Uniper und die Gasumlage

Wie der Staat den Gasmarkt wieder unter Kontrolle kriegen will

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) sind vor Sonnenaufgang zu sehen.

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) sind vor Sonnenaufgang zu sehen.

Frankfurt am Main. Die Bundesregierung nimmt viele Milliarden Euro in die Hand, um den Energiekonzern Uniper zu verstaatlichen. Damit soll ein Kollaps der Gasversorgung abgewendet werden. Zugleich ist geplant, schon im Oktober doch noch die neue Gasumlage einzuführen, von der vor allem Uniper profitieren würde.

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„Die heutige Einigung schafft Klarheit über die Eigentümerstruktur, ermöglicht es uns, unser Geschäft fortzuführen und unserer Rolle als systemkritischer Energieversorger gerecht zu werden“, sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach am Mittwoch. Die Gasversorgung von Stadtwerken, Unternehmen und Verbrauchern werde gesichert. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Lage für Uniper habe sich zuletzt deutlich verschlechtert. Das Land werde mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, die Maßnahmen müssten ständig nachgeschärft werden.

Der deutsche Staat produziert Strom in Russland

Zunächst hatte Habeck gehofft, an der Verstaatlichung vorbei zu kommen. Auch, weil damit quasi nebenbei ausgerechnet unter dem grünen Wirtschaftsminister die Regierung ein Unternehmen übernimmt, das in Schweden an zwei Atomkraftwerken beteiligt ist und in Russland mehrere Kohle- und Gaskraftwerke betreibt. Doch die Übernahme war unvermeidbar geworden.

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Die Eckdaten: Die Bundesregierung setzt bei Uniper eine Finanzspritze von 8 Milliarden Euro, indem sie neue Aktien zum Vorzugspreis von 1,70 Euro pro Stück erwirbt. Zum gleichen Preis kauft sie dem finnischen Energiekonzern Fortum seine Mehrheitsbeteiligung ab, was noch einmal 480 Millionen Euro ausmacht. Damit hält der Staat fast 99 Prozent der Anteile.

Die zweite Säule des Rettungspakets: Die staatliche KfW-Bank stellt zusätzlich 4 Milliarden Euro an Krediten zur Verfügung, hinzukommen Garantien für weitere Darlehen in gleicher Höhe. Damit soll vor allem ein Kredit von Fortum an Uniper über 7,5 Milliarden Euro abgelöst werden.

Uniper war komplett abhängig von Russland

Es ist bereits das zweite milliardenschwere Hilfspaket. Die Uniper-Rettung hat nun insgesamt ein Volumen von rund 30 Milliarden Euro. Dennoch kann der Mega-Deal zu einem profitablen Geschäft für den Staat werden, wenn Uniper wieder flottgemacht wird, die Kredite zurückgezahlt und die Aktien mit einem Plus an Investoren verkauft werden können.

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Uniper ist der größte deutsche Importeur des Brennstoffs, war aber fast vollständig von russischem Erdgas abhängig. Seit der Staatsmonopolist Gazprom seine Lieferungen immer stärker zurückfuhr und nun gar nicht mehr liefert, muss Uniper vermehrt extrem teures Gas kurzfristig an den Energiebörsen kaufen, kann es aber – wegen bestehender Lieferverträge – an Stadtwerke und Industrieunternehmen nur mit massiven Abschlägen weiterverkaufen.

December 8, 2017 - Sabetta, Russia - Russian President Vladimir Putin pushes the button to load the first tanker during the official launch of the Yamal LNG plant and export facility December 8, 2017 in Sabetta, Russia. The $27 billion dollar liquified natural gas facility in the Siberian Arctic is expected to help propel Russia into the top exporter of LNG competing with Qatar

Putin und das Gas: Er drückt wieder den Angstknopf

In Deutschland und Europa wächst die Sorge, dass die Energieversorgung ins Wanken gerät. Dabei hat der Kremlherr nicht alles in der Hand.

So entstehen gigantische Verluste, die der Finanzdienst Bloomberg auf mehr als 18 Milliarden Euro für das gesamte Jahr taxiert – einer der höchsten Fehlbeträge in der neueren deutschen Wirtschaftsgeschichte. Mit der Verstaatlichung, deren Umsetzung mehrere Monate dauern wird, dürfte es einfacher und preiswerter werden, Erdgas auf dem Weltmarkt zu beschaffen.

