Proteste gegen Null-Covid-Politik in China: Die Sorge vor harten Reaktionen Pekings wächst
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Demonstranten protestieren gegen die strikten Maßnahmen der chinesischen Null-Covid-Politik wie wiederholte Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne.
© Quelle: Ng Han Guan/AP/dpa
Brüssel/Berlin. Angesichts der Proteste gegen die Null-Covid-Politik in China hat der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, die chinesische Regierung zu einer besonnenen Reaktion aufgefordert. „Die chinesische Führung täte gut daran, mehr Offenheit zuzulassen“, sagte Weber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er befürchte allerdings, „dass sie die Demonstrationen mit aller Härte unterbinden wird“, fügte Weber hinzu.
Die Demonstrationen in China zeigten, dass auch in autokratischen Ländern Menschen ihre Meinung sagen wollten und sich nicht dauerhaft einschüchtern ließen, sagte Weber. Autokratischen Ländern wie China „fehle aufgrund ihres Absolutheitsanspruchs die Möglichkeit, bei offensichtlichen Missständen umzusteuern und ihren Weg auch öffentlich zu korrigieren. so der stellvertretende CSU-Chef: „Dazu müsste die chinesische Führung Fehler eingestehen, was kaum denkbar ist.“
Die Bewegung findet im ganzen Land eine gemeinsame Sprache
Das erwartete auch Webers Fraktionskollege im Europaparlament. Michael Gahler. Es entlade sich zwar derzeit der „generelle Frust über die unsägliche Coronapolitik“, sagte der CDU-Europaabgeordnete dem RND. Doch das Regime in Peking werde seine Covid-Politik aller Voraussicht nach nicht ändern. Die Proteste würden der chinesischen Führung vorerst nicht gefährlich, sagte Gahler: „Es gibt in China einen Orwell-haften Kontrollapparat, der Anführer von Protestbewegungen sofort kaltstellen würde.“
Überrascht von der „landesweiten Protestbewegung“ zeigte sich der China-Experte der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. „Die rücksichtslose Null-Covid-Politik bringt nun offenbar auch Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen in ganz China dazu, sich zur Wehr zu setzen“, sagte Bütikofer dem RND. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass Staatschef XI zurücktreten müsse, „doch die Proteste verändern das Verhältnis zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.“ Die Protestbewegung finde im ganzen Land eine gemeinsame Sprache und fordere damit die Kommunistische Partei heraus, sagte der Europaabgeordnete.
Bütikofer und Gahler gehören zu den Europaabgeordneten, die wegen ihrer Kritik am Vorgehen Pekings gegen die Demokratiebewegung in Hongkong von der chinesischen Regierung mit einem Einreiseverbot belegt sind.
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Lambsdorff: China setzt auf den falschen Impfstoff
Dagegen plant EU-Ratschef Charles Michel für Donnerstag eine Reise nach Peking. Dort will der Belgier auch Staatschef Xi Jinping treffen. Michel müsse Xi davon überzeugen, das Angebot der EU anzunehmen, Impfstoffe aus der EU und den USA einzusetzen, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, dem RND. „China setzt aus fehlgeleitetem Nationalstolz auf minderwertige Impfstoffe aus eigener Produktion“, sagte Lambsdorff. „China muss Abschied nehmen von der Null-Covid-Politik. Dazu braucht es aber eine massive Impfkampagne mit europäischen und amerikanischen Impfstoffen.“
Nach Ansicht des Grünen-Politikers Bütikofer dürfe Michel zugleich keinen Zweifel daran lassen, dass die EU die Reaktion des Regimes auf die Proteste genau beobachte. „Wenn die KP Chinas diese Protestbewegung unterdrückt, dann wird die EU auch nicht davor zurückschrecken, zusätzliche Sanktionen zu verhängen.“
„Nieder mit Xi Jinping“: Heftige Proteste gegen Corona-Politik in China
Die rigide Null-Covid-Politik hat in China zu den größten Protesten seit Jahrzehnten geführt.
© Quelle: Reuters
Taiwan in Sorge
Die Proteste in China lösen offenbar auch auf der Insel Taiwan Sorgen aus. Taiwan sieht sich als unabhängiger Staat, Peking dagegen betrachtet die demokratisch regierte Insel als Teil der Volksrepublik.
Die Leiterin des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Taipeh, Anna Marti, sagte dem RND, für Taiwan seien als Konsequenz aus den Protesten in China zwei Szenarien denkbar. „Wenn die Regierung nachgibt und die Beschränkungen lockert, ein paar symbolische Köpfe rollen und die Menschen rasch ein Gefühl von Erleichterung verspüren können, dann stehen die Chancen gut, dass dieser Protest verpufft und alles zurück zur Normalität geht“, sagte Marti.
„Dann ist auch die Bedrohungslage für Taiwan wie gehabt: harte Deadline für erfolgte Vereinigung Taiwans mit der Volksrepublik China 2049, wahrscheinlich aber eher früher.“ Der Zeitplan würde bei diesem Szenario dann wieder eher von militärstrategischen Überlegungen abhängen, weniger von Innenpolitik.
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Xi könnte schneller gegen Taiwan vorgehen als geplant
Beim zweiten Szenario würden die Proteste zum „Flächenbrand“, sagte Marti. Dann könnten die Menschen in China womöglich Freiheiten fordern, wie sie in Taiwan herrschten. „Die Propaganda und Desinformationsmaschine würde dann natürlich massiv angeworfen, und es ist ein Szenario denkbar, in dem Xi sich gezwungen sieht, schneller und deutlicher gegen Taiwan vorzugehen, als es sein eigentlicher Zeitplan vorsieht.“
Die Expertin sagte, sie glaube nicht, dass der chinesische Präsident Xi Jinping die demokratische Inselrepublik bombardieren würde. „Taiwan bezieht 98 Prozent seiner Energie aus Importen – eine Blockade halte ich daher für wahrscheinlicher.“ Wenn Taiwan damit unter chinesische Kontrolle gebracht werden könnte, „dann hat der chinesische Botschafter in Frankreich schon gesagt, was hier passieren wird: Umerziehung im großen Stil“.