zogen Nordkorea-Spezialisten rund um den Globus, an Universitäten und in Geheimdienstzentralen, die Augenbrauen hoch: Ging es wirklich nur um Corona? Oder hatten sich die hohen Beamten auch in anderen Fragen von den Vorgaben Kims entfernt?

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Das Regime nennt, das ist typisch, keine Details. Betont wird aber, es gehe nach Einschätzung von Kim Jong Un um ein „gravierendes Vorkommnis“, das noch „schwerwiegende Konsequenzen“ habe werde: Die gesamte öffentliche Verwaltung müsse jetzt mit einer „Revolution“ rechnen.

Kraftmeierei plus Geheimnistuerei: Kim-Kenner in aller Welt sind seit Langem vertraut mit diesen beiden Elementen nordkoreanischer Regierungskommunikation. Die Signale aus Pjöngjang schaffen keine Klarheit, dennoch sind sie relevant: Die Welt registriert eine Art Vibrationsalarm aus einer Diktatur, mit der es vielleicht schon bald zu Ende geht.

Der Marsch in eine neue Hungersnot

Auch wenn man sich Corona komplett wegdenkt, steht Nordkorea unter Druck wie noch nie. Derzeit addieren sich drei für die Wirtschaft des Landes verheerende Faktoren:

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1. Die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft wegen Kims ununterbrochenen Atomtests greifen in ihren faktischen Auswirkungen immer stärker. Nordkorea exportiert immer weniger und streicht kaum noch Devisen ein.

Alltag in Nordkorea: Frauen sitzen in einem Park und blicken auf eine Propagandasendung der Regierung mit Machthaber Kim Jong Un.

Alltag in Nordkorea: Frauen sitzen in einem Park und blicken auf eine Propagandasendung der Regierung mit Machthaber Kim Jong Un.

2. Diese Entwicklung beschleunigt den Absturz der nordkoreanischen Währung, des Won. Im vorigen Jahr, als der Verfall begann, wollte Kim noch auf seine ganz eigene Art gegensteuern, indem er Devisenhändler hinrichten ließ, wie die „Financial Times“ berichtete. Es half aber nichts. Kaffee und Tee zum Beispiel sind inzwischen mit Preisen von umgerechnet 60 bis 80 Euro pro Packung für Normalverdiener unerschwinglich geworden.

3. Zusätzlich haben Stürme und Überschwemmungen in den vergangenen Monaten große Teil der Ernte ruiniert, sodass mittlerweile auch die Grundnahrungsmittel knapp werden. Reis und Treibstoff seien zwar noch für zwei Monate vorhanden, heißt es in inoffiziellen Berichten aus dem Land. Zucker, Öl und Mehl aber fehlten bereits. Damit sind die Weichen gestellt für eine umfassende Hungersnot spätestens im Herbst, die abermals Millionen Menschen betreffen dürfte.

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Das Regime in Nordkorea hat rundum abgewirtschaftet

Bereits im April sprach Kim von dem „mühevollen Marsch“, der der Bevölkerung erneut bevorstehe – die Bemerkung wurde verstanden als eine Erinnerung an die Hungersnöte, die Nordkorea in den Neunzigerjahren durchlitten hatte. Damals sind nach zurückhaltenden Schätzungen mehrere Hunderttausend Nordkoreaner verhungert. Unvergessen sind Szenen, in denen verzweifelte Nordkoreaner dazu übergingen, in Parks Gras zu essen.

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In diese Richtung scheint es nun erneut zu gehen. Allerdings kommt diesmal noch die Corona-Krise hinzu. Dass „null Infizierte“ festgestellt wurden, ist nach Einschätzung ausländischer Experten ein Witz: Das Land verfüge über gar keine Tests.

Eine Aufnahme vom 30. Juni aus Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang: Mitarbeiter in Schutzausrüstung desinfizieren ein Treppenhaus der Pjöngjang-Grundschule Nr. 4. Wie passt das zu der von Regime bislag stets aufrechterhaltenen Darstellung, die Zahl der Infizierten liege bei null?

Eine Aufnahme vom 30. Juni aus Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang: Mitarbeiter in Schutzausrüstung desinfizieren ein Treppenhaus der Pjöngjang-Grundschule Nr. 4. Wie passt das zu der von Regime bislag stets aufrechterhaltenen Darstellung, die Zahl der Infizierten liege bei null?

Nordkoreas Gesundheitswesen fiel schon in den Hungersnötigen der Neunzigerjahre weitgehend aus: Damals verkauften Ärzte Medikamente auf dem Schwarzmarkt, um für die eigene Familie Essen zu beschaffen.

Der Süden wüsste eine Lösung

Kim muss fürchten, dass seine 25 Millionen Landsleute irgendwann in dieser Krise die Systemfrage stellen: Wie kommt es, dass in unmittelbarer Nähe, in Südkorea nämlich, Millionen Menschen in Würde leben können?

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Südkoreas Vizeaußenminister Choi Jong-kun betonte am Mittwoch vor Vertretern internationaler Medien in Seoul einmal mehr die Hilfsbereitschaft seines Landes: „Egal, ob es um Tests geht oder was auch immer: Wir haben von Anfang an in dieser Pandemie unseren Willen zur Hilfe bekundet.“

Kim aber hat dies alles stets abgelehnt und eisern auf Abschottung gesetzt. Denn hier geht es auch um seine eigene Macht. Auf keinen Fall darf sich in Nordkorea herumsprechen, dass der Süden kooperativ ist – und mühelos einen Ausweg aus sämtlichen Krisen der Menschen im Norden skizzieren könnte: in einem Zusammenrücken ohne Kim.

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