Der amerikanische Albtraum: Trump plant seine Rückkehr

„Rettet Amerika“: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump bei einer Kundgebung im Juli dieses Jahres in Florida.

Eine interessante Personalie wurde jüngst im „Des Moines Register“ veröffentlicht, der größten Regionalzeitung im kleinen US-Bundesstaat Iowa: Donald Trump hat in Iowa zwei politische Berater angeheuert.

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Für alle Menschen, die gehofft hatten, Trump werde sich bald ein für allemal von der politischen Bühne zurückziehen, ist dies eine schlechte Nachricht.

Trumps neue Helfer heißen Eric Branstad und Alex Latcham. Sie sind Werbeprofis aus der Region – und alte Bekannte. Schon im Jahr 2016 schraubten sie mit an den Wahlkampfauftritten Trumps in Iowa, dem stimmungsmäßig wichtigen ersten US-Bundesstaat, in dem bei den Vorwahlen Entscheidungen fallen.

Der Bericht der 33 Jahre alten Politikreporterin Brianne Pfannenstiel vom „Des Moines Register“ zieht Kreise. Erst wurden die Notizen aus der Provinz in der Wein-und-Käse-Szene amerikanischer Politikfreaks und PR-Experten von Küste zu Küste herumgereicht. Inzwischen ziehen auch politische Beobachter rund um den Globus die Augenbrauen hoch: Was will Trump schon wieder in Iowa?

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Offiziell hat Trump sich noch nicht festgelegt auf eine Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2024. Doch seine Aktivitäten in Iowa zeigen, dass er einen neuen Anlauf nicht mehr nur in Erwägung zieht, sondern konkret vorbereitet. „Schlüsselfertig“, lautet die Deutung im Onlineportal „Politico“, solle der Wahlkampfapparat schon sein, bevor Trump bekannt gibt, dass er ihn tatsächlich nutzt.

Eine ganz eigene Wahrheit, für eine Handvoll Dollar

In diesem Sinne geht es jetzt voran. Branstad und Latcham aus Iowa bekommen von nun an ihre Gehälter von „Save America“. Das ist Trumps „Political Action Committee“, ein von ihm selbst gegründeter Spendensammelverein, der aktuell mehr als 100 Millionen Dollar auf dem Konto haben soll, Tendenz steigend.

„Save America“ macht längst auch auf nationaler Ebene mobil. Das Internetvideo „Surrenderer-In-Chief“ etwa schlachtet Joe Bidens Afghanistan-Desaster aus – und entwickelt sich gerade in doppelter Weise zum Renner, politisch und finanziell.

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Biden habe gesagt, Amerika sei wieder da, tönt die Trump-Kampagne. Stattdessen seien die Taliban wieder da. Gekonnt wird dann alles zusammengeschnitten, was Biden schlecht aussehen lässt, von seinen Stolpereien auf der Gangway der „Air Force One“ über das Chaos auf dem Flughafen Kabul bis zu Frauen, die von Islamisten geschlagen werden. Die Botschaft ist klar: Die Regierung der USA ist in die Hände eines Totalversagers geraten.

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Viele, denen das Video gefällt, spenden spontan per Buttons auf der gleichen Seite 250, 100, 50 oder doch wenigstens 25 Dollar, um es weiter zu verbreiten. „Die Medien“, tönt „Save America“, „lehnen es ab, Biden für die Tragödie verantwortlich zu machen, die er verursacht hat – aber wir werden ihn dafür verantwortlich machen. Wir können Amerika die Wahrheit zeigen, und es liegt an Ihnen, dafür zu sorgen, dass jeder dies sieht. Bitte spenden Sie sofort.“

Dass Trump selbst es war, der den Abzug aus Afghanistan nicht nur forciert, sondern mit den Taliban sogar vertraglich fixiert hatte, lässt die Webseite wohlweislich beiseite.

Eine ganz eigene Wahrheit, für eine Handvoll Dollar: Dieses Angebot hat seinen Reiz für viele, die in unübersichtlichen Zeiten nach einfachen Antworten suchen. Mehr denn je scheint Trump entschlossen zu sein, künftig alles aus einer Hand zu bieten: Regierungsgewalt ohne Gewaltenteilung plus Deutungshoheit über alles, was in der Welt geschieht – ein Alptraum für jeden, dem die Demokratie wichtig ist.

