Rechtsextremisten als Richter und Staatsanwälte? Wie Verfassungsfeinde Karriere im Staatsdienst machen
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Rechtsextremisten als Richter und Staatsanwälte?
© Quelle: Sonja Wurtscheid/dpa
Leipzig/Dresden. Rechtsextreme Politiker und Aktivisten als Richter und Staatsanwälte? Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Verfassungsfeinde im Staatsdienst arbeiten. Zuletzt standen zwei Rechtsextremisten aus Sachsen im Fokus: Jens Maier (AfD) und Matthias B.
Vom „Flügel“ auf die Richterbank
Bevor Jens Maier 2017 für die AfD in den Deutschen Bundestag einzog, war der heute 59-Jährige 20 Jahre lang als Richter am Landgericht in Dresden beschäftigt. Jetzt möchte Maier seinen alten Job zurück – und obwohl er vom sächsischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird, scheint seinem Wunsch erst einmal nicht viel im Weg zu stehen.
Während seiner Zeit im Bundestag fiel Maier nicht nur mit rassistischen Postings und einer Rede über einen angeblichen „Schuldkult“ auf, sondern auch durch seine Mitgliedschaft im sogenannten Flügel rund um den thüringischen Rechtsextremisten und AfD-Politiker Björn Höcke. Bis zur offiziellen Auflösung des „Flügels“ fungierte Maier dort als sächsischer Obmann.
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Nach Berichten der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) hat Maier nach dem Verlust seines Bundestagsmandats fristgerecht einen Antrag auf Rückkehr in seinen Beruf gestellt und könnte demnach bald wieder auf der Richterbank sitzen.
Wie die „LVZ“ berichtet, lasse das Abgeordnetengesetz aus Sicht des sächsischen Justizministeriums keinen Spielraum: „Eine Möglichkeit für die oberste Dienstbehörde, einen Antrag auf Rückkehr in ein früheres Dienstverhältnis nicht anzunehmen oder abzulehnen, gibt es nicht“, erklärte eine Sprecherin des Justizministeriums gegenüber der „LVZ“.
Disziplinarverfahren muss über Maiers Zukunft entscheiden
Demnach haben Richterinnen und Richter nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag das Recht, wieder in das frühere Dienstverhältnis – inklusive voller Besoldung – zurückzukehren. Allerdings habe Maier keinen Anspruch darauf, seine bisherige Stelle am Landgericht Dresden wieder besetzen zu dürfen, so das Justizministerium. Stattdessen könnte er auch an ein Amtsgericht versetzt werden.
Ob Pflichtverletzungen vorliegen, müsse dann „die oder der unmittelbare Dienstvorgesetzte“ entscheiden. Das bedeute laut „LVZ“, dass erst die Präsidentin oder der Präsident an jenem Gericht, dem Maier zugeteilt wäre, über ein Disziplinarverfahren bestimmen könnten.
Allerdings gibt es auch in diesem Falle ein Hürde, auf die auch Maier zielt: Die sogenannte Freiheit des Mandats könnte dazu führen, dass Aussagen während der Abgeordnetenzeit nicht berücksichtigt werden dürfen. Bislang gibt es dazu keinen Präzedenzfall. Letztlich könnte es zu einem über Jahre dauernden Verfahren kommen – und Maier in dieser Zeit weiterhin als Richter arbeiten.
Matthias B.: Neonazi im Rechtsreferendariat
Ebenfalls umstritten – der Fall Matthias B., ehemaliger Landtagskandidat der NDP in Bayern, Mitglied der inzwischen verbotenen Neonazi-Vereinigung Freies Netz Süd (FNS), Gründungsmitglied und Führungskader der neonazistischen Kleinpartei Der III. Weg und selbst ernannter und mehrfach verurteilter Rechtsextremist – und seit November vergangenen Jahres Rechtsreferendar am Landgericht Chemnitz.
Wie LVZ und „Zeit Campus“ unabhängig voneinander berichteten, legte B. sein erstes juristisches Staatsexamen im Januar 2020 ab. In Vorbereitung für sein zweites Staatsexamen bewarb sich B. damals um ein Referendariat in Bayern, anschließend in Thüringen. Beide Bundesländer verweigerten ihm damals in mehreren Instanzen die Aufnahme ins Referendariat. Auch mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte B.
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Demnach bescheinigte das Oberlandesgericht Bamberg Matthias B. aufgrund seiner Aktivitäten für den III. Weg „anhaltende verfassungsfeindliche Betätigungen“, weshalb er für den juristischen Vorbereitungsdienst „im Gesamtbild seiner Persönlichkeit unwürdig und somit charakterlich ungeeignet“ sei.
Das Verwaltungsgericht Würzburg befand, B.s Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei angesichts seiner politischen Aktivitäten „wertlos“. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte: Bei B. handele es sich um eine Person, die darauf aus sei, „die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen beziehungsweise zu beseitigen“.
Die von „Zeit Campus“ zitierten Gutachter formulierten: „Die in diesen Konstitutionsprinzipien unserer Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen würden es daher ausschließen, dass der Staat seine Hand dazu leihe, diejenigen auszubilden, die auf die Zerstörung der Verfassungsordnung ausgehen.“ Ähnlich argumentierten auch die Gerichte in Thüringen.
Lehren aus dem Fall Brian E.
Nach den Niederlagen in Bayern und Thüringen versuchte B. es in Sachsen – mit Erfolg. Nachdem er in mehreren Instanzen zunächst auch in Sachsen erfolglos blieb, entschied der Verfassungsgerichtshof in Leipzig im Oktober 2021: B. muss sein Referendariat beginnen dürfen.
Die Richter und Richterinnen begründeten ihre Entscheidung mit B.s Grundrecht auf Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit. Damit ist es B. vorläufig möglich, seine juristische Ausbildung fortzusetzen und sich für eine Stelle als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt zu qualifizieren.
Richtig findet die Entscheidung Christoph Enders, Professor für öffentliches Recht, Staats- und Verfassungslehre an der Universität Leipzig, wie er gegenüber der LVZ äußert. Zwar wiege das Argument stark, dass der Rechtsstaat mit einer solch liberalen Haltung ausgerechnet seine Feinde fördere. Schwerer wiege hingegen, was den ihn von totalitären Regimen unterscheide: „Er verurteilt keine Gesinnungen und unterdrückt andere Auffassungen nicht – selbst dann, wenn sie unliebsam sind und überwiegend abgelehnt werden.“
Dass B. nach seinem zweiten Staatsexamen je Richter oder Staatsanwalt wird, hält Enders im Gespräch mit der LVZ aber für unwahrscheinlich. „Da spricht vieles, wenn nicht gar alles dagegen“, sagt er, denn die Hürden lägen in diesem Fall deutlich höher als für das Referendariat.
Besonders pikant an dem Fall Matthias B. ist allerdings: Erst im Jahr 2020 hatte das sächsische Justizministerium die Zulassung für den juristischen Vorbereitungsdienst verändert, nachdem bekannt wurde, dass der Leipziger Rechtsreferendar Brian E. seinen juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Chemnitz absolvieren konnte, obwohl er an einem organisierten Neonazi-Angriff in Leipzig-Connewitz beteiligt gewesen war. Ziel der Gesetzesänderung in Sachsen war, Verfassungsfeinde von der juristischen Ausbildung abzuhalten.