Flutkatastrophe in Libyen: Was ist ein Medicane?
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Nachdem Daniel in Teilen Griechenlands für extreme Niederschlagsmengen gesorgt hatte, verlagerte er sich auf das östliche Mittelmeer.
© Quelle: EUMETSAT DWD
Das Sturmtief „Daniel“ hat in Libyen schwere Überschwemmungen verursacht. Wegen der Wassermassen sind viele Gebiete von der Außenwelt abgeschnitten. Es gibt Tausende Todesopfer, wie viele Menschen genau starben, ist bislang unklar ist.
Bei „Daniel“ handelt es sich jedoch nicht um ein gewöhnliches Sturmtief, sondern um einen Medicane. Was genau hat es damit auf sich?
Außenbereiche wirbeln um Mittelpunkt
„Ein Medicane ist eine Art Vorstufe des Hurrikans“, erklärte Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt vom Wetterdienst „Wetterkontor“ gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dabei handelt es sich um eine Wortschöpfung aus „Mediterranean“ (Mittelmeer) und „Hurricane“ und bezeichnet einen Wirbelsturm auf dem Mittelmeer.
Im Zentrum des Medicanes liegt wie beim Hurrikan das Auge, in dem Ruhe herrscht. Die Außenbereiche wirbeln um diesen Mittelpunkt und sind stürmisch und gefährlich, so Schmidt. Der größte Unterschied liege in ihrer Größe. „Ein Hurricane ist deutlich größer und stärker als ein Medicane“, so der Meteorologe. Als tropischer Sturm weist er bis zu 1500 Kilometer Durchmesser auf, bei dem subtropischen Medicane sind es lediglich 300 Kilometer.
Letztere erreichen Windgeschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometer und gehen mit starken Niederschlägen einher. Außerdem lösen sich Medicanes in der Regel innerhalb weniger Tage wieder auf, während ein Hurricane auch über eine Woche lang toben kann.
Aber wie genau konnte das Sturmtief „Daniel“ so eine Kraft entwickeln?
„Der Medicane ist ein Herbststurm“, so Schmidt gegenüber dem RND. Nach dem trockenen Sommer und durch die hohen Wassertemperaturen von bis zu 28 Grad Celsius finde der Medicane die perfekten Voraussetzungen. „Das noch warme Wasser liefert in dieser Zeit Energie, damit sich der Wirbelsturm bilden kann“, so Schmidt. Durch eine Temperaturdifferenz von warmem Wasser, warmer Luft und kalter Luft kondensiert Wasser, das in Wolken aufwirbelt und die sich dann in einem Strudel formieren.
Nach der Hitze kommt der Sturm
„Daniel“ entstand eine Woche vor den Überschwemmungen in Griechenland. Bis zum 7. September regnete es dort – und zwar in gigantischem Ausmaß. Griechische Meteorologinnen und Meteorologen meldeten 700 Liter je Quadratmeter in weniger als 24 Stunden. Dann nahm „Daniel“ Kurs aufs Mittelmeer, auf Libyen.
Flutkatastrophe: Stadt in Libyen rechnet mit bis zu 20.000 Toten
Der Bürgermeister der besonders schwer getroffenen Stadt Derna geht davon aus, dass die Zahl der Toten auf 18.000 bis 20.000 steigen könnte.
© Quelle: Reuters
Im erwärmten Mittelmeer verdunstete viel Wasser und die heiße Luft darüber saugte die Feuchtigkeit quasi wie ein Schwamm auf. Pro Grad Erwärmung kann Luft rund sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. In kühleren Luftschichten bilden sich dann Wolken.
„Daniel“ schob diese feuchten Wolkenmassen über das Mittelmeer. Das berichtete der Deutsche Wetterdienst. Am 10. September trafen sie dann als Medicane auf Libyen. Innerhalb der nächsten 24 Stunden wurden 414,1 Millimeter Regen in der Küstenstadt al-Baida und 170 Millimeter in Marawa gemessen. Im östlich davon gelegenen Darna wurden im selben Zeitraum 73 Millimeter Regen registriert. Im Durchschnitt fallen dort im September vier Millimeter Regen. Die Hafenstadt wurde deshalb so hart von „Daniel“ getroffen, weil südlich die beiden Staudämme brachen – und eine sieben Meter hohe Welle Teile der Stadt ins Meer spülte.
Wir haben diesen Artikel am 15. September 2023 umfassend aktualisiert. Die Einschätzungen von Meteorologe Schmidt zu Medicanes stammen aus dem Jahr 2021, als ein solcher Wirbelsturm die Insel Sizilien erfasst hatte.
RND/kb/vkoe