„Weiter entfernt als bisher gedacht“

Teurer Fehlschlag: VW und Ford stoppen Milliardenprojekt zum autonomen Fahren

Das Markenhochhaus von Volkswagen auf dem Gelände des Autokonzerns in Wolfsburg.

Das Markenhochhaus von Volkswagen auf dem Gelände des Autokonzerns in Wolfsburg.

Vor einem Jahr war Bryan Salesky noch Vorzeigegast von VW auf der Automesse IAA, jetzt ist sein Unternehmen Argo AI wohl bald Geschichte: Volkswagen und Ford drehen dem Spezialisten für autonomes Fahren den Geldhahn zu. Die Wolfsburger haben nach eigenen Angaben bereits einen neuen Partner. Autonomes Fahren bleibe „Kernbestandteil“ der VW-Strategie, sagte Konzernchef Oliver Blume. Auch andere Gemeinschaftsprojekte mit Ford sollen weitergehen.

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Der Fehlversuch mit Argo wird allerdings teuer. Ford und VW hatten sich an dem amerikanischen Start-up beteiligt und Milliarden investiert. Ford hat sofort 2,7 Milliarden Dollar abgeschrieben, bei Volkswagen wäre es wohl die gleiche Größenordnung. Bisher kündigen die Wolfsburger offiziell nur an, nicht weiter in Argo AI zu investieren. Die unvermeidliche Abschreibung dazu dürfte mit den VW-Quartalszahlen an diesem Freitag folgen.

2019 hatten VW und Ford große Ambitionen mit Argo

Die beiden Autokonzerne hatten sich 2019 mit großen Ambitionen geeinigt, gemeinsam die Technik für Roboterautos zu entwickeln. Sie halten bisher je 40 Prozent an der von Bryan Salesky 2016 mitgegründeten Argo AI. Bei den Deutschen ist VW Nutzfahrzeuge für das Projekt zuständig. Getestet wird die Technik im ID. Buzz, erster Nutzer soll der konzerneigene Fahrdienstleister Moia sein. Der Konzern bleibt bei seinem Ziel, dass Moia-Kundinnen und Moia-Kunden 2025 in Hamburg den autonom fahrenden Minivan buchen können.

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Der bisherige Partner Ford dagegen scheint seine Ambitionen deutlich zu bremsen. Das autonome Fahren nach Level vier – der zweithöchsten Stufe – sei von kommerzieller Anwendung weiter entfernt als bisher gedacht, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Ford werde seine Investitionen deshalb auf eigene Entwicklungen für Level zwei+ und drei – hochautomatisiertes Fahren – konzentrieren.

Das VW-Projekt läuft also ohne Ford und Argo weiter, dafür aber mit einem anderen Partner. Den Namen nennt VW noch nicht, als Favorit gilt in Branchenkreisen die Intel-Tochter Mobileye, mit der VW bereits in anderen Bereichen zusammenarbeitet. Sie ist auch am ID.-Buzz-Testprojekt in München beteiligt. Zudem will man sich das Know-how von Argo AI sichern und Personal übernehmen. Den gut 280 Beschäftigten der deutschen Tochter Argo GmbH hat VW bereits ein Angebot gemacht.

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Es zählen „Fokus und Geschwindigkeit“

„Gerade bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien zählen Fokus und Geschwindigkeit“, begründete Blume den Ausstieg. „Unser Ziel ist es, unseren Kundinnen und Kunden die leistungsfähigsten Funktionen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzubieten und unsere Entwicklung möglichst kosteneffizient aufzustellen.“

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Offenbar waren beide Partner mit den Fortschritten bei Argo unzufrieden und nicht bereit, weiteres Geld nachzuschießen. Dem Start-up sei es auch nicht gelungen, neue Investoren anzuziehen, erklärte Ford. Auch bei VW hat sich mit dem Führungswechsel von Herbert Diess zu Oliver Blume offenbar die Stimmung geändert. In seiner Funktion als Porsche-Chef hatte Blume bereits angekündigt, dass die Luxusmarke in der Softwareentwicklung eigene Wege gehen und das autonome Fahren mit einem anderen Partner vorantreiben werde. Auch hier wurde noch kein Name genannt.

Den Autoherstellern fehlt das Know-how

Die Technologie ist extrem anspruchsvoll, den klassischen Autoherstellern fehlt das Know-how. Als führend bei Roboterautos gilt Waymo, eine Tochtergesellschaft des Google-Konzerns Alphabet. VW fährt bei dem Thema schon seit einiger Zeit mehrgleisig. So konzentrierte sich die Zusammenarbeit mit Argo auf kommerzielle Anwendungen wie Taxi- und Transportdienste mit Roboautos.

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Als erster Autohersteller hat Mercedes-Benz in Deutschland eine Lizenz zum hochautomatisierten Fahren der Stufe drei erhalten. Seit 2017 ist das nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) auf deutschen Autobahnen zugelassen – wenn auch mit etlichen Einschränkungen. Ein Selbstversuch mit dem neuen Elektroflaggschiff EQS.

Parallel soll die konzerneigene Softwaretochter Cariad die Systeme für normale Pkw entwickeln – mit zwei weiteren Partnern: Für China holte man den dortigen Horizon-Konzern an Bord, für den Rest der Welt ist es der deutsche Zulieferer Bosch. Hier geht es zunächst um die Vorstufen des autonomen Fahrens, erste Funktionen sollen bereits 2023 verfügbar sein.

Neuaufstellung des Softwarebereichs bei VW

Auch Cariad gehört aktuell allerdings zu den Problemfällen bei VW. Herbert Diess hat in dem neu gegründeten Unternehmen Tausende Softwarespezialisten aus allen Teilen des Konzerns zusammengeholt und wollte Cariad zu einem der größten Softwarekonzerne Europas machen. Die Startphase war allerdings extrem schwierig, es gab Verzögerungen bei neuen Softwaregenerationen, die auch verspätete Starts neuer Automodelle zur Folge haben.

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Das traf nicht zuletzt Porsche beim geplanten elektrischen Macan – und machte Blume zu einem internen Cariad-Kritiker. In seiner neuen Rolle als Konzernchef gilt die Neuaufstellung des Softwarebereichs als seine dringendste Aufgabe.

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