Aus welchen Quellen kommt der Strom in Deutschland?
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Im Stromsektor ist von Sparbemühungen nichts zu spüren.
© Quelle: RND
Längst hat der russische Angriffskrieg Folgen auf die Energieversorgung. Zwei Stresstests des Bundeswirtschaftsministerium sollten prüfen, ob das Stromnetz im Winter gewährleistet ist - auch wenn die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet würden. An diesem Vorhaben will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) festhalten.
Lediglich als Notreserven sollen zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bis Mitte April dienen können. Das kündigte Habeck zur Vorstellung des Stresstests an.
Doch aus welchen Quellen wird hierzulande der Strom in das Netz eingespeist und wie sieht der Strommix derzeit aus? Wie hat sich die Zusammensetzung der verschiedenen Energieträger für die Stromerzeugung mit Kriegsbeginn entwickelt?
Derzeit wird immer noch mit Hilfe von Kernkraftwerken Strom gewonnen - wenn auch nur zu einem kleinen Teil. Die drei Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 waren im August 2022 mit 7,4 Prozent an der Stromversorgung beteiligt (August 2021: 15,1 Prozent). Der Erdgasanteil machte im August 2022 etwa 11,1 Prozent aus (August 2021: 6 Prozent), während der Braun- und Steinkohleanteil mit knapp 35,7 Prozent (August 2021: 26,7 Prozent) ein wichtiger Faktor in der deutschen Stromerzeugung blieb. Der Anteil der Erneuerbaren Energien lag bei fast 44,8 Prozent (August 2021: 50,7 Prozent). Sonstige Energieträger wie etwa durch Müllverbrennung lagen bei 1 Prozent (August 2021: 1,5 Prozent).
Stromsektor verbraucht sogar mehr Gas
Während die drohende Gasknappheit und die gestiegenen Kosten die Verbraucher zum Sparen animiert haben, ist im Bereich der Stromproduktion erstaunlich wenig passiert, wie eine Auswertung des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) belegt. Diese zeigt anhand von Daten der Bundesnetzagentur, wie sich die Stromerzeugung aus den verschiedenen Energieträgern seit Kriegsbeginn im Vergleich mit früheren Jahren entwickelt hat. Demnach hat sich im vergangenen Monat die aus Erdgas erzeugte Strommenge im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um fast 86 Prozent gesteigert.
Dass die Gasverstromung sogar ausgebaut wurde, obwohl ein deutlicher Rückgang angestrebt wurde, liegt an der Funktionsweise des deutschen und des europäischen Strommarktes. Hierzulande sind Ende 2021 drei Kernkraftwerke vom Netz gegangen. Aktuell sind damit nur noch drei Atomkraftwerke in Deutschland in Betrieb: Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2. Die aus Kernenergie gewonnene Strommenge hat sich in der Folge in etwa halbiert.
Windkraft bringt weniger Leistung
Auch wenn die Bedeutung der Erneuerbaren Energien für den Strommix kontinuierlich gestiegen ist, konnten sie die hinterlassene Lücke zuletzt nicht schließen. Zwar schien im Sommer relativ oft die Sonne, was die durch Photovoltaik gewonnene Strommenge erhöhte. Allerdings herrschte gleichzeitig oft Flaute, und die Windkraft blieb hinter der Leistung des Vorjahres zurück. Im Juli 2022 speisten Onshore- und Offshore-Anlagen jeweils nur halb so viel Windstrom ins Netz ein wie im gleichen Zeitraum 2021.
Trotz der erwartbaren Schwankungen auf dem Strommarkt hatte sich die Bundesregierung fest vorgenommen, den Anteil des Stroms aus Erdgas zu reduzieren. Zu diesem Zweck wurde im Juli das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz beschlossen, um befristet bis zum 31. März 2024 Kraftwerke aus der Reserve wieder ans Netz anzuschließen. Neben der bereits geltenden Regelung für Steinkohle- und Ölkraftwerke bereitet der Bund für Anfang Oktober auch eine Verordnung für das Wiederanfahren von bereits stillgelegten Braunkohlekraftwerken vor.
Bundesnetzagentur zeigt sich zufrieden mit Befüllung der Gasspeicher in Deutschland
Die Folgen der angekündigten Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 durch Russland lassen sich der Agentur zufolge noch nicht abschätzen.
© Quelle: Reuters
Die Steinkohlekraftwerke Heyden im Kreis Minden-Lübbecke in Nordrhein-Westfalen und Mehrum im niedersächsischen Landkreis Peine haben bereits wieder den Betrieb aufgenommen. Zusammen reichen die Kapazitäten der beiden Anlagen, um mehr als eine Million Haushalte zu versorgen. Die insgesamt aus Steinkohle produzierte Strommenge nahm deshalb zuletzt deutlich zu und dürfte künftig weiter steigen. Der Essener Energieversorger Steag hat bereits angekündigt, zwei weitere Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen. Voraussichtlich Anfang November werde man die beiden Kohlekraftwerke Quierschied und Bexbach im Saarland wieder in Betrieb nehmen.
Rückkehr der Kohle kann Gas nicht ersetzen
Doch trotz des verstärkten Einsatzes von Kohle bei der Stromproduktion fehlte zuletzt elektrische Energie – und musste aus Gas erzeugt werden. Verantwortlich dafür war auch die außergewöhnlich hohe Nachfrage aus dem Ausland. Insbesondere Frankreich, das in den vergangenen Jahren regelmäßig Strom nach Deutschland exportiert hatte, hat in diesem Jahr ausnahmsweise Strom importiert. Im Nachbarland ist derzeit mehr als die Hälfte der insgesamt 56 Atomreaktoren abgestellt. Viele Anlagen müssen außerplanmäßig gewartet werden, weil in einem AKW Korrosionsschäden entdeckt wurden.
Andere können wegen niedriger Pegelstände der Flüsse nicht mehr gekühlt werden. Nach den Daten der Denkfabrik Agora Energiewende wird seit gut zehn Tagen kontinuierlich überdurchschnittlich viel Strom nach Frankreich exportiert.
Nord Stream 1: Russland setzt Gaslieferung erneut aus
Deutschland ist besonders abhängig von russischem Gas und bemüht sich händeringend um andere Zulieferer.
Mehr Strom exportiert als importiert
Die hohen Temperaturen haben auch der Schweiz zu schaffen gemacht. Wegen der anhaltenden Trockenheit stand dort weniger Strom aus Wasserkraft zur Verfügung. Auch dorthin hat Deutschland große Mengen Strom geliefert. Zwar sei all das „aus Gasgesichtspunkten nicht wünschenswert“, kommentierte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Aber es habe etwas mit „nachbarschaftlicher Solidarität“ zu tun.
Demgegenüber standen Einfuhren aus Dänemark, das dank des Ausbaus erneuerbarer Energien mittlerweile ein Stützpfeiler der deutschen Stromversorgung geworden ist. Ohne die Überproduktion des nördlichen Nachbarn wäre in Deutschland womöglich noch mehr Erdgas in die Verstromung geflossen.
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