Gastronomie-Highlight in Bad Segeberg: Zwei Sterne, Aal und Waldmeister

Hemdsärmelig, eine blaue Schürze umgebunden, steht Tony Hohlfeld vor Blechen mit goldbraunen Aalstreifen. Gelassen bepinselt er sie mit Butter. So schnöde die Situation aus dem Küchenalltag, so kunstvoll ist das, was neugierigen Feinschmeckern gleich als erster von fünf Gängen kredenzt wird.
Knapp 70 tiefe Teller stehen in Vierer-Reihe bereit. Kleine Kringel fermentierten Chicorées und glasierte Birne werden mit der Pinzette millimetergenau platziert, dazwischen liegt der Aal.
Menü kostet 195 Euro pro Person
Am Tisch vervollständigen Kellner mit Soße aus kleinen Kannen das essbare Kunstwerk namens – man hätte darauf kommen können – „Aal/Chicorée/Birne“. Das Gastspiel des 38. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals (SHJGF) nimmt seinen Lauf.
Noch bis Anfang April wird in verschiedenen Restaurants zu diesem Anlass angerichtet. Ein Dessertmenü in Timmendorfer Strand (Kreis Ostholstein) gibt es beispielsweise mit Taro Bünemann am 30. März. Und Wohlfühlküche verspricht Michael Kempf im Waldhaus Reinbek am 4. und 5. April im Kreis Stormarn.

Gastkoch Hohlfeld – 35 Jahre alt, Sternzeichen Jungfrau, zwei Michelin-Sterne – hat für zwei Abende das Zepter im Vitalia Seehotel übernommen. Ihm zur Seite steht sein Sous-Chef Nico Holtgreve. Hoteldirektor Guido Eschholz beschreibt unterdessen den Gästen das erste begleitende Getränk, einen 2023 Silvaner Volkach „Muschelkalk“, als Wein zum feinen „Wegsaufen“.
Sehr zum Vergnügen der insgesamt 140 Besucher (195 Euro pro Person), die es kulinarisch anspruchsvoll, aber unterhaltsam locker mögen. Und, um das vorwegzunehmen: Ja, sie werden alle auf wohlige Weise satt.
An einem der schmucken Galatische sitzen Andreas und Vera Hüttmann aus Oering, bekennende Feinschmecker, die der Appetit auf ein Lieblingsmenü sonst eher nach Hamburg verschlägt. Nebenan Frank Wiebe – leidenschaftlicher Hobbykoch – und seine Frau Dagmar Mannke. Sie haben sich den Abend zum Valentinstag gegönnt.
Saibling mit Sauerampfer ist der Star auf den Tellern
„Das Erstaunliche an Sternenköchen ist, dass sie Dinge gemeinsam verwenden, auf die man so nicht kommt“, sagt der Bad Segeberger beim Studieren der Speisekarte: Saibling, Sauerampfer, Waldmeister ist dort als Nächstes zu lesen, gefolgt von Hummer, Muschel, Zitrone.
Der Hummer fällt am Tisch durch. Zu salzig, ist man sich einig. Anders am Nachbartisch: „Ich esse gerne würzig, daher habe ich es überhaupt nicht so empfunden“, kommentiert eine Dame im mittleren Alter. Rind, Karotte und Bucheckern ernten wieder beinahe so viel Lob wie der Saibling – der ungekrönte Star des Abends auf dem Teller.
Über Geschmack im Allgemeinen, kunstvoll dargebotene Aromen und Essen im Besonderen lässt sich trefflich plaudern. Überhaupt sind die unterhaltsamen Tischgespräche das Salz in der Suppe, um im Bild zu bleiben.
2020 erhielt Hohlfeld den zweiten Stern
Wofür steht der Sternekoch, der zum dritten Mal beim SHJGF dabei ist? Nicht für Effekthascherei und Chichi. „Stattdessen, präzises Handwerk, Niveau und durchdachte eigene Ideen“, lobt der Guide Michelin. Leichtigkeit, Kraft und Finesse würden eine wunderbare Balance bilden, urteilen die Essenstester.
2016 erhielt das Hohlfeldsche Restaurant Jante, das er zusammen mit seiner Lebenspartnerin und Chef Sommelière Mona Schrader in Hannover betreibt, einen Michelin-Stern. 2020 folgte der zweite.
Unter Druck setze ihn das nicht: „Die habe ich ja für das bekommen, was ich mache.“ Für ihn selbst, den Vater eines Sohnes, darf es übrigens ganz gerne mal ein Döner sein: „Selbstgemacht? Niemals!“
LN




