Einigung greifbar: Ärmere Länder könnten künftig für Folgen des Klimawandels entschädigt werden
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Das Logo des COP27-Klimagipfels hängt an einem Eingang zur Konferenz im ägyptischen Scharm-el-Sheikh.
© Quelle: IMAGO/photothek
Scharm el Scheich. Bei der Weltklimakonferenz kommt offenbar Bewegung in den Streit über Ausgleichszahlungen an ärmere Länder für klimabedingte Schäden. Die Teilnehmer der rund 200 Staaten legten nach Beratungen am späten Donnerstagabend einen fünfseitigen Entwurf mit drei möglichen konkreten Schritten bei dem Thema vor.
Genannt werden die sofortige Einrichtung eines neuen Fonds, alternativ die Einrichtung eines neuen Fonds bei der nächsten Klimakonferenz Ende 2023 in Dubai sowie eine eher allgemein gehaltene „Finanzierungsvereinbarung“.
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© Quelle: RND
Kommt es jetzt zur Einigung auf der Klimakonferenz?
Mit dem Entwurf scheint eine Einigung beim größten Streitpunkt der diesjährigen Konferenz ansatzweise greifbar. Unter dem Begriff der Schäden und Verluste wird diskutiert, wie die Folgen des Klimawandels in ärmeren Ländern, die oft weniger zu Schäden beigetragen haben, gemeinsam geschultert werden können. Mehr als 130 der rund 200 Teilnehmer fordern die feste Einrichtung eines Finanztopfs.
In dem Papier ist die Rede vom „dringenden und umgehenden Bedarf für neue, zusätzliche, berechenbare und angemessene finanzielle Mittel“ bei dem Thema. Damit sollten Entwicklungsländer unterstützt werden, die am meisten verwundbar sind bei durch den Klimawandel bedingte Schäden.
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EU-Kommissionsvize Frans Timmermans: „Brücken bauen“
EU-Klimakommissar Frans Timmermans machte im Plenum seinerseits ein Angebot für einen Fonds, finanziert von einer „breiten Geber-Basis“. Der Fonds solle Teil eines „Mosaiks von Lösungen“ sein, zu dem auch ein Blick auf Schulden und eine Reform von Entwicklungsbanken zähle. Ebenso wichtig seien Fortschritte bei der Verringerung klimaschädlicher Emissionen, sagte Timmermans. Diese Maßnahmen und das Thema Schäden und Verluste seien „zwei Seiten derselben Medaille“.
Timmermans will in der Debatte über die Finanzierung von Klimaschäden Kompromissbereitschaft zeigen und in den schwierigen Verhandlungen auf dem Weltklimagipfel „Brücken bauen“. Die Einrichtung eines Fonds für unumkehrbare Klimaschäden sei zwar nicht die bevorzugte Variante der EU, aber man gehe einen Schritt auf die Forderung der Entwicklungsländer zu, sagte er. Allerdings knüpfe die EU ihre Bereitschaft an zwei Bedingungen: Zum einen müssten die Gelder den verletzlichsten Staaten zugute kommen. Damit wollen die Geberländer verhindern, dass auch China als größter Emittent von Treibhausgasen, das sich mit ärmeren Ländern zusammengeschlossen hat, von den Zahlungen profitiert anstatt selbst zu zahlen.
Andererseits muss laut Timmermans sichergestellt werden, dass die Ausgleichszahlungen für unumkehrbare Klimaschäden und Verluste, im UN-Jargon „loss and damage“, mit mehr Ehrgeiz bei der Eindämmung der Erderwärmung einhergehe. „Wenn wir die Emissionen nicht reduzieren, sind alle unsere Anstrengungen umsonst“, sagte Timmermans. Die bisherigen Anstrengungen der Staaten reichen bei weitem nicht aus, um wie vereinbart die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Anders als vereinbart haben auch längst nicht alle Staaten ihre nationalen Klimaschutzpläne bis zum Klimagipfel nachgeschärft. Darauf müsse man sich unbedingt einigen, so Timmermans.
„Wir haben ermutigende Aussagen über die Bereitschaft gehört, flexibel zu sein und Kompromisse zu finden.“
Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt
„Die Unterhaltung über Schäden und Verluste ist überfällig“, sagte UN-Klimachef Simon Stiell. „Wir haben ermutigende Aussagen über die Bereitschaft gehört, flexibel zu sein und Kompromisse zu finden“, sagte die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, die bei dem Thema als eine von zwei Vermittlerinnen auftritt.
Was versteht der Entwurf unter den Folgern des Klimawandels?
Eine genaue Definition für Schäden und Verluste gibt es nicht. Meist werden darunter aber Schäden von Extremwetterereignissen - etwa Dürren oder Überflutungen - sowie von langsamen Veränderungen im Zuge der Erderwärmung verstanden, etwa steigende Meeresspiegel oder Wüstenbildung. Es geht um Folgen jenseits dessen, woran Menschen sich anpassen können, oder um Situationen, in denen die Mittel für eine Anpassung fehlen.
UN-Generalsekretär António Guterres flog nach dem G20-Gipfel auf Bali extra erneut nach Ägypten ein, um Druck zu machen. „Die Klima-Uhr tickt und das Vertrauen schwindet weiter“, warnte er. Die Teilnehmer der Klimakonferenz könnten etwas ändern, hier und jetzt. „Ich rufe sie zum Handeln auf - und zwar schnell“, mahnte er rund 24 Stunden bevor das Treffen im ägyptischen Scharm el Scheich am Freitagabend nach offiziellem Zeitplan enden sollte. Eine Verlängerung galt jedoch fast als sicher.
Nach Worten des ägyptischen COP-Präsidenten Samih Schukri ist auch beim Thema Eindämmung des Klimawandels noch kein Ergebnis erreicht worden. Erwartet wird, dass die Staatengemeinschaft erneut das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad stoppen zu wollen. Wie das konkret erreicht werden soll, ist schon deutlich strittiger: In ersten veröffentlichten Eckpunkten wurde zwar ein schrittweiser Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle eingefordert - aber nicht der Abschied von Öl und Gas.
RND/dpa