Kampf um Sein oder Nichtsein der Demokratie

Seine Niederlage im Jahr 2020 hat Trump noch radikaler gemacht. „Diese Wahlen waren manipuliert“, tönte Trump dieser Tage im extrem rechten Sender Newsmax - dem er jetzt häufiger Interviews gibt, weil ihm der rechte Sender Fox nicht mehr rechts genug ist.

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Amerika, hob Trump an, gehe jetzt den Bach runter wie noch nie – „ich glaube, wir werden gar kein Land mehr übrig haben in drei Jahren“. Und weil er sich gerade so schön in Rage geredet hatte, brachte Trump auch gleich noch eine neue Verschwörungstheorie unter die Leute: Biden sei ja noch schlimmer als Barack Obama – wobei man übrigens „von vielen“ höre, dass in Wahrheit Obama diese Regierung leite, natürlich ohne dass jemand das mitbekomme.

„Ich glaube, wir werden gar kein Land mehr übrig haben in drei Jahren“: Donald Trump.

Politik im klassischen Sinne ist das alles nicht mehr. Eher ein Frontalangriff auf die modernen USA und ihre Institutionen. Das liberale Amerika blickt auf Szenen wie in einem Horrorfilm, in dem das totgeglaubte Monstrum sich am Ende noch einmal schnaubend und mit düsterem Blick erhebt, zu einem Endkampf.

Eine weitere Kandidatur Trumps wäre kein Richtungsstreit mehr, es wäre ein Ringen um Sein oder Nichtsein Amerikas und seiner Demokratie. Dass ihm freie Medien ein Dorn im Auge sind, hat Trump immer wieder klargemacht, auch dass er das Parlament für eine verzichtbare Quasselbude hält. Führende Demokraten bedauern deshalb, dass Trump nicht schon am 6. Januar 2021 verhaftet wurde, nach dem von ihm initiierte gewalttätigen Aufmarsch gegen das Kapitol. „Er hätte sofort festgenommen werden müssen“, sagt die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die kalifornische Demokratin Nancy Pelosi. „Er war ein Staatsstreich.“

„Ihr werdet gerade von einer Sekte entführt“

Eindringlich appellierte Pelosi bei einer Rede an der britischen Cambridge University an ihre Freunde in der Republikanischen Partei – „da habe ich einige – , Trump an einer zweiten Kandidatur im Jahr 2024 zu hindern: „Ich sage ihnen: Holt euch eure Partei zurück. Ihr seid die Grand Old Party of America. Ihr habt wunderbare Dinge für unser Land getan. Ihr werdet gerade von einer Sekte entführt, das tut unserem Land nicht gut.“

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Wer aber wird sich durchsetzen bei den Vorwahlen der Republikaner? Wer von ihnen wird überhaupt noch wagen anzutreten, wenn auch Trump auf die Bühne geht?

Nikki Haley zum Beispiel, eine gemäßigte Republikanerin aus South Carolina, vormals US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, hat bereits durchblicken lassen, sie werde eine eigene Präsidentschaftskandidatur zurückziehen, wenn Trump noch einmal antrete.

Auch die potenzielle republikanische Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley (2. v. l.) streckt bereits drei Jahre vor der Wahl die Fühler aus nach Iowa: Im Juni dieses Jahres nahm die frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen am „Lincoln Dinner“ in Des Moines teil.

Der dreht unterdessen einfach schon mal auf, auch ohne offizielle Ankündigungen. Die Fans strömen zu ihm wie in alten Zeiten.

Bereits für den 25. September bittet Trump zu einer Kundgebung in Perry, Georgia, in einem Staat, den er 2020 knapp verloren hat. Dem Wahlleiter von Georgia ist der Ex-Präsident noch immer gram: Der arme Mann konnte bei Nachzählungen trotz mehrfacher telefonischer Interventionen aus dem Weißen Haus partout die zu einem Trump-Sieg nötigen Stimmen nicht „finden“.

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Am 9. Oktober folgt dann eine Kundgebung in Des Moines, Iowa. Spätestens diesen Auftritt im strategisch wichtigen Vorwahlstaat wird die ganze Welt – einschließlich der Regierungen Europas, Chinas und Russlands – so deuten, wie er offenkundig auch gemeint ist: als Rückkehr Trumps auf die ganz große Bühne.

