Vogelgrippe bei Nerzen und Seelöwen – wie gefährlich ist das für den Menschen?
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An der Vogelgrippe verendet: Auf diesem von der peruanischen Verwaltung der Naturschutzgebiete (Sernanp) zur Verfügung gestellten Bild wird ein toter Seelöwe am Strand untersucht.
© Quelle: ---/Sernanp/dpa
Das Vogelgrippevirus ist bislang vor allem für Wildvögel und Geflügel eine Gefahr. An der derzeit kursierenden Variante H1N5 waren im vergangenen Herbst aber auch Nerze auf einer Farm erkrankt. Nun sind in Peru fast 600 Seelöwen an dem Virus verendet. Ist der Erreger mutiert und kann sich nun leichter auch unter Säugetieren ausbreiten? Und welches Risiko besteht dadurch für Menschen?
Bei einem Meeting des Science Media Center diskutierten drei Forschende über das Thema. Es sei noch nicht sicher, wie das Virus in die Nerz-Farm eingeschleppt worden sei, sagte Ursula Höfle, die Expertin für Wildvögelkrankheiten ist an der University of Castilla-La Mancha tätig. Wahrscheinlich sei aber, dass es von Wildvögeln stammte, vermutlich von Möwen. Die Nerzkäfige seien im Freien aufgestellt, das Futter befinde sich oben auf den Käfigen, wo Wildtiere und Vögel Zugang hätten. Und es seien Ähnlichkeiten zu Viren festgestellt worden, die zuvor auch bei Möwen in derselben Region gefunden wurden. „Es gibt aber noch nicht genug Daten“, sagte Höfel.
Die Art, wie sich das Virus in der Nerzfarm ausgebreitet habe, deute darauf hin, dass sich die Nerze auch untereinander angesteckt haben könnten, sagte Höfel. Zudem sei eine Mutation festgestellt worden, die die Übertragbarkeit von Nerz zu Nerz begünstigt haben könnte. Sicher bewiesen ist eine leichtere Übertragung von Tier zu Tier allerdings noch nicht. „Sie müsste experimentell nachgewiesen werden“, so die Expertin.
Nicht voreilig falsche Schlüsse ziehen
Selbst wenn das Virus in der Nerzfarm von Tier zu Tier übertragen wurde, bedeute das nicht, dass nun alle Vogelgrippeviren diese Eigenschaft haben. Es sei vielmehr möglich, dass die Mutation innerhalb der Nerzfarm entstanden sei, sagte Höfel. Die über 50.000 Nerze, die dort gehalten wurden, waren nach dem Ausbruch der Vogelgrippe alle getötet worden. Und von den Angestellten der Farm hatte sich keiner infiziert.
Dass auch bei anderen Säugetieren wie Seelöwen Infektionen aufgetreten waren, könne zwar theoretisch an einer allgemein leichteren Übertragbarkeit des Virus auf Säugetiere liegen, so Höfel. Auch ein Zusammenhang zwischen den Infektionen bei Nerzen und Seelöwen sei aber nicht nachgewiesen. Es könnte sich um völlig unabhängige Ereignisse handeln, die durch andere Viruslinien ausgelöst wurden. Bisher gebe es dazu noch wenige Informationen, räumte die Forscherin ein.
Ian Brown, virologischer Leiter der britischen Animal and Plant Health Agency, warnte davor, voreilig falsche Schlüsse zu ziehen. Dass derzeit Infektionen bei einigen Säugetieren festgestellt wurden, sei noch kein Beweis dafür, dass das Virus zwischen diesen übertragen werde. Es gebe derzeit einfach mehr infizierte Vögel und Seelöwen teilten deren Habitat oder würden diese sogar jagen. Es sei nicht auszuschließen, dass alle Infektionen bei Seelöwen dadurch zustande kamen, dass diese Wildvögel gefressen hätten. Es sei wichtig, dass die Viruslinie, an der die Seelöwen erkrankt waren, isoliert und analysiert werde. Erst dann lasse sich feststellen, ob es eine Übertragung von Tier zu Tier gegeben habe. „Wir müssen warten, bis diese Analyse fertig ist“, sagte Brown. Tatsächlich waren auch in den vergangenen Vogelgrippewellen immer wieder vereinzelt andere Tierpopulationen erkrankt. So waren 2014 mehr als 1500 Seehunde in Deutschland an der Vogelgrippe gestorben.
Vogelgrippe ist keine Zoonose
Man könne die Vogelgrippe derzeit nicht als Zoonose bezeichnen. Die Übertragung auf Menschen sei ein „sehr, sehr seltenes Ereignis“, sagt Brown. Andererseits sei es immer eine mögliche Bedrohung, wenn sich ein Tiervirus in neuen Populationen ausbreite. Und da das Virus in Europa inzwischen das ganze Jahr über zirkuliere, könnten ganz neue Vogelarten befallen werden. Es sei auch besorgniserregend, dass es sich in Südamerika mit seiner großen Biodiversität ausbreite. Brown wies zudem auf das besondere Risiko hin, das von Nerzfarmen ausgehe. Wenn diese weiterhin existieren sollen, müsse es eine bessere Hygiene und mehr Monitoring geben.
Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Löffler-Institut, sagte ebenfalls, es gelte weitere Sequenzierungen abzuwarten. Dass Nerze befallen worden seien, bedeute nicht automatisch, dass das Virus auch auf andere Säugetiere übergehen werde. „Nerze weisen bestimmte Eigenarten auf, die es für das Virus einfach machen, sie zu infizieren. Das gleiche gilt für Meeressäuger“, sagte Beer.
Menschen hätten eine angeborene Immunität gegen Vogelgrippeviren, die für den Erreger nicht einfach zu überwinden sei. Im Vergleich dazu sei diese Immunität bei Nerzen schwächer ausgeprägt. Eine ähnliche Immunität wie beim Menschen sei hingegen bei Schweinen zu finden. Wenn sich das Virus an Schweine anpassen würde, sei es tatsächlich einen Schritt näher an einer möglichen Anpassung an den Menschen. „Das wäre viel besorgniserregender“, sagte Beer. Momentan seien vor allem mehr Vögel als bei früheren Vogelgrippeausbrüchen infiziert. In der Folge gebe es auch mehr Übertragungen auf andere Tiere, sagte Beer: „Es ist aber nicht der richtige Moment zu sagen, wir stehen kurz vor einer Pandemie.“