Was Deutschland und Europa vom spanischen Energiepreisdeckel lernen können
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Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez.
© Quelle: IMAGO/Mike Schmidt
Madrid. Dass Deutschland in den Energiemarkt eingreifen will, um Strom- und Gaskunden finanziell zu entlasten, wird in Spanien aufmerksam verfolgt. Spanien wagt solche Eingriffe schon länger und hat damit Erfolg – wenn der Erfolg an der Stromrechnung gemessen wird. Wahrscheinlich hat die „iberische Ausnahme“, für die sich im Frühjahr Ministerpräsident Pedro Sánchez und sein portugiesischer Kollege António Costa in Brüssel stark machten, aber auch unbeabsichtigte Nebeneffekte.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der spanischen Business School Esade nennt das hiesige System „die drastischste Maßnahme innerhalb Europas, um den Anstieg der Energiepreise zu steuern“. Spanien wagt es, in einen seit Langem eingespielten europäischen Preismechanismus einzugreifen, nach dem Strom so viel kostet, wie der teuerste Stromproduzent verlangt.
Der europäische Preismechanismus befördert die Energiewende
Wer billigeren Strom anbieten kann, bekommt trotzdem den höheren Preis und macht also ein gutes Geschäft – was ein Anreiz für alle Anbieter ist, auf die billigere Technologie umzusteigen. Und billig sind zurzeit die erneuerbaren Energien, während Strom aus Kohle, Öl und Gas teuer ist. Der europäische Preismechanismus befördert die Energiewende.
Jetzt aber sind die Gas- und damit die Strompreise explodiert. Die Esade-Studie geht für dieses Jahr von einer dreimal höheren spanischen Gesamtenergierechnung aus als im Vorjahr. Um die Haushalte zu entlasten, beschloss die spanische Regierung einen Preisdeckel für Gas, das zur Stromproduktion genutzt wird (Kohle und Öl spielen in Spanien fast keine Rolle).
Studie errechnet bis zu 25 Prozent Ersparnis für spanische Haushalte
Damit können die Gaskraftwerke den Strom billiger anbieten, als sie es ohne diesen Deckel könnten, womit aller Strom billiger wird – auf Kosten der Gewinnspanne der Anbieter von nachhaltiger oder Atomenergie. Die Autoren der Esade-Studie errechnen für die 10 Millionen spanischen Haushalte mit flexiblem Stromtarif zwischen Mitte Juni und Ende August eine Ersparnis von fast 25 Prozent.
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Ringen ums Öl: Besuch auf Deutschlands einziger Bohrinsel Mittelplate
Weil die Bundesregierung ab Jahresende kein russisches Öl mehr importieren will, rückt die jahrelang vernachlässigte heimische Förderung wieder in den Fokus. Reserven, diese zu steigern, gäbe es. Die Widerstände allerdings sind groß, wie ein Besuch auf der einzigen deutschen Bohr- und Förderinsel Mittelplate zeigt.
Die Differenz zwischen dem Marktpreis für Gas und dem gedeckelten Preis zahlt nicht der Staat, sondern die Stromkunden selbst – weil aber ohne Preisdeckel dieselbe Differenz für alle Elektrizität, auch die aus Sonne, Wind und Kernspaltung, zu bezahlen wäre, lohnt sich die Sache. Ein komplexes Modell mit einer Schattenseite: Der Gasverbrauch für die Stromproduktion ist in Spanien in diesem Sommer enorm gestiegen.
Dafür gibt es noch andere Gründe als den Preisdeckel, aber eine Rolle hat er bei dieser unerwünschten Verschiebung ziemlich sicher gespielt. Die Esade-Autoren sprechen von einer „Erosion der Anreize, den Verbrauch fossiler Energien zu reduzieren“. Doch ohne solche Eingriffe in den Markt wären die sozio-ökonomischen Auswirkungen der Preissteigerungen vielleicht derart, dass sie die gesellschaftliche Unterstützung für die Energiewende „auf lange Sicht beschädigen“ könnten.