Verteidigungsministerin Lambrecht geht – und Kanzler Scholz macht es spannend
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Christine Lambrecht (SPD), Verteidigungsministerin, verlässt den Plenarsaal im Bundestag.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Am Tag, an dem sie ihren Rückzug ankündigt, bleibt die Verteidigungsministerin unsichtbar. Christine Lambrecht fährt nicht in ihr Ministerium, sie gibt kein Statement vor Kameras. Ihre Pressestelle verschickt am Montagvormittag fünf Sätze, die nach nur einem guten Jahr das vorzeitige Ende ihrer Amtszeit verkünden. „Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten“, heißt es da. „Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu.“ Es folgt Dank für die Arbeit der Soldaten. Von eigenen Fehlern spricht Lambrecht nicht. Sie hat ihre Abschiedsworte dem Vernehmen nach selbst formuliert.
Sie war zur Bundeswehr auf Distanz geblieben, sah sich wohl eher in der Rolle einer nüchternen Managerin. Anders als ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) oder einst der SPD-Politiker Peter Struck fehlte ihr das kumpelige Wesen, um fehlende Fachkenntnis auszugleichen. In Teilen der Truppe wie der Verteidigungspolitiker war ihr diese Kombination als mangelndes Interesse ausgelegt worden.
Das passte dazu, dass Lambrecht zu Amtsbeginn selbst erklärt hatte, sich als ehemalige Justizministerin eher auf die Übernahme des Innenressorts eingestellt zu haben. Unglücklicher Umgang mit sozialen Medien kam dazu, zuletzt ein Video mit einer holprigen Silvestergrußbotschaft vor einer Feuerwerkskulisse. Auch dass ihr erwachsener Sohn ein Foto vom Bundeswehrhubschrauber-Flug postete, mit dem er und seine Mutter zum Urlaubsort Sylt gebracht wurden, galt als Zeichen für wenig Sensibilität. Mitten im Krieg gegen die Ukraine verliert Kanzler Olaf Scholz nun seine Verteidigungsministerin, die er noch im Dezember als „erstklassig“ bezeichnete.
Ein Bier für den Kanzler
Zumindest nach außen bleibt Scholz ruhig – ganz gemäß der Bedächtigkeit, die er zu seinem Erkennungsmerkmal gemacht hat. Wie vorgesehen fährt er nach Ulm und besucht dort eine Brauerei mit dem Motto „Qualität durch Frische“. Es gibt damit vom Tag des Rücktritts von Lambrecht Fotos eines lächelnden Kanzlers mit Bierkrug. Bei der anschließenden Visite eines Rüstungsunternehmens spricht Scholz erst über den Krieg gegen die Ukraine und die Bedeutung der Wehrindustrie. Dann kommt er doch noch „zu einem aktuellen Thema“. Er habe gerne mit Lambrecht zusammengearbeitet, sagt er. Sie habe sich „mit ungeheurem Einsatz darum gekümmert, dass jahrzehntelange ausgetretene Pfade verlassen werden“. Es ist ein freundlicher Nachruf.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag beim Besuch einer Brauerei in Ulm.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Und wer übernimmt den Job nun? „Ich habe eine klare Vorstellung“, sagt Scholz. Aber heute sei erst mal der Tag des Rücktritts.
Neubesetzung am Dienstag
Die Nachfolge soll nach RND-Informationen am Dienstag verkündet werden. Das Scheitern wird vom Neuanfang sauber getrennt. Und da ist Scholz‘ Statement auch schon wieder beendet.
Wie viel Geld steht Lambrecht nach ihrem Rücktritt zu?
Nach dem Rücktritt wird Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nicht mittellos dastehen. Wie viel Geld steht der SPD-Politikerin zu?
© Quelle: dpa
Ein Ressorttausch mit anderen Parteien gilt in der Koalition als ausgeschlossen. Von den SPD-Politikern würde Arbeitsminister Hubertus Heil zwar Verwaltungserfahrung mitbringen, ist aber mit Leib und Seele Sozialpolitiker. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt ist einer der engsten Vertrauten von Scholz in der Regierungszentrale. Lars Klingbeil will SPD-Chef bleiben – und ohne Ministeramt unabhängiger.
Wenn Scholz daran festhält, das Kabinett paritätisch zu besetzen, könnte also die 39-jährige Staatssekretärin Siemtje Möller zum Zug kommen, zu deren niedersächsischem Wahlkreis Wilhelmshaven mehrere große Bundeswehreinrichtungen gehören. Auch die Wehrbeauftragte Eva Högl gilt als Anwärterin.
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Vize-Grünen-Fraktionschefin Agnieszka Brugger sagte dem RND, es brauche jemanden, „der oder die die seit Jahren bekannten und liegen gebliebenen Probleme endlich anpackt“. Nötig seien solide Lösungen für Struktur und Ausstattung, Fingerspitzengefühl für die Truppe, ein enger Draht zu internationalen Partnern und der Dialog mit Bürgern.
Sicher ist: Am Freitag, wenn sich die Verteidigungsminister aus 50 Staaten auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein treffen, um über weitere militärische Unterstützung der Ukraine zu beraten, wird auf dem deutschen Platz wohl jemand Neues sitzen.