Interviews und Stufensteigen: Das erste halbe Jahr für Wangerooges Leuchtturmwärter
Wangerooge. Fast wäre er ja auf Fehmarn gelandet. Dort hatte er zumindest eine Stelle im Auge - als Servicetechniker für Windkraftanlagen. „Da wäre es für mich auch hoch hinaus gegangen“, sagt Daniel Jochheim. Und sowieso: Die Gegend hier findet er toll, war früher oft in Dahme - „wunderschön“, meint er und fügt hinzu: „ ... übrigens auch Lübeck“. Doch es kam anders für den heute 38-Jährigen. Statt Ostseeinsel wurde es Nordseeinsel, statt Fehmarn wurde es Wangerooge, statt Windkraftanlagen wurde es ein Leuchtturm.
Seit gut einem halben Jahr ist Daniel Jochheim nun Leuchtturmwärter auf Wangerooge. Dass die Presse ihn da um ein Gespräch bittet, überrascht ihn mittlerweile zwar nicht mehr. Er bekommt so viele Anfragen, gibt so viele Interviews für Fernsehen und Zeitungen, dass das für ihn schon fast zum Alltag gehört. Etwas verwundert ist er aber nach wie vor. „Ich hätte einfach nie gedacht, dass das Interesse so groß sein wird - und jetzt noch so lange anhält.“
Mehr als 1100 Bewerbungen für Wangerooge
Immerhin handelt es sich bei seiner Arbeit nicht um die eines „richtigen“ Leuchtturmwärters, wie man es von früher kennt. Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden in Deutschland die Leuchtfeuer für den Schiffsverkehr nicht mehr jeweils vor Ort, sondern ferngesteuert. Auf Wangerooge gibt es einen „Neuen Leuchtturm“, der aus Wilhelmshaven gesteuert wird.
Bis er 1969 in Betrieb genommen worden ist, diente der Alte Leuchtturm als Seefeuer bei der Ansteuerung von Außenjade und Außenweser. Heute wird er touristisch genutzt. „Die Arbeit dort ist weniger romantisch, als viele vielleicht denken“, sagt Daniel Jochheim und lacht. Immerhin gab es mehr als 1100 Bewerbungen, sehr ungewöhnlich für die kleine Nordseeinsel. Allein das hatte im vergangenen Jahr für medialen Rummel gesorgt.
Tatsächlich aber ist die Hauptaufgabe in dem 39 Meter hohen, denkmalgeschützten Alte Leuchtturm: Ticketverkauf und Einlasskontrolle. Denn in dem Wahrzeichen der Insel befindet sich ein kleines Museum, es besteht aber auch die Möglichkeit, die 161 Stufen hinaufzugehen und auf der Aussichtsplattform einen Blick von oben zu bekommen.
Auch für die Wartung ist Daniel Jochheim zuständig. Dann kann es schon mal passieren, dass er statt dreimal gleich zehnmal am Tag die Stufen hinauf- und heruntergehen muss. „Dann hab ich mal einen Schraubenschlüssel oder so etwas vergessen, und schon muss ich wieder los.“ Also viel Muskelkater? „Ne, ich war früher oft wandern, ich kenne das.“
Jedes Mal, wenn ich im Auto sitze, im Stau stehe oder an der langen Schlange im Supermarkt stehe, dann denke ich an die Insel. Da habe ich das alles nicht.
Daniel Jochheim
Leuchtturmwärter von Wangerooge
Genauso kannte Daniel Jochheim die Insel bereits, und er hatte auch eine klare Vorstellung seiner Arbeit. Wobei: Spielraum für Neues hat er ja, und den nutzt er sehr gern. „Ich habe zumindest einige Ideen, was man hier noch machen könnte.“ Eine davon verrät er.
Denn in dem Turm befindet sich ein kleines Trauzimmer. Jochheim selbst darf dort nicht offiziell trauen, möchte aber gern freie Trauungen zum Beispiel auf der Außenplattform anbieten. Einen Kursus dafür macht er jetzt, die ersten Anfragen gibt es schon. Er ist eben bekannt, der neue Leuchtturmwärter.
Eine der sieben Ostfriesischen Inseln
So bekannt, dass er regelmäßig angesprochen wird. „Vor allem im Sommer standen hier schon viele Leute.“ Sie hatten ihn im Fernsehen gesehen, in der Zeitung und im Internet über ihn gelesen. „Da hab ich draußen einfach nur Rasen gemäht und auf einmal standen ganz viele Menschen da, schauten mir zu, kamen rüber und wollten Selfies machen.“ Natürlich wird das manchmal viel, aber er freut sich auch. Und Ruhe und Rückzugsorte findet er auf Wangerooge immer.
Sie ist die östlichste der sieben Ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer, wobei Wangerooge als einzige der „Sieben zum Verlieben” zum Landkreis Friesland gehört, nicht etwa zu Ostfriesland. Etwa 1200 Menschen leben auf der autofreien Insel, die durch ihre Form an ein Seepferdchen erinnert.
Vor allem im Sommer wohnen durch etliche Touristen vorübergehend deutlich mehr Menschen dort. Da schaut man eher über Schwierigkeiten des Insellebens hinweg, die für Wangerooger zu Herausforderungen werden können - zum Beispiel, dass die Insel nur per tideabhängiger Fähre oder Flieger erreichbar ist, und dass es keine Fachärzte und nicht so viele Einkaufsmöglichkeiten wie am Festland gibt. Damit kommt nicht jeder „Neue” klar. Daniel Jochheim schon. „Darauf kann man sich doch einstellen.“
Im Grunde schätzt er das ruhigere und etwas abgelegene Inselleben. Dadurch, dass seine Familie aktuell noch in der alten Heimat im Sauerland wohnt, pendelt er. „Aber jedes Mal, wenn ich im Auto sitze, im Stau stehe oder an der langen Schlange im Supermarkt stehe, dann denke ich an die Insel. Da habe ich das alles nicht.“ An die Nordseeinsel, die die Ostseeinsel vor gut einem halben Jahr geschlagen hat. Aber: Urlaub an der Ostsee, sagt Jochheim, der ist in jedem Fall nach wie vor drin.
LN