Warum die Weltwirtschaft ohne Taiwan am Abgrund stünde
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Taipeh: Ein Militärhubschrauber zieht während der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag eine riesige Taiwan-Fahne hinter sich her. (Archivbild)
© Quelle: Daniel Ceng Shou-Yi/ZUMA Press W
Peking. Die Drohungen sind bereits seit Jahren martialischer geworden, doch in Deutschland haben wir sie kaum wahrgenommen. Immer offener spricht Chinas Regierungschef Xi Jinping darüber, die „abtrünnige Provinz“ Taiwan „zurück zum Mutterland“ zu führen – notfalls auch mit militärischer Gewalt.
Spätestens seit der russischen Invasion in der Ukraine wird die Taiwan-Frage zumindest in heimischen Vorstandsetagen debattiert: Welche Folgen hätte es, wenn Pekings Militärtruppen den demokratischen Inselstaat einnehmen würden?
Noch vor wenigen Monaten erschien ein solches Szenario nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch sehr weit weg. Taipeh liegt immerhin über 9.000 Kilometer von Berlin entfernt, ist eine Insel von der Größe Baden-Württembergs und hat weniger als 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Doch wirtschaftlich sind wir weitaus enger mit dem kleinen Nachbar Chinas verbunden, als den meisten bewusst ist.
Taiwan produziert leistungsstarke Halbleiter für die ganze Welt
Das hat vor allem mit einem Unternehmen zu tun: TSMC, kurz für „Taiwan Semiconductor Manufacturing Company“. Der 1987 gegründete Konzern ist der weltweit größte Auftragsfertiger für Halbleiter, und das mit atemberaubendem Abstand. Der Marktanteil von TSMC im Bereich Computerchips beträgt über 50 Prozent.
Vor allem sind die Taiwanerinnen und Taiwaner auch technologisch führend: Denn während simple Chips von unzähligen Konkurrenten produziert werden können, beherrschen nur ganz wenige Unternehmen, wirklich leistungsstarke Halbleiter zu produzieren.
Bereits seit der Pandemie zeigt sich, welch globale Auswirkungen ein Mangel an Halbleitern hat. Laptops und Smartphones werden später ausgeliefert, die Autoproduktion muss gedrosselt werden. Wie abhängig die heimische Wirtschaft von Taiwans Chips ist, zeigte sich auf eindrückliche Weise im Januar 2021: Damals schrieb Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier einen Bittstellerbrief an die Regierung Taiwans, in dem er um Unterstützung für die heimische Autoindustrie bat. Das ist höchst ungewöhnlich, schließlich unterhält Deutschland – auf Druck von China – nicht einmal offizielle diplomatischen Beziehungen zum Inselstaat.
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Hält der „Silizium-Schutzschild“?
Es gibt nicht wenige Expertinnen und Experten, die argumentieren, dass Taiwan als Chiphochburg derart wichtig ist, dass der „Silizium-Schutzschild“ als Abschreckung wirkt. Denn auch die chinesische Wirtschaft ist hochgradig abhängig von den Zulieferungen aus Taiwan. Ein Krieg könnte zur Folge haben, dass die weltweit führende Halbleiterinfrastruktur über Nacht zerstört wird.
Nicht wenige Kommentatorinnen und Kommentatoren glauben jedoch an einen umgekehrten Rückschluss: Der technologische Vorsprung des kleinen Inselstaats, dem die Weltmacht China trotz riesiger Milliardeninvestitionen nach wie vor hoffnungslos hinterher hechelt, könnte ganz im Gegenteil einen zusätzlichen Anreiz zur Invasion bieten: Schließlich könnte Peking darauf spekulieren, sich die Chiphochburg unter den Nagel reißen zu wollen.
Fabian Kretschmer ist Peking-Korrespondent des RND. Wie die Chinesen und Chinesinnen das 21. Jahrhundert erobern wollen, erklärt er in der Kolumne „Weltwirtschaft“, die er im Wechsel mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Washington, London, Brüssel sowie für Russland und Osteuropa schreibt.