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Gewerkschaft warnt

IG BCE hält Entwarnung in Energiekrise für verfrüht: „Sind noch nicht über den Berg“

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).

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Berlin. Die Gewerkschaft IG BCE warnt davor, die Energiekrise zu früh als erledigt zu betrachten. Zwar gebe es erfreuliche Entwicklungen wie sinkende Energiepreise oder eine sich stabilisierende Versorgungslage beim Gas, „Meldungen, nach denen wir schon über den Berg sind, kann ich aber für die energieintensive Industrie nicht bestätigen“, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis bei seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz am Montag in Hannover.

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Er erwarte, dass die eigentliche Bewährungsprobe erst in diesem Jahr anstehe, wenn mittelfristige Versorgungsverträge oder Absicherungen gegen Preisrisiken auslaufen, so Vassiliadis wieder. „Der Peak des Preises war nicht der Peak des Problems.“

Zudem werde der Gaspreis selbst im besten Fall immer noch doppelt so hoch liegen, wie vor der Krise, sagte der Gewerkschaftschef und prophezeite: „Das wird Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit haben.“ Gerade bei Unternehmen der chemischen Industrie wie BASF oder Covestro, die traditionell viel Gas verbrauchen, müsse man mit Wertschöpfungsverlusten, Produktionsrückgängen und schlimmstenfalls auch Verlagerungen rechnen, so Vassiliadis. „Ich gehe davon aus, dass wir diese Thema bald kennenlernen werden.“

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Immerhin: Mit einer steigen Arbeitslosigkeit rechnet die IG BCE trotz alledem nicht. Dafür sei der Fachkräftemangel inzwischen viel zu groß.

Die demographische Entwicklung und das Fehlen von Arbeitskräften rücke auch für die Gewerkschaften immer mehr in den Mittelpunkt. „Der Wert von Arbeit in Form von Knappheit ist am Markt angekommen“, sagte Vassiliadis. Das werde man bei künftigen Tarifverhandlungen „einpreisen“, kündigte er an.

„Deutschland ist nicht mehr die „Apotheke der Welt“

Wegen der Versorgungsprobleme bei etlichen wichtigen Medikamenten forderte der Gewerkschaftsboss den Aufbau einer strategischen Arzneimittelreserve für Europa. „Deutschland war einmal die Apotheke der Welt, das sind wir nicht mehr“, klagte Vassiliadis. Man brauche eigene Notbestände zentraler Pharmaprodukte. „Das muss man jetzt gemeinsam besprechen.“ Notwendig sei auch eine mehrfach abgesicherte Produktion „versorgungskritischer Wirkstoffe“, für die es bisher mitunter nur eine einzige Anlage weltweit gebe.

Bei einigen Grundarzneien wie Schmerzmitteln und Fiebersäften für Kinder, stellenweise jedoch auch bei Krebsmedikamenten herrschten zuletzt Engpässe. Vor allem Basissubstanzen kommen inzwischen aus Indien oder China. Vassiliadis sagte, auf diesem „strategischen Feld“ sei ein Frühwarnsystem hilfreich. Versorgungssicherheit müsse künftig Kernkriterium sein.

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Die Pharmabranche und auch die Chemie insgesamt als drittgrößter deutscher Industriesektor bräuchten eine verlässlichere Planung, auf welche Technologien in den kommenden Jahren vorrangig gesetzt werden solle. „Deswegen erwarten wir auch von Kanzler Scholz, dass wir uns perspektivisch treffen“, sagte Vassiliadis. „Dabei geht es nicht nur um Krisenbewältigung, sondern um die Frage: Wo wollen wir hin mit dieser Industrie?“

mit Material von dpa

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