Der „Stahlbaron“

Er lieferte Material für Atomwaffen: Der reichste Russe steht nicht auf der EU-Sanktionsliste

Russlands ehemaliger Präsident Dmitri Medwedew (links) und Wladimir Lissin (rechts) bei Besuch von NLMK 440 Kilometer südlich von Moskau.

Russlands ehemaliger Präsident Dmitri Medwedew (links) und Wladimir Lissin (rechts) bei Besuch von NLMK 440 Kilometer südlich von Moskau.

Wladimir Lissin hat sich in der Vergangenheit nur selten zu politischen Themen geäußert. Doch einige Wochen nach dem brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine und den ersten Sanktionspaketen des Westens ging er an die Öffentlichkeit. Der laut „Forbes“-Magazin reichste Russe sprach im russischen „Kommersant“ von einer „humanitären Katastrophe“ und zeigte Verständnis, dass der Westen mit allen Mitteln den „Tod von Menschen“ zu stoppen versuche – auch mit Sanktionen.

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+++Alle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine+++

„Forbes“ schätzte am 11. März das Vermögen des Oligarchen auf 18,4 Milliarden US-Dollar. Es stammt fast ausschließlich aus dem Stahlgeschäft: Als in den 1990er-Jahren zahlreiche sowjetische Staatsbetriebe privatisiert wurden, arbeitete Lissin in der Trans-World-Gruppe, Russlands größtem Aluminium- und Stahlkonzern.

Dann teilte sich der Konzern auf, Lissin übernahm eine Sparte des Unternehmens und gilt in Russland längst als „Stahlbaron“. Seine NMLK Group ist heute einer der größten russischen Hersteller von Stahlprodukten.

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Seit 2014 soll Lissins Unternehmen Stahl an russische Staatskonzerne geliefert haben, die direkt an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind. Das berichtet „Radio Free Europe“. Es handele sich dabei unter anderem um das Sababachin-Institut für Technische Physik, eines der russischen föderalen Nuklearzentren des Landes.

Laut dem Bericht entwickelt und testet die russische Einrichtung nukleare und thermonukleare Munition. Es gebe zudem Stahllieferverträge von 2014, 2015, 2016, 2017 und 2019 für ein weiteres Unternehmen, das Komponenten für Atommunition herstellt. Für die Zeit nach 2019 fehlen öffentliche Daten. Auch Unternehmen, die Kampffahrzeuge und Flugabwehrsysteme herstellen, seien in der Vergangenheit von Lissins Konzern beliefert worden.

Die NMLK Group hat auch im Westen Niederlassungen. Der Konzern operiert inzwischen in den USA, Belgien, Frankreich, Dänemark und Italien. Hierzulande lieferte Lissins Unternehmen Stahl für den Bau des Fehmarnbelttunnels zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland. Auch in Deutschland vertreibt die NMLK Deutschland GmbH Stahlprodukte.

In Europa ist Lissin fest verwurzelt, auch wegen seines sportlichen Engagements. Er ist Präsident der „International Shooting Sport Federation“ (ISSF) mit Sitz in München, dem Weltverband der Sportschützen. Auch die europäische Präsidentschaft hat er inne. 60 Kilometer nördlich von Moskauer baute der Oligarch den Sportschießklub „Foxland“ mit Luxushotel und Hubschrauberlandeplatz. Die Suite kostet für eine Nacht so viel wie ein halbes Monatseinkommen in Russland. Bereits der russische Präsident Wladimir Putin soll schon einmal auf dem Schießplatz geschossen haben.

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Doch Sanktionen gegen Lissin hat die EU auch nach sieben Sanktionspaketen nicht verhängt. In der Sanktionsliste sind zwar die Namen von vielen Oligarchen wie dem ehemaligen Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch aufgeführt. Doch Lissins Name fehlte bisher immer in der Liste der mehr als 1200 sanktionierten Russen. Auch die USA und Großbritannien haben ihn bisher auf keine Sanktionsliste genommen. Nur Australien hat ihn sanktioniert.

Warum Lissin auf keiner Sanktionsliste steht, wollten auf Nachfrage von „Radio Free Europe“ weder die EU noch Großbritannien erklären. NLMK wies die Vorwürfe zurück und sagte dem RND, man habe keine Produkte zu militärischen Zwecken prodiziert. Vielleicht liegt es tatsächlich an der guten Vernetzung. Der einzige Weg, nicht auf der Sanktionsliste zu landen sei langwierige politische Lobbyarbeit, sagte Andreas Geiger „Politico“, der eine Lobby-Firma betreibt. Inzwischen verbietet aber ein Sanktionspaket europäischen Unternehmen, Lobbyarbeit für Russen oder die russische Regierung zu betreiben.

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Dieser Artikel wurde am 27. September um ein Statement von NMLK ergänzt.

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