Rotieren, beugen, strecken und entlasten. Es gibt viele Übungen, um den Rücken zu stärken, Schmerzen zu lindern und auch, um Operationen zu vermeiden. Doch nicht nur regelmäßiges Training und Muskelaufbau helfen, um Rückenproblemen vorzubeugen, sagt Luna Escobar Blanco. Die Physiotherapeutin vom Kieler Institut für Trainingstherapie (KITT) plädiert für einen ganzkörperlichen Einsatz, um Rückenschmerzen zu behandeln – das biopsychosoziale Modell.
„80 Prozent aller Menschen in Deutschland haben im Laufe des Lebens Rückenschmerzen“, so Luna Escobar Blanco. „Bei 90 Prozent aller Beschwerden handelt es sich aber nicht um einen strukturellen Schaden. Es findet sich keine Ursache für den Schmerz“ Der Grund für die Probleme können zwar Verspannungen oder Verklebungen sein, doch wodurch die muskulären Beschwerden ausgelöst werden, ist häufig ungeklärt.
Rückenprobleme: Nicht nur Bewegungsmangel ist schuld an Schmerzen

„Es ist falsch zu glauben, dass nur eine schlechte Sitzposition oder zu wenig Bewegung Rückenprobleme auslösen“, sagt die therapeutische Leiterin am KITT. Oftmals sind die Hintergründe ganz andere. „Stress, Schlafqualität, Ernährung oder zu wenig Erholung können ebenfalls zu Rückenschmerzen führen.“ Daher wirbt Luna Escobar Blanco dafür, auch mentale Faktoren beim Kampf gegen Rückenschmerzen in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls den Alltag anzupassen.
Den Kampf gegen die Probleme vergleicht sie mit dem Pflegen einer Pflanze. „Wenn eine Pflanze eingeht, reicht es oftmals nicht, sie einfach nur zu gießen. Man muss eine gute Umgebung schaffen, dafür sorgen, dass sie ausreichend Licht und Wärme bekommt.“
Tipps gegen Rückenschmerzen: Sitzposition auf dem Bürostuhl ändern
Doch selbst wenn zu wenig Schlaf oder zu viel Stress der Auslöser für Verspannungen sind, können kleine Übungen zu Hause oder auch auf dem Bürostuhl den Rücken stärken und dafür sorgen, dass die Probleme ausbleiben oder weniger werden.
Luna Escobar Blanco spricht von Bewegungssnacks", die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, sogar im Sitzen. „Sitzen per se ist nicht schlecht. Die Gefahr besteht darin, zu lange starr in einer Position zu verharren und die Muskeln dauerhaft anzuspannen." Die Physiotherapeutin empfiehlt regelmäßige kleine Bewegungsänderungen auf dem Schreibtischstuhl. ,,Wichtig ist, dass man aus Mustern ausbricht." Ihr Tipp: die Beine überschlagen, das Becken vor- oder zurückschieben, den Oberkörper dehnen, die Schultern rotieren.
Seit Homeoffice durch Corona: Mehr Patienten mit Rückenschmerzen
Dabei sollte man keine Hemmung haben, sich auch mal auf dem Stuhl zu lümmeln, auch wenn das bei Kollegen oder Chefs einen unprofessionellen Eindruck hinterlassen könnte, erklärt Luna Escobar Blanco. ,,Man soll für sich die Sitzposition finden, mit der man sich wohlfühlt."
Seit durch Corona immer mehr Menschen im Homeoffice sind, habe die Anzahl an Rückenpatienten in seiner Praxis zugenommen, sagt Dr. KITT-Geschäftsführer Thorsten Schmidt. Etwa 70 Prozent aller Patienten kämen aufgrund von Rückenproblemen zur Physiotherapie. Unter Anleitung machen sie Übungen mit und ohne Geräte und bekommen kleine Hausaufgaben mit nach Hause. Etwa ,,Katze-Kuh", eine Übung, bei der man auf dem Boden kniet und abwechselnd den Rücken zu einem Buckel einrollt und sich dann wieder streckt, oder auch Kniebeugen. Eine Übung sollte aus zehn bis 15 Wiederholungen bestehen und drei Sets betragen.


Rückenprobleme: Übungen auch unter leichten Schmerzen machen
Es spreche nichts dagegen, sich auch bei Rückenschmerzen weiter körperlich zu betätigen, sagt Schmidt, der davor warnt, eine Schonhaltung einzunehmen. Allerdings sollten Patienten beim Training und der Belastung nicht übertreiben. ,,Leichter Schmerz ist okay. Auf einer Skala von eins bis 10 sollte der Schmerz aber unter fünf bleiben."
Auch ohne Rückenprobleme raten Luna Escobar Blanco und Thorsten Schmidt zu täglichen Übungen - nicht nur um Schmerzen vorzubeugen, sondern auch für das eigene Wohlbefinden. Schmidt: Für die Selbstwirksamkeit sind Sport und Bewegung ganz wichtig. Es sind Elemente, die glücklich machen. Das haben Studien bewiesen." Steffen Müller