Trump kann sich die Kandidatur greifen

Zu den wenigen Mutigen bei den Republikanern, die dies alles „verrückt“ finden, zählt Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey. Er forderte die Republikaner dieser Tage auf, sich den Realitäten zu stellen. Bei einer Veranstaltung in der Ronald Reagan Library in Kalifornien sagte Christie: „Wir müssen den Verschwörungstheoretikern und den Wahrheitsleugnern entsagen. Wenn wir weiter so tun, als hätten wir die Wahlen 2020 gewonnen, verlieren wir Zeit, Energie und Glaubwürdigkeit.“

„Wenn wir weiter so tun, als hätten wir die Wahlen 2020 gewonnen, verlieren wir Zeit, Energie und Glaubwürdigkeit“: Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, ist einer der wenigen offenen Widersacher Trumps bei den US-Republikanern.

Doch auch Christie mochte den Namen des Elefanten im Saal nicht aussprechen. Trump hat nach wie vor die meisten und die glühendsten Anhänger. Und: Neuerdings schlägt Trump auch wieder Biden.

Bei einer Emerson-College-Umfrage lag Trump Anfang September einen Punkt vor dem amtierenden Präsidenten bei der – wohlgemerkt hypothetischen – Frage, wen die Befragten 2024 im Fall eines Duells Biden-Trump wählen würden.

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Vor allem aber innerhalb der eigenen Partei hat Trump nach wie vor eine so große Verdrängung, als nähere sich ein Kreuzfahrtschiff ein paar Paddelbooten. Als einziger Bewerber könnte derzeit der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, im Fall einer Kandidatur gegen Trump auf ein auch nur zweistelliges Ergebnis hoffen, mit erbärmlichen 10 Prozent. Alle anderen blieben noch weit darunter.

Mit anderen Worten: Trump könnte sich die Kandidatur greifen wie der Bär Baloo sich im Dschungelbuch eine Banane nimmt – wenn er denn will.

Unklar ist, was Trump noch bremsen könnte. Das Alter? In drei Jahren wäre er 78, nicht älter als Biden jetzt. Sind es Bedenken seiner Ehefrau Melania, die angeblich „kein Interesse“ hat, noch einmal vier Jahre im goldenen Käfig des Weißen Hauses zu verbringen? Bislang ist Trump nie dadurch aufgefallen, dass er die Befindlichkeiten anderer zur Maxime seines Handelns macht.

„Er hat Blut geleckt“, sagen Vertraute

Jason Miller, der Sprecher von Trumps Wahlkampagne von 2016, wurde vom Streamingdienst Cheddar gefragt, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass sein früherer Chef wieder antritt. Antwort: „Irgendwo zwischen 99 und 100 Prozent“. Wenn man Trump treffe und ein bisschen mit ihm rede – genau das habe er jüngst erst getan – werde sehr schnell klar: Er will es noch einmal wissen.

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Trump, sagen Vertraute, habe „Blut geleckt“. Er wolle jetzt die Afghanistan-Krise nutzen, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: erstens Biden frontal angehen, zweitens auch gleich alle parteiinternen Mitbewerber von der Platte fegen.

„Trump sieht, dass Biden in den Seilen hängt“, sagt Matt Gaetz, ein republikanischer Abgeordneter aus Florida, der zum Umfeld des Ex-Präsidenten gerechnet wird. Das Politikportal „Politico“ zitiert Gaetz mit den Worten, Trump wolle Biden Schläge verpassen, „als Kämpfer, nicht als Zwischenrufer von der Tribüne“.

Dass Trump die offizielle Erklärung seiner Kandidatur noch hinaus schiebt, findet Gaetz taktisch richtig. Um seine Basis jedenfalls müsse Trump sich keine Sorgen machen, die habe Geduld und sei ihm treu.

Schöne Grüße an Iowas Bauern

Einstweilen scheint es Trump zu genügen, hier und da die Szene ein bisschen in Vibrationen zu versetzen, etwa mit einem kleinen abendlichen Anruf bei einem Parteifreund.

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Nachdem Trump zum Beispiel mit dem Chef der Republikaner in Iowa, Jeff Kaufmann, geplaudert hatte, mochte der die Sache nicht für sich behalten. „Hatte heute Abend einen tollen 15-minütigen Anruf von Präsident Trump“, schrieb Kaufmann am 9. August auf Twitter. Trump habe sich unter anderem „nach Iowas Bauern erkundigt“.

Iowas Bauern bekommen alle vier Jahre tolle Versprechungen, sie sind das gewohnt. Am 9. Oktober, beim Auftritt in Des Moines, wird Trump reden wie einer von ihnen.