Raupen sollen Kreuzkraut wegfressen
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Die Raupen des Blutbären-Schmetterlings sind nur wenige Zentimeter groß und ernähren sich ausschließlich von Jakobskreuzkraut.
© Quelle: Agentur 54°
Süsel. Kathrin Schwarz nimmt eine Handvoll Raupen des Blutbären-Schmetterlings aus einer Kiste und setzt sie vorsichtig an den Stängel einer Jakobskreuzkraut-Pflanze (JKK). Sofort kriechen die gelb-schwarz geringelten Tiere zu den Blüten. „Die fressen sie am liebsten, denn dort befinden sich die meisten Pyrrolizidinalkaloide“, erklärt Schwarz. Die Doktorandin des Instituts für Natur- und Ressourcenschutz der Uni Kiel erforscht in Kooperation mit der Stiftung Naturschutz, wie stark die Raupen das Kraut schädigen und auf diese Weise das Massenvorkommen der giftigen Pflanze eindämmen können.
Entsprechende Forderungen wurden zuletzt immer lauter – insbesondere seitdem in schleswig-holsteinischen Sommerhonigen vermehrt Giftstoffe nachgewiesen wurden. In drei Viertel der Proben wurden im vergangenen Jahr die als krebserregend geltenden Pyrrolizidinalkaloide gefunden, die das Jakobskreuzkraut enthält.
Die Stiftung Naturschutz will die Pflanze mit umweltfreundlichen Methoden eindämmen. Auf einem Feld in der Nähe von Süsel (Ostholstein) hat Kathrin Schwarz deshalb gestern die ersten 500 Schmetterlingsraupen ausgesetzt. Der Pächter hält auf der Fläche Galloway-Rinder und hat eigenen Angaben zufolge bereits seit zehn Jahren mit der Ausbreitung des Jakobskreuzkrauts zu kämpfen.
Weitere neun Standorte sollen in den kommenden Tagen ebenfalls mit Raupen besiedelt werden. Diese wurden in einem Gewächshaus auf dem Unigelände in Kiel gezüchtet. „Dadurch stellen wir sicher, dass sie noch nicht von Parasiten befallen sind“, sagt Schwarz. Die Insekten sind bereits vier Wochen alt. Das bedeutet: Viel Zeit, um die Pflanzen aufzufressen, haben sie nicht mehr. Mit sechs Wochen verpuppen sie sich und überwintern so an der Pflanze, bevor dann im Mai kommenden Jahres ein auffälliger schwarz-roter Schmetterling entsteht. Dieser nehme zwar keine Nahrung mehr auf, sagt die Biologin. „Aber jedes Weibchen legt rund 300 Eier.“ Die Raupen schlüpfen von Mitte Juni an, genau zur beginnenden Blütezeit des Jakobskreuzkrauts. Sie ernähren sich ausschließlich von der Pflanze.
Nach den Blüten machen sie sich der Biologin zufolge an den Blättern und zuletzt sogar an den Trieben zu schaffen. Die Hoffnung der Wissenschaftler ist, dass die „befallenen“ Pflanzen absterben oder zumindest nicht mehr aussamen. „Die giftigen Pyrrolizidinalkaloide lagern die Raupen im Körper ein“, berichtet Schwarz. „Deshalb schmecken sie Vögeln nicht und werden von ihnen gemieden.“
Ziel des Projekts sei es, „der Natur auf die Sprünge zu helfen, indem wir die Population der natürlichen Feinde verstärken“, sagt Aiko Huckauf, Leiter des JKK-Kompetenzzentrums der Stiftung Naturschutz. Für den massenhaften Einsatz ist die Methode aufgrund des hohen Aufwands aber kaum geeignet – das gibt auch Huckauf zu. „Wir müssen noch erforschen, wie viele Raupen wir pro Feld brauchen, um das Jakobskreuzkraut wirklich nachhaltig zu schädigen“, sagt Schwarz. Auf den zwei bis zehn Hektar großen Versuchsflächen würden mal – wie in Süsel – 500 Raupen ausgesetzt, an anderen Stellen nur 50 Stück.
Die Idee mit den Raupen sei nicht neu, sagt Huckauf. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts sei das Verfahren in Nordamerika, Neuseeland und Australien „mit großem Erfolg“ angewendet worden. „Wir sind aber die Ersten, die es hierzulande testen“, sagt Kathrin Schwarz. In den anderen Ländern sei der Blutbär nicht heimisch, deshalb habe er dort auch keine natürlichen Fressfeinde. In Deutschland sehe die Ausgangssituation anders aus, hier gebe es zum Beispiel die Schlupfwespen.
Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit rund 200000 Euro gefördert. Es ist auf drei Jahre angelegt, erst dann soll es Ergebnisse geben. 2018 will die Wissenschaftlerin die Forschung noch auf den Flohkäfer ausweiten – einen weiteren Fressfeind des Jakobskreuzkrauts.
Weitere Forschung läuft
Bereits 2015 startete die Stiftung Naturschutz unter dem Titel „Methoden der Zukunft“ ein auf fünf Jahre angelegtes Forschungsprojekt. Dabei werden an verschiedenen Orten in Schleswig-Holstein jeweils sieben naturschutzverträgliche Methoden getestet – vom Mähen des Feldes über ein Umbrechen des Ackers bis hin zum Aussäen von Konkurrenz-Pflanzenarten. „Ich hoffe, dass wir dort bereits dieses Jahr einen Trend erkennen können“, sagt Umweltmanager Aiko Huckauf.
Janina Dietrich
LN