Merz will Notmaßnahmen in Asylpolitik – Söder fordert „grundlegende Migrationswende“

München/Berlin. In der Debatte um eine schärfere Asylpolitik setzt die Union die Ampel-Koalition wenige Tage vor gemeinsamen Gesprächen weiter unter Druck. CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Regierung auf, weitergehende Vorkehrungen zu treffen, um die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zu begrenzen. CSU-Chef Markus Söder verlangte eine Änderung des Asylrechts. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will als Folge aus dem tödlichen Messerangriff in Solingen in der kommenden Woche mit der Union als größter Oppositionskraft und den Ländern über die Migrationspolitik beraten.
In seiner aktuellen Rundmail an seine Anhänger spielte Merz auf das Ausrufen einer nationalen Notlage an, auf deren Grundlage es laut Rechtsexperten möglich wäre, Menschen direkt an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Für das Land und die Gesellschaft sei eine „Überforderungsgrenze“ erreicht, erklärte er. Die EU sehe für diesen Fall eine „Generalklausel“ vor, die es den Mitgliedstaaten ermögliche, „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für den Schutz der inneren Sicherheit eigene Vorkehrungen zu treffen“, betonte der CDU-Chef. „An diesem Punkt sind wir angekommen.“

Söder will Änderung des Asylrechts - Scharfe Kritik aus SPD
Unterstützung für ein härteres Vorgehen erhält Merz von CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident forderte die Regierung zu einer grundlegenden Umkehr in der Migrationspolitik und einer Änderung des Asylrechts auf. „Wir müssen das Asylrecht ändern, es ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen all jene an den deutschen Grenzen zurückweisen können, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben“, sagte Söder der „Welt am Sonntag“. Das kürzlich von der Bundesregierung vorgestellte Asylpaket enthalte richtige Ansätze, greife aber insgesamt noch zu kurz, betonte der CSU-Chef. „Es braucht endlich eine grundlegende Migrationswende.“
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies dies entschieden zurück. „Dass Markus Söder an unserem Grundgesetz herumschrauben will, nachdem Friedrich Merz das vor wenigen Tagen ausdrücklich ausschloss, irritiert“, sagte Kühnert dem „Tagesspiegel“. Die notwendigen politischen Debatten nach dem Attentat von Solingen seien „nicht der richtige Ort für die Profilierung möglicher Unions-Kanzlerkandidaten“, fügte Kühnert hinzu.

Hauptstadt-Radar
Der RND-Newsletter aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Söders Münchner Kabinettskollege Joachim Herrmann äußerte sich ebenfalls skeptisch zu der Frage, ob die bislang vom Bund auf den Weg gebrachte Schritte reichen. Um echte Erfolge zu erzielen, müsse die irreguläre Migration in die Europäische Union und nach Deutschland begrenzt werden, sagte der bayerische Innenminister dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor den geplanten Bund-Länder-Gesprächen zur Migrationspolitik am Dienstag. „Und dazu schweigt das Paket völlig. Da macht die Bundesregierung überhaupt keine Vorschläge.“
Nötig sind nach Einschätzung Herrmanns zentrale Weichenstellungen auf Bundesebene. Er verwies dabei auch auf Bundesratsinitiativen Bayerns. Die CSU-geführte Landesregierung fordert unter anderem Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen auch bei einem Asylgesuch des oder der Einreisenden.

Keine Sozialleistungen mehr für Dublin-Flüchtlinge – geht das überhaupt?
Die Ampelkoalition will Leistungen für Asylsuchende ganz streichen, deren Asylverfahren in einem anderen EU-Staat stattfinden muss. Geflüchtete, die andernorts registriert wurden, sollen nur nötigste Sachleistungen bekommen. Doch ganz so einfach ist es nicht.
„Schon nach bisheriger Rechtslage“
Herrmann kritisierte zudem die von der Bundesregierung angekündigte Leistungsreduzierung für Asylbewerber, die als sogenannte Dublin-Flüchtlinge bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden. Dieser Vorschlag bringe „fast nichts“, bemängelte er. „Schon nach bisheriger Rechtslage bekommt ein solcher Asylbewerber nämlich nur noch das als ‚Bett, Brot und Seife‘ bezeichnete Minimum – lediglich kurze Zeit später, wenn nach der Zustimmung des Mitgliedstaats das Bamf den Ablehnungsbescheid fertigt.“ Positiv bewertete Herrmann dagegen den Plan strengerer Regeln für straffällig gewordene Asylbewerber. Das sei einer der wenigen „wirklich substantiierten Vorschläge“.
Maßnahmen gegen irreguläre Migration: Merz bietet Scholz gemeinsame Asyl-Änderungen an
Der Schutz der Außengrenzen ist auch für weitere Unionspolitiker ein Kernthema bei den geplanten Gesprächen. „Mit Abschiebungen werden wir die anhaltende Migrationskrise niemals lösen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der „Bild“. „Wir müssen endlich am Beginn des Prozesses ansetzen, und das heißt: Zurückweisungen an der Außengrenze. Darauf werden wir beim Asylgespräch dringen.“ Zugleich bezweifelte auch Frei in der „Rheinischen Post“ die Wirkung der von der rot-grün-gelben Bundesregierung angepeilten Leistungsstreichungen für sogenannte Dublin-Flüchtlinge.
Nach dem Messeranschlag von Solingen mit drei Toten hatte Scholz Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft über die möglichen Konsequenzen angekündigt. Das erste Treffen soll in der kommenden Woche sein. Die Bundesregierung legte außerdem das genannte Maßnahmenpaket vor, das unter anderem Leistungskürzungen für Geflüchtete vorsieht, für die ein anderes EU-Land zuständig ist. Am Freitag schob Deutschland erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder Afghanen in ihr Herkunftsland ab. Davor hatte laut Medienberichten das Golfemirat Katar zwischen der deutschen Regierung und den Taliban vermittelt.

Grüne: Einige Aussagen der Union sind unredlich
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der Union unterdessen vor, dass sie teils Vorschläge mache, die faktisch nicht umsetzbar seien. „Wer den Menschen beispielsweise suggeriert, man könne derzeit im großen Stil nach Syrien oder Afghanistan abschieben oder geltendes internationales Recht einfach aussetzen, streut ihnen Sand in die Augen und argumentiert in höchstem Maße unredlich“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Scholz bezeichnete den Abschiebeflug als Signal an alle Straftäter. „Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht“, sagte er bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
RND/janp/vat/dpa