Gasumlage mit Fragezeichen

Doch schon ab Oktober könnte sich die Lage für das Unternehmen entspannen. Denn die Bundesregierung will an der umstrittenen Gasumlage vorerst festhalten. Für jede verbrauchte Kilowattstunde werden 2,4 Cent erhoben, mit denen Importeuren geholfen werden soll, die teuren Ersatz für russisches Gas kaufen müssen. Allerdings ist nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland noch immer nicht ganz klar, ob die Umlage rechtlich in Ordnung geht.

Gasumlage wird offenbar wie geplant durchgeführt

Nach der beschlossenen Verstaatlichung des Importeurs Uniper wird die Gasumlage zum Streitfall innerhalb der Bundesregierung.

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Eine endgültige Klärung durch das Finanzministerium stehe aus, heißt es. Neben Uniper würden vor allem die Firmen VNG und Sefe (früher: Gazprom Germania) profitieren. Letztere steht unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. VNG ist eine Tochter des Energiekonzerns EnBW, der mehrheitlich dem Land Baden-Württemberg und Kommunen gehört. Die juristisch nicht final geklärte Frage ist, ob eine Umlage für staatliche Unternehmen zulässig ist oder ob sie quasi – wenn überhaupt – in eine Steuer umgewandelt werden müsste.

Indes ist es dem Wirtschaftsministerium offenbar gelungen, den größten Kritikpunkt an der Umlage auszuräumen. Nämlich, dass von ihr auch Trittbrettfahrer profitieren können – also Unternehmen, die eine Unterstützung gar nicht benötigen. Nach RND-Informationen sollen nur Unternehmen, die zur „Marktstabilität“ beitragen, ein Anrecht auf die Umlage haben. Der Schwellenwert: Die Menge des nicht gelieferten russischen Gases muss mindestens einen Anteil von einem Prozent am gesamten Gasmarkt haben.

Ferner müssen die Firmen Verluste im operativen Geschäft machen und dürfen keine Boni auszahlen. Damit sollen Unberechtigte vom Trittbrett geschubst werden. Rund ein Dutzend Unternehmen hatte sich gemeldet. Zunächst soll eine Summe von 34 Milliarden Euro verteilt werden. Der allergrößte Teil davon geht an Uniper.

Indes spricht einiges dafür, dass die Umlage schon mit Beginn des neuen Jahres heraufgesetzt werden muss. Diese Gefahr bestehe, hieß es. Maßgeblich wird die Entwicklung des Gaspreises an den Energiebörsen sein.

Kritik von Verbraucherschützern

Die Verbraucherzentralen halten es indes für eine falsche Entscheidung, an der Umlage festzuhalten: „Die Bundesregierung sollte auf die geplante Gasumlage verzichten“, sagte Vorständin Ramona Pop am Mittwoch. Durch die Verstaatlichung von Uniper entfalle einer der wichtigsten Gründe für die Umlage. „Die höheren Beschaffungskosten für Energieversorger sollten stattdessen aus Steuermitteln getragen werden“, forderte Pop.

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Der Staat sollte in dieser Lage und bei einem lebensnotwendigen Gut nicht noch extra durch hohe Steuern zugreifen und er muss auch Unternehmen in dieser schwierigen Lage unterstützen.

Reiner Holznagel,

Präsident vom Bund der Steuerzahler

Nach Lesart der Verbraucherzentralen könnte ein ersatzloser Wegfall der Gasumlage allerdings dazu führen, dass Paragraf 24 des Energiesicherheitsgesetzes gezogen wird. Pop warnte, dass dies zu einer „ungedeckelten und kurzfristigen“ Weitergabe der höheren Beschaffungskosten an Verbraucherinnen und Verbraucher führen würde. „Die Ampel sollte deshalb den Paragraph 24 des Energiesicherungsgesetzes streichen“, erklärte die frühere Grünen-Politikerin.

Der Bund der Steuerzahler hat hingegen keine eindeutige Haltung zur Gasumlage: Wie es mit der weitergehe, müsse die Bundesregierung „schnellstmöglich“ klären, sagte Präsident Reiner Holznagel. „Hier gibt es viele offene Fragen“, erklärte er weiter. Wichtig sei, dass die versprochene Mehrwertsteuersenkung beim Gas komme. „Der Staat sollte in dieser Lage und bei einem lebensnotwendigen Gut nicht noch extra durch hohe Steuern zugreifen und er muss auch Unternehmen in dieser schwierigen Lage unterstützen“, sagte Holznagel.

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