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Ist der Brexit schuld?

Reisechaos im Hafen von Dover: Tausende Briten stecken im Osterstau fest

Fahrzeuge stauen sich im Hafen von Dover in Kent zu Beginn der Osterferien.

Fahrzeuge stauen sich im Hafen von Dover in Kent zu Beginn der Osterferien.

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London. Tausende Autos und Busse, Stoßstange an Stoßstange, so weit das Auge reichte und Wartezeiten von bis zu 19 Stunden. „So etwas habe sie noch nie gesehen“, sagte Kaeti Breward am Sonntag. Sie war gefangen in einer Blechlawine. Die Sportlehrerin war mit über 40 Kindern mit einem Reisebus von Wales zu einem Skiausflug in die Alpen unterwegs und beschrieb die Situation am Wochenende gegenüber Journalisten als „völlig unglaublich“.

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Was sich für Reisende seit vergangenem Freitag auf dem Weg von England nach Frankreich abspielt, überstieg den sonst üblichen Andrang. Zum Ferienbeginn fanden sich insbesondere Reisebusse in kilometerlangen Blechkolonnen wieder. Ins Stocken geriet der Verkehr im Südosten Englands bei der Zufahrt auf den Fährhafen von Dover. Schulklassen ging wegen der langen Wartezeiten ihr Proviant aus. Viele strandeten in Hotels oder in Wartehallen. Der Zustand der Toiletten wurde am Wochenende von Betroffenen in den sozialen Medien als „erschütternd“ beschrieben. Der Fährhafen musste den Ausnahmezustand ausrufen.

Ist der Brexit an dem Chaos in Dover schuld?

Wie schon im vergangenen Sommer, als zu Ferienbeginn ein ähnliches Chaos herrschte, schob die konservative Tory-Partei zunächst den Franzosen den Schwarzen Peter zu. „Dass Probleme bei den französischen Grenzkontrollen wieder einmal zu einem Verkehrschaos geführt haben, ist unglaublich enttäuschend“, twitterte die Tory-Abgeordnete Natalie Elphicke. Es ist ein Vorwurf, den Paris schon im Juli 2022 zurückwies. „Frankreich ist nicht für den Brexit verantwortlich“, sagte der französische Verkehrsminister Clément Beaune damals. Ist der Austritt Großbritanniens aus der EU an dem Chaos in Dover schuld? Es war eine Frage, die die umstrittene konservative Innenministerin Suella Braverman seit Tagen beantworten muss. Diese verwies auf schlechte Wetterbedingungen und leugnete einen Zusammenhang vehement. Es seien viele Jahre seit dem Austritt vergangen. Und: Die Abläufe an der Grenze funktionierten im Allgemeinen gut.

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Die Politikerin provozierte damit viel Hohn – vonseiten anderer Parteien, aber auch in den sozialen Medien. Alistair Carmichael, ein Abgeordneter der Liberaldemokraten, sagte, dass sie die Auswirkungen des Abkommens der konservativen Regierung mit Europa auf unsere Grenzen leugnet. „Für sie sind immer die anderen schuld.“ Braverman lebe „wie immer auf einem anderen Planeten“, spottete die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas. Auf Twitter stellten Britinnen und Briten überdies die Aussagen Bravermans den Kommentaren des Chefs des Fährhafens in Dover, Doug Bannister, gegenüber. Dieser machte zwar auch die hohe Anzahl Reisender nach der Pandemie für das Chaos verantwortlich, betonte jedoch überdies, dass „seit dem Brexit jeder Reisepass genau überprüft werden muss, bevor ein Fahrzeug oder Passagier über Frankreich in die EU einreisen kann.“ Das erschwere die Bearbeitung.

Ab November könnten die Schlangen noch länger werden

„Zwar mussten Briten schon vor dem Brexit ihren Pass vorzeigen“, erklärte Simon Calder, ein britischer Reisejournalist. Seit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ist die mögliche Dauer des Aufenthaltes auf dem Kontinent für Briten jedoch begrenzt. Deshalb müssten die französischen Grenzbeamten jede Seite des Passes genau kontrollieren und stempeln. „Bei einer Busladung von 50 Personen dauert das sehr lang.“ Und: Wenn Dutzende Busse den Fährhafen anfahren, bedeute dies ernsthafte Probleme. „Jeder, der schon einmal in Dover war, weiß, wie beengt es dort ist. Dieser Ort war nie für eine EU-Außengrenze ausgelegt. Aber jetzt haben wir eine“, betonte Calder.

Am gestrigen Montag hatte sich die Lage im Südosten Englands wieder entspannt. Mitarbeiter des Hafens fürchten jedoch, dass die Warteschlangen in diesem Jahr noch länger werden könnten. Schließlich plant die EU, im November das Einreise-/Ausreisesystem (EES) einzuführen. Dabei sollen an der Grenze von allen Nicht-EU-Bürgern und ‑Bürgerinnen auf der französischen Seite vier Fingerabdrücke gescannt und ein Foto gemacht werden, um Reisende in Zukunft zu tracken. Soll das System langfristig Zeit sparen, wird es zunächst für Verzögerungen sorgen, betonen Experten, insbesondere am Hafen von Dover.

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